Ärger in Vancouver

Streit um ICANN-VeriSign-Verträge.

Monika Ermert berichtet bei Heise, wie stark ICANN wegen der geplanten Verträge mit .com/.net-Betreiber VeriSign unter Druck steht. Allerdings bin ich sehr skeptisch, was die aus dem Nichts aufgetauchte Coalition for ICANN Transparency angeht, die ICANN und VeriSign jetzt verklagt. Dahinter scheint mir vor allem ein kanadischer VeriSign-Konkurrent zu stecken — wozu die klangvolle Bemäntelung?

Bret Fausett berichtet in seinem Blog ausführlich von der ICANN-Tagung in Vancouver, unter anderem mit Mitschnitten eines Workshops zu den Verträgen. Nebenbei vermeldet er, dass ICANN die Entscheidung über .xxx erneut verschoben hat — wegen Bedenken von Regierungen.

Kaiserträume

Luc Faubert über WSIS.

Vor dem WSIS-Kompromiss schrieb ich zur Frage, ob IT-Zugang in Entwicklungsländern das Gipfelthema sei: „Meiner Ansicht nach hat die ITU den Gipfel vor allem deswegen angestoßen, um die eigene Rolle bei der Internet Governance zu stärken. “ Dass ich nicht der einzige bin, der das glaubt, zeigen die sehr harsche Worte von Luc Faubert, der für die Internet Society den Gipfel verfolgt hat:

Contrary to the official story found in many texts about WSIS, the drive behind WSIS was not the will to bridge the digital divide. WSIS was initiated through the influence of Yoshio Utsumi, the Secretary General of the ITU, in order to wrestle control of the Internet from the existing organizations that manage it.

Kompletter Text: The foolish dream of an emperor.

Internet Governance Forum

Was kann das neue Gremium leisten?

In der Diskussion über den Kompromiss beim Weltinformationsgipfel ist öfters zu lesen, ICANN würde eine zweite Organisation zur Seite gestellt. Es lohnt sich, noch einmal genau durchzulesen, was die Aufgaben dieses neuen Forums sind.

Das Forum soll

  1. politische Themen diskutieren, die sich auf wesentliche Elemente von Internet Governance beziehen, um die Nachhaltigkeit, Robustheit, Sicherheit, Stabilität und Entwicklung des Internets zu fördern,
  2. den Diskurs zwischen Institutionen erleichtern, die sich mit unterschiedlichen, sich überschneidenden Politikfeldern in Bezug auf das Internet beschäftigen, und Themen diskutieren, die nicht in die Zuständigkeit bestehender Institutionen fallen,
  3. Kontakt mit geeigneten zwischenstaatlichen Organisationen und anderen Institutionen halten,
  4. den Austausch von Informationen und optimalen Praktiken erleichtern und dabei von der Expertise der akademischen, wissenschaftlichen und technischen Gemeinde vollen Gebrauch machen,
  5. alle Interessengruppen über Mittel und Wege beraten, die Verfügbarkeit und Erschwinglichkeit des Internets in Entwicklungsländern zu erhöhen,
  6. das Engagement der Interessengruppen, insbesondere aus den Entwicklungsländern, in bestehenden und/oder künftigen Internet-Governance-Mechanismen stärken,
  7. entstehende Themen identifizieren, die zuständigen Institutionen und die allgemeine öffentlichkeit auf sie aufmerksam machen und gegebenenfalls Empfehlungen abgeben,
  8. zum Aufbau von Fähigkeiten für Internet Governance in Entwicklungsländern beitragen und dabei von einheimischer Expertise vollen Gebrauch machen,
  9. die Integration von WSIS-Grundsätzen in Prozessen der Internet Governance laufend befördern und beurteilen,
  10. unter anderem Themen diskutieren, die sich auf entscheidende Internetressourcen beziehen und
  11. einen Tätigkeitsbericht veröffentlichen.

(Obacht: Das ist keine offizielle Übersetzung, sondern ein eigener Versuch.)

Milton Mueller, einer der besten Kenner der Materie, schreibt bei ICANNWatch: „The compromised reach was a simple matter of finding acceptable wording and did not resolve the real political impasse.“ Er begrüßt aber das Internet Governance Forum.

Michael Geist sieht in seiner Einschätzung das Forum als Nachfolger des WSIS-Prozesses: „The safe bet is that the future of the Internet governance issue lies whether the forum emerges into a powerful venue for change and whether/how ICANN responds.“

Wolfgang Kleinwächter betont in einem Telepolis-Artikel, dass es die zivilgesellschaftlichen Akteure waren, die den Foren-Idee vorangebracht haben. ICANN habe „einen ‚Watchdog‘ an die Seite bekommen, der zwar nicht beißen, dafür aber laut bellen kann.

Im Frühling 2006 steht das Eröffnungstreffen des Forums in Athen an. Bret Fausett will kommen: „I’m not sure what the summit will be about, what the issues will be, or what I could even add to the dialogue, but I think it’s going to be an important meeting.“

Netzmythen in den Medien

Über die Macht der USA im Internet.

Die aktuelle Berichterstattung über WSIS und ICANN ist bislang für weite Teile des deutschen Journalismus kein Ruhmesblatt. „Och, da bleibt ja in Sachen ICANN fast alles beim alten“, tönt es überall. Glückwunsch: In Tunis ging es nur um die Frage, ob alles beim alten bleibt, weil der Kompromiss so lautet oder weil kein Kompromiss gefunden wird. Den Entscheidungskampf um die Internet-Weltherrschaft gibt es nur in den Köpfen von Journalisten — auch die EU zählt zu ICANNs Eltern und will an der Organisation festhalten.

Natürlich haben die USA Macht, natürlich auch im Internet. Das aber an der ICANN-Aufsicht festzumachen, ist nicht sehr überzeugend: Schließlich könnte diese spezifische Macht im Konfliktfall schnell zerbröseln. Und um von dieser Auffassung auch andere zu überzeugen, habe ich hier ein kleine grafische Lüge vorbereitet.
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WSIS: Geschafft?

Angeblich Einigung beim Gipfel in Tunis

In aller Eile: Die fünfte Fassung des Dokuments WSIS-II/PC-3/DT/15 trägt überall den Vermerk „Agreed“. Sollte dies tatsächlich die Einigung über Internet Governance sein? Jamie Love berichtet aus Tunis, es gäbe einen endgültigen Text.

(Google News zum Thema)

Hier das oben erwähnte Dokument im Wortlaut — ein wichtiger Nachtrag: die vorangestellten Nummern haben sich mittlerweile bereits geändert.

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