Klötzchen staunen

Noch nicht in Weihnachtsstimmung?

Noch nicht in Weihnachtsstimmung? Dabei habe ich heute liebevoll die Teletext-Weihnachtsgrüße aus einem ganz alten System in das aktuelle umgehoben, und zwar Klötzchen für Klötzchen mit der Hand. (Meine Hochachtung gilt jenen Künstlern, die für gewisse andere Teletexte in dieser Blockgrafik menschliche Körper nachstellen.) Ein Stern auf Seite 156 im NDR Text leuchtet und blinkt nur für den, der diesen Blogeintrag jetzt liest.

Noch nicht in Weihnachtsstimmung? Vielleicht auch gut so. Jon Ronson hat im Guardian eine lange und fantastische Reportage geschrieben über den kleinen Ort North Pole, Alaska. Es ist eine Art Himmelspforten der USA, wo die Post an den Weihnachtsmann landet. Und wo im April sechs Kinder verhaftet worden sind, weil sie ein Schulmassaker geplant hatten. Ronson ist nach North Pole gereist, um eine Rund-ums-Jahr-Weihnachtsstadt zu erleben und mehr über die 13-Jährigen mit der Todesliste zu erfahren.

Noch nicht in Weihnachtsstimmung? Ist ja auch erst am 25. Dezember.

Abgehangen

Das zeitlos aktuelle Tom-Bihn-Etikett.

Eine der Googleisierungs-Thesen von Jochen Wegner lautete: „Google hebt die Qualität vieler Alltagsrecherchen auf ein erträgliches Niveau“.

Und jetzt zum Vergleich:

  1. Eine Welt.de/AFP-Meldung vom 22.12.2006: „Der Marketing-Gag einer amerikanischen Textilfirma sorgt in Frankreich für Furore. ‚Tom Bihn‘ entschuldigt sich auf den Etiketten ihrer französischen Kollektion für ihr Regierungsoberhaupt.“
  2. Der erste Google-Treffer für „tom bihn washing message“: Eine Seite auf Snopes.com über das Bihn-Etikett. Enthält das Foto aus der Meldung und wurde zuletzt am 10. Juni 2004 aktualisiert. (Der Blogeintrag, aus dem das Foto stammt, wurde am 25. März 2004 veröffentlicht. Als der Bundespräsident noch Johannes Rau hieß.)

Alltag Überwachung

Videoserie bei tagesschau.de.

Der Dokumentarfilm Alltag Überwachung von Roman Mischel und Fiete Stegers erscheint jetzt als vierteilige Videoserie bei tagesschau.de. Die beiden von onlinejournalismus.de bekannten Autoren haben den Film frei produziert (teils mit Hilfe eines Recherchestipendiums).

Teil 1: Die Überwachung öffentlicher Plätze
Teil 2: Kampf um die Vorratsdatenspeicherung
Teil 3: Funkchips mit Schnüffelpotenzial
Teil 4: Auf dem Weg in den Überwachungsstaat?

Nachtrag: Kritische Anmerkungen von einem Überwachungsforscher. (via)

Standardhinweis: Mein Arbeitgeber ist der NDR, aber dies ist eine Empfehlung in meinem privaten Blog.

Exklusive Kehrtwende

Namen, Fotos und Äußerungen von Tatverdächtigen.

Ethik im Journalismus, Abteilung Praxis: Bei ihren Recherchen zur jüngsten Mordserie in Ipswich spricht die BBC-Radioreporterin Trudi Barber mit einem 37-jährigen Supermarkt-Angestellten, der die Ermordeten kannte und dessen Haus die Polizei bereits durchsucht hat. Der Mann ist bereit zu einem Hintergrundgespräch, aber nicht zu einem Interview für das Radio. Dem Boulevardblatt Mirror gibt er ein Interview und wird kurz danach festgenommen — unter dem Verdacht des fünffachen Mordes.

Soll die BBC das aufgezeichnete 36-Minuten-Gespräch trotz der vereinbarten Vertraulichkeit senden oder nicht?

Der Sender hat sich dafür entschieden, aber die im Blog nachgelieferte Begründung ist nicht sehr überzeugend. Fix vermischt sich das öffentliche Interesse mit der Neugier der Öffentlichkeit und der Freude am exklusiven Stoff. Der Großteil der Kommentatoren ist jedenfalls von der BBC enttäuscht.

(An dieser Stelle für eine Minute die Augen schließen und ausmalen, der Mann stelle sich am Ende als unschuldig heraus. Er kann vielleicht seinen überall vollständig genannten Namen ändern, aber die Fotos aus seinem MySpace-Profil sind längst in allen Zeitungen.)

Mittlerweile sitzt ein zweiter Mann in Untersuchungshaft, und die Polizei hat darum gebeten, keine Namen zu nennen. Ohne großen Erfolg: Auch der zweite Verdächtige wird zumindest von BBC, Times und Telegraph mit vollem Namen genannt (anscheinend nicht vom Guardian). Neben dem Schutz der Persönlichkeitsrechte gibt es für die eindringliche Bitte der Polizei nach englischem Recht einen zweiten guten Grund: Wenn die Geschworenen durch Medienberichterstattung beeinflusst werden, kann der Prozess platzen. Dem Medium droht sogar eine Verurteilung wegen Missachtung des Gerichts.

Und in Deutschland? Keine vollen Namen, keine Fotos, fordert der Pressekodex von Printmedien. „Die Nennung des vollständigen Namens und/oder die Abbildung von Tatverdächtigen, die eines Kapitalverbrechens beschuldigt werden, ist ausnahmsweise dann gerechtfertigt, wenn dies im Interesse der Verbrechensaufklärung liegt und Haftbefehl beantragt ist oder wenn das Verbrechen unter den Augen der Öffentlichkeit begangen wird.“ Bei Anzeichen einer möglichen Schuldunfähigkeit ist nicht einmal das zulässig.