Zeitungsforschung per Wiki

Endspurt beim Auswerten.

Eine Dose AAL mit Aufkleber: Andere arbeiten lassen Die Reaktionen auf das Experiment, Zeitungsfeatures gemeinsam per Wiki zu untersuchen, haben meine Erwartungen komplett übertroffen. Mehrere Leute wollen beim Auswerten helfen, zwei Drittel der Zeitungen sind schon untersucht. Und das, obwohl meine Wiki-Methode äußerst unelegant ist.

Störenfriede sind dem Wiki weitgehend ferngeblieben. Einzelne Nutzer haben weitere Zeitungen aufgelistet, aber nicht ausgewertet — die Blätter habe ich wieder gestrichen. (Zur Erläuterung: Wenn beispielsweise die „junge Welt“ fehlt, dann nicht aus ideologischen Gründen, sondern mangels Auflage. Die „junge Welt“ lag vor zwei Jahren bei 14.000 Exemplaren, also bei einem Zehntel der „Kreiszeitung Syke“.)

Vom „Donaukurier“ bis zum „Wiesbadener Kurier“ gibt es aber einige Zeitungen, die noch niemand untersucht hat. Wer beim Endspurt mithelfen will, sucht sich eine Zeitung mit rotem Link auf der Übersichtsseite. Dann bitte einmal den Text {{subst:Zeitungsfeatures}} in die leere Seite einfügen und speichern: Dadurch entsteht die Liste der Kriterien. Einmal auf ‚bearbeiten‘ klicken, die Angaben zur Zeitung ergänzen und am Ende natürlich noch einmal speichern.

Persönlich gemeint

Startseiten-Lokalisierung bei der BBC.

Wer die Großbritannien-Version (und nicht die internationale) der BBC-News-Website besucht, findet dort neuerdings ein kleines Kästchen:

BBC-Eingabefeld

Zum Ausprobieren: E1 6PU (Brick Lane, London), M16 0RA (Old Trafford, Manchester), BT1 3FG (Queen’s Square, Belfast), EH2 3AA (Princes Street, Edinburgh), LL61 5EX (Llanfairpwllgwyngyll, Wales).

Lokalnachrichten und Lokalwetter für London

Bislang werden nur Schlagzeilen und ein Wetterbericht aus der Region angezeigt — eigentlich nicht sonderlich aufregend. Obendrein noch weit entfernt von BBC Malkovich, dem web2.0igen Gewinner des BBC-Redesign-Wettbewerbs. Aber dass sich ein großes Nachrichtenportal einfach mal merkt, welches Wetter den Nutzer interessiert, ist eben keine Selbstverständlichkeit.

Wenn es um Sport geht, ist das mit der Personalisierung nicht so leicht: Auch in London SW1A 2AA kann ein Fan von Newcastle United wohnen. Dafür gibt es die Möglichkeit, per Checkbox weitere Nachrichten und Sportmeldungen hinzuzufügen.

Die BBC bezeichnet den Dienst aber ausdrücklich als Beta und bittet um Rückmeldungen. Gefällt mir gut: Die Prioritäten werden nicht grotesk ins Lokale verschoben. Auch in Nordwest-Wales ist der Nahost-Konflikt die Topmeldung, nicht der Mangel an Teilzeit-Feuerwehrleuten in Nordwest-Wales.

Future Media and Technology

Ein erster Blick auf die BBC-Umstrukturierung.

Eine Weile wurde gerätselt, was bei der BBC-Umstrukturierung aus der Direktion „New Media and Technology“ wird. Der Spagat: Einerseits ist das Internet ja schon kein Neues Medium mehr und soll ja gerade Teil des Alltag der BBC sein. Das spräche dafür, die Onliner in die normalen Redaktionen zu setzen. Andererseits hat diese Direktion in den letzten Jahren einfach Erstaunliches geleistet. Die BBC, mit 25.000 Beschäftigten nicht gerade ein kleines Start-up, gehört in der Verlagsbranche (laut Deloitte) zu den am meisten bewunderten „digitalen Unternehmen“. Früher als andere große Medienhäuser hat die BBC auf RSS-Feeds und Podcasts gesetzt; sehr vorzeigbar sind beispielsweise das Entwicklernetzwerk backstage.bbc.co.uk, die echten Blogs, die Pläne für persönliches Radio und vor allem die Überlegungen, wie die Medienrevolution zurückschlägt auf die Inhalte. Und diese NM&T-Abteilung soll zerschlagen werden?

Nun also doch nicht, im Gegenteil. Vorher gab es „New Media and Technology“ mit einem Budget von 250 Millionen Pfund (!), also etwa 360 Millionen Euro, und 650 Beschäftigten. Stattdessen gibt es nun „Future Media and Technology“ (FM&T) mit einem Budget von etwa 390 Millionen Pfund (!!), also 570 Millionen Euro, und bis zu 1.500 Mitarbeitern. Damit will die BBC unter anderem die Digitalisierung ihrer riesigen Archive vorantreiben: Die entsprechende Abteilung mit 450 Leuten ist nun Teil von „Future Media and Technology“.

Die Budget-Zahlen stammen aus einem Guardian-Artikel, in dem auch das bisherige Neue-Medien-Budget aufgeschlüsselt wird: Von den 360 Millionen Euro gehen über 100 Millionen Euro in die Website bbc.co.uk, gut 50 Millionen Euro in mobile Dienste und interaktives Fernsehen und gut 200 Millionen Euro in den Bereich Technologie. Nach dem neuen Modell soll FM&T zentral für die technologische Entwicklung bei der BBC zuständig sein. Im Pressemitteilungs-Jargon heißt das dann: „FM&T will manage all new media platforms and gateways like bbc.co.uk, the emerging i-player and web 2.0, as well as metadata, search and navigation and BBC Information & Archives which is vital to opening up the BBC’s archives.“

Die Zuständigkeit (und das Budget) für die Online-Sendungsbegleitung im engeren Sinne geht an die Produzenten der jeweiligen Programme. Aber auch dort hat BBC-Generaldirektor Mark Thompson die Strukturen kräftig verändert: Sport- und Nachrichten-Direktion kommen unter das gemeinsame Dach „Journalism“. Aus den drei Direktionen BBC Television, Factual & Learning sowie Drama, Entertainment & Children wird die Gruppe „BBC Vision“. Für Radio und Podcasts zuständig ist künftig „Audio & Music“.

So fernöstlich-harmonisch wie in diesem offiziellen Diagramm wird es natürlich niemals zugehen:

Offizielles BBC-Struktur-Diagramm

(Kommentare zum Diagramm bei Flickr.)

Kleiner Clou zum Schluss: „Future Media and Technology“ schickt in die drei neuen Gruppen Journalism, BBC Vision und Audio & Music jeweils einen Controller „who will make sure that each group gets the talent and support it needs, and who will help make sure that our key future media technology projects work in tandem with our editorial vision and plans“ (Thompson). Der BBC-Generaldirektor lädt übrigens am Ende seiner Ansprache an die Beschäftigten alle, die der Creative-Future-Vision nichts abgewinnen können, zum Gehen ein.

Nachtrag: Tom Coates, der eine Weile an spannenden BBC-Onlineprojekten (aber außerhalb der Neue-Medien-Abteilung) gearbeitet hat, ist sehr skeptisch — von großen Ankündigungen sei wenig geblieben. Jeff Jarvis fordert dagegen, Thompsons Rede in jeder Zeitungsredaktion in den USA zu halten.

Mehr zum Thema:
Guardian: Highfield’s spending power soars at BBC
Guardian: New BBC divisions at a glance
BBC News: BBC restructures for digital age
BBC-Pressestelle: BBC reorganises for an on-demand Creative Future
BBC-Generaldirektor Mark Thompson: Delivering Creative Future

Upgrade im Westen

Die Online-Pläne der WAZ-Gruppe.

WAZ 2.0? Eine der Urformen von location based services heißt: Lokalteil einer Regionalzeitung. Eigentlich müsste sie auch im Netz die Keimzelle von Communities und der Traum vieler Anzeigenkunden sein. Was viele Tageszeitungen stattdessen im Netz bieten, sind eingekaufte Nachrichten, ein paar Artikel aus der Papierausgabe und dazu ein Forum. Online als Randaktivität in den Händen von Beauftragten.

Dass das anders werden muss, hat die Spitze der WAZ-Mediengruppe nun offenbar eingesehen und eine Bloggerin zur Online-Chefredakteurin auserkoren. Die Reaktion unter den Bloggern und Podcastern beim gestrigen Stelldichein mit den WAZ-Granden war eine Mischung aus großer Freude für Katharina Borchert alias Lyssa und dem Gefühl, dass sie sich da einen ordentlichen Brocken vorgenommen hat. Wenn ihr tatsächlich gelingt, im Raum der Westdeutschen Allgemeinen, Neuen Ruhr Zeitung/Neuen Rhein Zeitung, Westfälischen Rundschau und Westfalenpost eine Kombination aus journalistischem Qualitätsangebot und Web-2.0-Plattform zu machen, dann liegt die Messlatte für alle übrigen Zeitungen — nicht nur die regionalen — künftig deutlich höher. (Ein mahnender Schwenzelismus: „Das Gegenteil von einfach heißt Portal“.)

Im taz-Blog Bildschirmtext zieht Philipp Dudek einen Zusammenhang zwischen der Online-Offensive und der Schließung von WAZ-Lokalredaktionen in Herten (65.000 Einwohner), Marl (90.000 Einwohner), Datteln (plus Olfen), Haltern, Oer-Erkenschwick und Waltrop (zwischen 30.000 und 40.000 Einwohner). Allerdings benennt Dudek den Zusammenhang nicht. Die Finanzanalysten der Deutschen Bank sind da offener: „We believe that the business is broken or, at the very least, is in the process of rusting away.“ Das beschriebene Business ist übrigens die Zeitungsbranche. Dass das in Deutschland nicht anders ist, zeigt ein Blick auf die IVW-Auflagenentwicklung der vergangenen zehn Jahre (und die ist noch nicht einmal nach Geburtsjahrgang der Leser sortiert).

Mehr zum Thema:
Heiko Hebig: Im Dialog mit der WAZ
Thomas Knüwer: Gestern bei Wazens
Jan Schmidt: Workshop in Essen
Matthias Kretschmer: WAZ goes Web 2.0 – so zumindest der Plan
Mario Sixtus: Waz für ne Idee! (aua!)
Felix Schwenzel: bodo holt lyssa aus dem abgefahrenen zug
Nicole Simon: Änderungen in kleinen oder großen Schritten

Nachtrag: Zudem Neues vom Haltungsturner: Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach wird beim PR-Netzwerk Edelman Director Online Conversations und CBO.

Heimdrucker-Zeitungen

Über G24, den Web-first-Grundsatz und OnRuhr.

Die britische Tageszeitung Guardian fügt den Formen elektronischen Papiers eine weitere hinzu: G24 soll eine im Viertelstundentakt aktualisierte Kurz-Zeitung zum Ausdrucken werden. Der Leser kann sich sein Blatt aus fünf Themenpaketen zusammenstellen und bekommt dann ein 8- bis 12-seitiges PDF-Dokument. Bislang gibt es nur eine Dummy-Titelseite (im Format 21 x 24,4 cm) zu sehen, der Starttermin wird mit „later in the summer“ angegeben. Für den Leser ist das Blatt dank eines Sponsors kostenlos.

G24-Dummy mit Kategorien Nachrichten, Ausland, Wirtschaft, Sport und Medien

Dabei will der Guardian viele Texte aus dem Online-Angebot in ein Print-Layout gießen und damit vor allem Pendler ansprechen. (Vermutlich werden allerdings die wenigsten G24-Ausgaben daheim auf dem eigenen teuren und langsamen Tintenstrahldrucker entstehen, sondern eher auf dem schnellen Laserdrucker im Büro kurz vor Feierabend.)

Erst vor zwei Wochen hat der Guardian offiziell die Parole „Web first“ ausgegeben — Artikel erscheinen online, bevor sie das im gedruckten Blatt tun. Das Fazit der Guardian-Onliner nach einer Woche ist sehr positiv, mittlerweile ist auch die Times dem Vorbild gefolgt. Allerdings bleiben weiterhin einige große, exklusive Geschichten reserviert für die Papierausgabe.

Dass der Guardian mutig in die digitale Zukunft geht, hat er zuletzt mit Comment is free gezeigt, einer Kombination von Meinungsartikeln, Leserkommentaren und Blog-Links. Und die 120-Millionen-Euro-Investition in neue Druckmaschinen für den Relaunch hat Alan Rusbridger bekanntermaßen lakonisch kommentiert: „They may be the last presses we ever own.“

Bildschirm mit OnRuhr-Logo Ganz ohne Druckmaschinen und ebenfalls mit E-Paper zum Ausdrucken will übrigens auch der frühere WAZ-Chefredakteur Uwe Knüpfer seinem Ex-Arbeitsgeber Konkurrenz machen. OnRuhr soll einen Mantelteil und zunächst zwei Lokalteile haben und werbefinanziert kostenlos sein, meldet der Spiegel. Platzhirsch WAZ hält mit einer Online- und Blogoffensive dagegen.

Ein längerer Nachtrag: Ein Kommentator hat auf das sehr ähnliche Angebot 24 Horas der spanischen Tageszeitung El País verwiesen. Dort wird auf Knopfdruck ein derzeit 13-seitiges PDF-Dokument mit Artikeln aus dem Online-Angebot elpais.es erstellt, eine Seite davon mit Börsenkursen, Wetter und Cartoon. Dafür enthält jede zweite Seite eine Iberia-Anzeige.

Wer sich kostenlos anmeldet, hat die Wahl zwischen einer allgemeinen Ausgabe (Inland, Ausland, Wirtschaft, Sport) und Ausgaben nur mit Inlandsmeldungen, Auslandsmeldungen oder Wirtschaftsmeldungen. Für Zeitungsabonnenten ist das PDF-Dokument werbefrei. Leider sieht diese Automatikzeitung auch sehr computergeneriert und langweilig aus. (Mehr dazu auf Spanisch bei Periodista Digital — dort vermutet der erste Kommentator eine Verschwörung der Zeitung mit Drucker- und Tintenherstellern.)