Video, nicht TV

Bewegtbild-Ästhetik im Netz.

Fernsehen machen kann lieber das Fernsehen machen — das ist eine ziemlich gute Devise für Online-Video. In Deutschland zeigt das vor allem die Zeit, beispielsweise mit der Serie über Video-Überwachung in Hamburg und Berlin (Teil 1 und Teil 2) von Stephan und Christoph Hartmann: erkennbar professionell, aber nicht unbedingt nach den Gesetzen des klassischen TV-Beitrags gedreht. (Gefunden via Surveillance Studies.)

Einen ähnlichen Ansatz wählt jetzt der Guardian, der sich „a distinct visual style and what’s hopefully a refreshing lack of TV news clichés“ vorgenommen hat, wie Neil McIntosh von Guardian Unlimited in seinem Blog schreibt. Wichtig sei, kein armseliger Abklatsch der Fernsehnachrichten zu werden: „We need to be able to do something that’s distinctively the Guardian, part of an ecosystem of web content that includes audio, text and photography, produced by our professionals and by our users.“ Ein Video-Beispiel dafür: Transportprobleme im überfluteten Tewkesbury, unterlegt mit klassischer Musik.

Während also ein Teil der Online-Video-Profis nach einer etwas anderen Ästhetik sucht, hat Jackson West bei NewTeeVee einmal gesammelt, was die Amateur-Ästhetik auf YouTube & Co. derzeit ausmacht. Die Vergleiche mit Cinéma vérité und Dogma sind streckenweise gewagt, aber spannend.

Eingebettet

Wo Online-Videos hingehören.

Pete Clifton, der Chef von BBC News Interactive, über Online-Videos und ihre Platzierung:

The results from the trial we did with embedded video were hugely positive in terms of the conversion rate of people reading the stories and watching the video. With the embedded video, up to 40 per cent of people were watching it. In its normal format, when you watch it in a different place [in a standalone player], it’s about two per cent.

Also: Videos in die passende Geschichte, nicht (nur) ins Multimedia-Depot. Außerdem plädiert Clifton dafür, Video nicht als Selbstzweck zu betrachten und für alle Themen einzusetzen, sondern lieber gezielt.

(Gefunden, wieder einmal, bei NewTeeVee, das ohnehin Pflichtlektüre in Sachen Online-Video ist.)

Doppelschlag

Neue Online-Looks für Zeit und Guardian.

Zeit-Online-Merkliste Zeit Online macht einen radikalen Schnitt — der Relaunch am Montag lässt zumindest auf der Startseite des Angebots kaum einen Stein auf dem anderen, wie das Vorabbild verrät. Hoffentlich gelingt es mit der neuen Ressort-Navigation und der Einteilung in linke Seiten- und rechte Hauptspalte, die vielen exzellenten Inhalte endlich einmal besser zugänglich zu machen.

Auffällig ist unter anderem die neue Merkliste: Wie bei der Herald Tribune können Nutzer erst einmal die Artikel einsammeln gehen und dann gebündelt lesen. Neu ist das auch in Deutschland nicht. Schon im Jahr 2000 gab es auf der Website der Financial Times Deutschland Kästchen vor den Artikeln und einen Link „Meine Artikel“. Bei FTD.de ist das Feature längst wieder verschwunden, dafür ist es etwa bei YouTube wieder aufgetaucht. Mal abwarten, ob die Zeit-Online-Leser auch solche Sammelleidenschaft besitzen.

(Schneller Nachtrag nach dem Relaunch: Der allererste Eindruck ist gut, auch wenn 796 Pixel für den Inhalt auf einem 1280-Pixel-Monitor eher schmal wirken. Die Ressorts sind, wie zu erwarten war, deutlich besser zugänglich. Allerdings habe ich den Verdacht, dass hier vergangene Navigierbarkeitsschwächen etwas überkompensiert werden.)

Guardian-Start- und Unterseiten Einen neuen Look hat auch die britische Zeitung Guardian ihrer Online-Startseite verpasst: Erstaunlicherweise erinnert das Logo von Guardian Unlimited weiterhin stärker an das Zeitungsdesign der Jahre 1988 bis 2005 als an das aktuelle. Online-Chefin Emily Bell erklärt, das neue Website-Design erlaube mehr Flexibilität und betone die visuellen Elemente. Leider soll der Umbau von Guardian Unlimited aber anderthalb Jahre dauern. Derzeit müssen die Nutzer mit einem wilden Stilmix leben: Ein Klick auf einen Startseiten-Artikel führt ins schmalere, anders gestaltete Politik-Ressort. Das Arts Blog ähnelt der Debattenplattform, sieht aber völlig anders aus als Roy Greenslades Medienblog. Und der Reiseteil sieht jetzt aus wie eine Mischung aus allem.

En direct

Livetickerer bekommt Tränengas ab.

Der sueddeutsche.de-Liveticker aus dem Café der Wahlverlierer an der Place de la Bastille endet sehr wild: Der Reporter Johannes Honsell gerät in eine Straßenschlacht, bekommt Tränengas ab, flüchtet zurück ins Café „Le Bastille“, von wo er jetzt eingeschlossen den Polizeieinsatz abwartet und sowohl die Medienberichterstattung als auch das Geschehen vor der Tür kommentiert:

23:13 Uhr Der Kontrast ist schwer auszuhalten. Draußen tobt ein Straßenkampf, auf dem Schirm im Inneren des Cafés spricht Sarkozy auf dem Platz der Concorde von einem geeinten Frankreich.

Ratespiel

Welches Nachrichtenportal sieht derzeit so aus?

  • Unter dem Artikel „Angelina Jolies bizarre Beichte“ nicht weniger als drei Bildergalerien, davon zwei zu Angelina Jolie und eine zu Promis mit Adoptivkindern.
  • Darunter ein Abschnitt „Bilder & Videos“, unter anderem mit 25 Bildern zur Wahl der neuen Miss USA.
  • Unter dem Artikel „Kahn soll mit Urin-Probe geworfen haben“ folgt ein anderer mit der Überschrift „Bekenntnisse eines Nacktsportlers“.
  • Der Top-Teaser im Reiseteil hat die Überschrift „Busenwärmer aus Opossumfell“.
  • Zudem zwei Modeschau-Bildergalerien und vier Spiele.

Wie gesagt, alles auf der Startseite. Nein, das ist kein völliger Ausnahmefall. Ähnliche Überschriften, Themen und Bildstrecken gibt es dort immer mal wieder.

(Auflösung später in den Kommentaren, falls es dort nicht ohnehin jemand löst.)