Zu viel Geld

Wie die Krise begann.

Eine Stunde lang erzählen Alex Blumberg und Adam Davidson ihren Hörern die Geschichte, wie aus wertlosen Hypotheken wertvolle Anleihen geworden sind – zumindest bis der Markt zusammenbricht. Und wie alle drinhängen: Der Hypothekenbanker in Nevada, der vorher Barkeeper war. Der Gebietsverkaufsleiter, der sein Geld in den Clubs von Manhattan verpulvert. Der Investmentmanager und seine Truppe, auf deren Monitoren keine Warnzeichen auftauchen. Der Morgan-Stanley-Banker, den die Investoren zu neuen Anleihen drängen. Der Darlehensnehmer in New Jersey, der an das Geld für die Ausbildung seines Sohnes gehen muss.

The Giant Pool of Money (Audio) ist spannendes Radio, allerdings hilft es, parallel das Transkript mitzulesen. Wer die Sendung vom Mai 2008 gehört hat, ahnt zumindest, wie so viele Leute bei so etwas Absurdem mitmachen konnten.

(Gefunden in einem Artikel der New York Times über die Medienberichterstattung im Vorfeld der Wirtschaftskrise.)

Operation: Sleeper Cell

Spielen und die Realität verändern.

Die Agency ist noch etwas zurückhaltender als MI5 und MI6 vor 1989: „If you think we actually are the Agency and just in deep cover, then we’re afraid you’re very much mistaken.“ Die Agency scheint allerdings sehr viel Zeit auf Tee und Kekse zu verwenden. Kaum verwunderlich, dass sie Hilfe dabei braucht, die Welt vor einer bösen Untergrundorganisation zu retten.

Operation: Sleeper Cell ist ein Alternate Reality Game (ARG), auch wenn dieser Begriff inzwischen für ein großes Sammelsurium steht: Ein Spiel also, das nicht nur am Computer stattfindet, sondern auch in der Realität außerhalb des Bildschirms. Dabei führen gelöste Rätsel zu neuen Aufgaben und Zugang zu weiteren Teilen des Puzzles. Kooperation in Teams und unter den Teams ist nahezu unerlässlich.

Mit der Realität hat dieses Spiel aber noch auf andere Weise zu tun: Es soll Geld für die Krebsforschung einsammeln. Wer ein Feld auf dem „Grid“ aufdecken will, kann dafür bezahlen und bekommt so einen 12-stündigen Vorsprung für die darunter versteckte Mission. Danach ist das Feld auch für die anderen Spieler sichtbar.

Spielfeld von Operation: Sleeper Cell

Adrian Hon, der hinter Perplex City und We Tell Stories steckt, schrieb vor einem Jahr:

One of the most startling things about alternate reality games is what their players can achieve. When you have tens of thousands of highly motivated and tightly-knit players who urgently want to get to the next scene, even the most obscure puzzle can be solved, no matter what language it’s written in, or what specialised field it relates to; one of the players, one one of their friends, will know the answer.

Und er fragte sich, wie viel engagierter die Spieler wären, wenn es dabei sogar um ein ernstes Ziel ginge. In einem Wettbewerb um die beste Spielidee hat sich dann Operation: Sleeper Cell durchgesetzt.

(Das Spiel hat soeben begonnen.)

Check

Über die Sektorengrenze.

Anke Gröner hat Reichstag und Checkpoint Charlie besucht (und darüber geschrieben), und da muss ich eins ergänzen. Mein älterer Bruder schilderte mir vor Kurzem eine Rückfahrt von Ost nach West über diesen Kontrollpunkt, vor dem Mauerfall — und warum die Baracke an der Friedrichstraße die beste Werbung für das westliche System war, die perfekte Corporate Identity.

Auf östlicher Seite stand, natürlich, die Betonmauer. Das Auto kroch unter dem Blick aus Wachtürmen im Zickzack an Barrieren vorbei. In einer langen Schlange näherte es sich misstrauischen Grenzern, die alle Papiere, Fahrzeuge und Menschen bis zum Exzess kontrollierten.

Auf westlicher Seite grüßte ein GI lässig-freundlich an der Baracke und winkte das Auto durch. Alles, was er sagte, war: „Welcome to the free world.“

Stille Post

Nachrichtensammler sorgen für Aktienabsturz.

Schritt eins:
In der Nacht zum Sonntag gelangt ein Artikel aus dem Jahre 2002 plötzlich wieder in die Liste der am häufigsten gelesenen Artikel des South Florida Sun-Sentinel — und landet damit in einer Box auf der Startseite der Zeitung. Der Artikel, den die Zeitung von der Chicago Tribune übernommen hat, vermeldet die damalige Insolvenz von United Airlines.

Schritt zwei:
Der Bot von Google News schaut sich die Website des Sun-Sentinel an und findet einen neuen Artikel, der keinen Zeitstempel enthält. Google versieht ihn mit dem Datum 6. September 2008.

Schritt drei:
Ein Analyst von Income Securities Advisors entdeckt den Artikel bei Google News und schickt am Montag eine Zusammenfassung über das Bloomberg-Terminal, das auf den Schreibtischen der Aktienhändler steht.

Schritt vier:
Die Aktie von United Airlines fällt um 76 Prozent (Grafik bei Fefe), unter anderem weil beim Kurssturz automatisch Programme einsetzen, die mit Aktienverkäufen die Verluste begrenzen. Der Handel wird für mehr als eine Stunde ausgesetzt.

Lektion:
Jeder Artikel braucht ein Datum, und zwar auf der ersten Bildschirmseite und bei der Suchtrefferanzeige.

(Quellen und Details: New York Times, Chicago Tribune, Google News Blog, Wired)

Al-Qaida-Abo

Die Sammler von Terroristen-Videos.

Ein neues Al-Qaida-Propagandavideo enthält eine Computeranimation des Anschlags auf die dänische Botschaft in Islamabad. Als wäre das nicht erstaunlich genug: Reuters hat die Aufnahmen von IntelCenter, einem Unternehmen nahe Washington, das sich auf das Sammeln und Analysieren von Terroristenvideos und auf lehrreiche Wandkarten und Handbücher zum Thema spezialisiert hat.

Wer alle 172 DVDs mit Audios und Videos von Al-Qaida, Ansar al-Islam, bosnischen Mudschaheddin und so weiter kaufen will, zahlt dafür 6.775 US-Dollar. (Die praktischen Lehrvideos – wie man unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtungen herstellt – können nur bestimmte Regierungsstellen bestellen.) Angeboten wird auch ein Abonnement künftiger Terroristen-Videos, für 3.000 Dollar im Jahr.