Reportermut

TV-Film über chinesische Blog-Journalisten.

Unbequem und unbestechlich heißt der Film von ARD-Auslandskorrespondent Jochen Graebert über Blog-Journalisten in China, der am Montag um 21.00 Uhr im Ersten läuft. Eine sehenswerte Kostprobe daraus gab es am Mittwoch im NDR-Medienmagazin Zapp: Graebert begleitet den Web-Reporter Xu Xiang bei dessen Recherchen über Missstände in der Provinz Shandong (Video und Manuskript).

Ein Artikel von 2007 zeigt, dass Xu und einige andere Kollegen ein ungewöhnliches Geschäftsmodell haben: Betroffene bezahlen sie für den investigativen Einsatz — Muckrakers for Hire nennt das die Washington Post. Wer den Film über Xu gesehen hat, wird sich allerdings davor hüten, das zu belächeln.

Nachtrag: Der Graebert-Film bekommt eine begeisterte Rezension von Michael Hanfeld in der FAZ vom Montag: „sensationell“ und „hammerhart“.

(Transparenzhinweis wie immer: Zu meinen Arbeitgebern zählt der NDR.)

I am root

USA wollen Domainnamen-Kontrolle behalten.

Wenn die Rootzone-Datei des Domainnamensystems geändert wird, verschwinden zwar keine Länder von der Karte, aber gegebenenfalls Länderendungen wie .de oder .me aus dem Domainnamensystem — mit gravierenden Folgen. Derzeit gilt: Keine Änderung dieser Datei ohne Genehmigung des US-Handelsministeriums. Und das gilt nach dem Willen des Ministeriums wohl auch in Zukunft: „[T]he Department (…) has no plans to transition management of the authoritative root zone file to ICANN as suggested in the PSC documents“, schrieb die zuständige Behörde am Mittwoch an die Internetverwaltung ICANN. Mit „PSC documents“ sind eine Reihe von Plänen einer ICANN-Arbeitsgruppe gemeint, mit denen das institutionelle Vertrauen in die Internetverwaltung gestärkt werden soll. Die Frist für öffentliches Feedback dazu läuft an diesem Donnerstag ab.

Gefunden bei Bret Fausett, einem der Veteranen der ICANN-Beobachtung. Er freut sich sichtlich, dass das Ministerium Klartext redet: „Here at Lextext Central, we’ve known this forever, and people close to the ICANN process have known it too.“

(Dass diese erst einmal dramatisch erscheinende Rolle der Root-Herrscher eine gezähmte Macht ist, war übrigens vor längerer Zeit einmal Thema bei Wortfeld.)

Quittung

Strafe für Zuschauerbetrug bei BBC-Quizzen.

Nach der Millionenstrafe für ITV hat jetzt auch die BBC die Quittung für den britischen Anrufquiz-Skandal bekommen. Wenn Mitarbeiter der Produktionsfirma als Mitspieler oder Gewinner auftreten, Zuschauer sich an längst aufgezeichneten Sendungen beteiligen sollen oder fiktive Gewinnernamen verlesen werden, dann summiert sich das zu einer Geldbuße von 500.000 Pfund, also etwa 630.000 Euro, zahlbar an den Obersten Zahlmeister Ihrer Majestät. Der Kommunikations-Regulierer Ofcom hat bei der Strafhöhe berücksichtigt, dass niemand mit den Täuschungen in insgesamt acht Sendungen einen Gewinn erzielte und dass die Strafe aus Gebührenzahler-Geldern beglichen wird.

Die drei !!!

Kommentarfilter und Community-Management.

Kommentare mit drei Ausrufezeichen oder mehr einfach wegwerfen — in der Bloggerpraxis bewährt und von Terry Pratchett implizit empfohlen. Eine ausgefeiltere Lösung, die selbst die tadelnde Riesenmaschinenmaschine in den Schatten stellen soll, kommt jetzt aus Albuquerque: eine Software, die nicht umstürzlerische, terroristische oder schlicht-kriminelle Umtriebe automatisch erkennen soll, sondern einfach nur dumme. Daher der Name StupidFilter.

Dazu muss das arme Programm jede Menge dummer Kommentare lesen, die Menschen als dumm brandgemarkt haben, weil sie vor LOLs, Smileys und Fehlern strotzen. Aus den FAQ: „Isn’t filtering stupidity elitist? Yes. Yes, it is. That’s sort of the whole point.“ Bislang kann die Software, wenn sie gefüttert wird, nur zwischen 0 (wahrscheinlich dumm) und 1 (wahrscheinlich nicht dumm) entscheiden, später sollen Graustufen dazu kommen: „wohl ein bisschen dümmlich“, „geht gerade noch so“. Das Programm StupidFilter selbst ist freie Software, das entstandene Datenmodell, also der Filter, ist für nicht kommerzielle Zwecke frei nutzbar.

All dies gefunden via Meg Pickards Blogeintrag über die heilige Dreifaltigkeit des Community-Managements: Organisatorische, technische und redaktionelle Ansätze müssen unbedingt zusammenkommen. Mehr Moderatoren oder bessere Filter sind für sich allein keine Lösung, und Onlinemedien müssen unbedingt gründlich über das Zusammenspiel zwischen Nutzerinhalten und anderen Inhalten nachdenken. (Im Hauptberuf ist Meg Pickard die Community-Chefin des Guardian.)

Obamaps

Die Macht über die Wahlkreisgrenzen.

Wahlsiege, bei denen sich die politische Landkarte zu den eigenen Gunsten färbt, sind einfacher, wenn man die Karte und ihre Wahlkreisgrenzen vorher selbst zeichnen darf — keine neue Erkenntnis. Sehr anschaulich wird das im Redistricting Game der University of South California: Spieler dürfen die Grenzen so lange verschieben, bis das Ergebnis passt. Das Zitat am Anfang — „As a mapmaker, I can have more of an impact on an election than a campaign, than a candidate“ — stammt von David Winston, einst Redistricting-Spezialist für das Republican National Committee.

Bundesstaats-Wahlkreis in Chicago 1991 und 2001
Bundesstaats-Wahlkreis in Chicago 1991 und 2001

Was das mit Barack Obama zu tun hat? Der Washington-Korresponent des New Yorkers, Ryan Lizza, hat in aller Ausführlichkeit über Obamas politischen Start in Chicago geschrieben, also ausgerechnet in der Stadt der Political Machine schlechthin. Lizza erzählt keine schockierende Enthüllungsgeschichte, aber er zeichnet das Porträt eines Obama, der sehr zielstrebig arbeitet — eben nach den Spielregeln für Politiker. Dazu zählt auch die Szene, in der er als Bundesstaatssenator an der politischen Landkarte von Illinois arbeitet: „On the screens that spring day were detailed maps of Chicago, and Obama and a Democratic consultant named John Corrigan sat in front of a terminal to draw Obama a new district.“

Seine Hochburg, Hyde Park, blieb, aber sein Wahlkreis wuchs nach Norden, in die reicheren, weißeren Gegenden Chicagos, und wurde damit zu einem besseren Sprungbrett für ihn. Dabei haben die Illinois-Demokraten nur das gemacht, was zehn Jahre zuvor die Illinois-Republikaner  gemacht haben: „Incumbents drawing their own maps will inevitably try to advantage themselves“, schrieb Obama selbst.