Chablisleaks

Guardian, NYTimes und Spiegel über Wikileaks.

Guardian-Titelentwurf mit der Schlagzeile: Revealed: All the Things. A dramatic headline, 2 decks
Guardian-Titelseitenentwurf, damals noch ohne Schlagzeile (Video-Screenshot)

Die Geschichte beginnt beim Guardian-Herausgeber Alan Rusbridger:

Back in the days when almost no one had heard about WikiLeaks, regular emails started arriving in my inbox from someone called Julian Assange. It was a memorable kind of name.

Sie geht weiter mit dem New-York-Times-Herausgeber Bill Keller:

This past June, Alan Rusbridger, the editor of The Guardian, phoned me and asked, mysteriously, whether I had any idea how to arrange a secure communication.

Für den Spiegel haben Marcel Rosenbach und Holger Stark ihre Sicht aufgeschrieben:

[Assange] möchte dieses Mal nicht in der ersten Reihe stehen, es soll keine Pressekonferenz und keine Erstveröffentlichung des Materials bei WikiLeaks geben. […] „Wir können nicht den ganzen Druck abbekommen, das geht diesmal nicht, dafür ist das Material zu dramatisch“, sagt er.

Guardian, Times und Spiegel haben am Ende sichtlich gern zusammengearbeitet, wenn man den drei Berichten glauben darf, aber die Zusammenarbeit mit Julian Assange scheint einige Nerven und einige Flaschen Weiß- und Rotwein gekostet zu haben. Ein Grund für diese Artikel ist natürlich, dass jetzt die Bücher zur Geschichte erscheinen: Open Secrets von der New York Times, WikiLeaks: Inside Julian Assange’s war on secrecy von zwei Guardian-Journalisten, Staatsfeind WikiLeaks aus dem Hause Spiegel. Ein anderer ist mit Sicherheit, dass ja auch Julian Assange seine Sicht der Ereignisse aufschreibt — mal sehen, wie die beteiligten Medienhäuser ihrerseits dabei wegkommen.

Nachtrag: In wenigen Tagen kommt auch Inside WikiLeaks auf den Markt, ein Buch des Wikileaks-Aussteigers und Openleaks-Initiators Daniel Domscheit-Berg. (Danke, Torsten!)

Und noch ein Nachtrag: Julian Assange spricht von einem „mad scramble to get books out that self-justify their roles in all this“ — und der Guardian macht die Bücherflut zu Wikileaks nun auch zum Thema.

Offene Karten

Die Gespräche über Palästinas Grenzen.

Dass ein Analyst eines pro-israelischen Think Tanks in Washington Kartenentwürfe für einen palästinensischen Staat vorlegt, klingt erst einmal nur mäßig spannend. Aber die Mini-Zusammenfassung auf der letzten Seite der Studie ist dann doch dramatisch: „Das Unmögliche ist erreichbar: Israel kann die territorialen Forderungen der Palästinensischen Autonomiebehörde erfüllen und dabei seine eigenen Grenzen so anpassen, dass die große Mehrheit der Siedler im Westjordanland beinhaltet ist.“

Noch interessantere Karten haben Al-Jazeera und der Guardian am Abend veröffentlicht: Sie sind Teil der Palestine Papers, der geleakten Dokumente der palästinensischen Unterhändler bei den Nahost-Verhandlungen. Sie zeigen zum einen, welche Landtausch-Pläne die palästinensische Seite im Mai 2008 vorschlug, und zum anderen den Gegenvorschlag der damaligen israelischen Regierung unter Ehud Olmert vom August 2008. (Allerdings durfte Palästinerpräsident Mahmud Abbas die Karte nicht mitnehmen, sondern musste sie angeblich abzeichen.)

Karte dreier Vorschläge für palästinensisch-israelische Landtäusche

Und dann schaut man auf diese drei Karten und fragt sich, ob eine Einigung wirklich so unmöglich ist.

Zum Thema:
Palestine Papers beim Guardian
Palestine Papers bei Al-Jazeera
Protokoll zum palästinensischen Vorschlag 2008
Protokoll zum israelischen Vorschlag 2008
NYTimes.com: Trying to Break Logjam, Scholar Floats an Idea for a Palestinian Map
David Makovsky: Imagining the Border (komplette Studie, 7,5 MB)
Washington Institute: Interaktive Kartenanwendung zur Studie

Rekensleutel

Undercover bei den Fernseh-Anrufquizzen.

Mich hat gerade ein fast 40 Minuten langes Video in einer Sprache, die ich kaum beherrsche, begeistert:


Die Basta-Folge zu Anrufquizzen bei YouTube

Die Macher von Basta, einer satirisch-investigativen Sendung im belgischen öffentlich-rechtlichen TV-Programm Eén, setzen sich mit Anrufquizzen auseinander.

Nicht nur, indem sie die merkwürdigen Tiere, deren Namen die Anrufer raten müssen, im Zoo suchen; nicht nur, indem sie die bizarren Spielregeln als Jahrmarktgaukler nachspielen. Viel besser: Sie knacken den Rechenschlüssel für die dubiosen Zählaufgaben (PDF-Erklärung) — und schmuggeln einen der ihren mehrere Monate lang als Moderator ein.

Einen Tag nach der Basta-Ausstrahlung haben die Sender VTM und 2BE angekündigt, die Anrufquizze einzustellen.

Nachtrag: Eine Version mit deutschen Untertiteln und den Link zu einer synchronisierten Fassung gibt es bei Fernsehkritik-TV.

Ein paar Verständnishilfen:
bellers = Anrufer
belspelletjes = Telefonspiele
mol = Maulwurf
kijker = Zuschauer
kans = Chance
drie uur lang = drei Stunden lang
kansspel = Glücksspiel
staatssecretaris voor de Coördinatie van de fraudebestrijding = Staatssekretär für die Koordination der Betrugsbekämpfung
K.B. (Koninklijk Besluit) = Regierungserlass, in diesem Fall zur Anrufquiz-Regulierung
telsleutel = Zählschlüssel
rekensleutel = Rechenschlüssel