Domains ohne Lobby

Milton Mueller über die .xxx-Verschiebung.

Kaum nach dem Schreiben des vorigen Beitrags über die US-Sonderrolle bei ICANN lese ich Milton Muellers Artikel über die mutmaßlichen Hintergründe der .xxx-Verschiebung. Mueller schreibt unter anderem: „We have just learned that a relatively minor change in political appointees in the Bush White House can, thanks to the USG’s special authority over the Internet, yank the rug out from anything ICANN does.“ (USG steht hier für US Government.)

Dass Regierungen — nicht nur die der USA — eine gewichtigere Rolle bei ICANN spielen als auf dem Papier, weiß Mueller aber eigentlich. Hinter .xxx steht zudem keine bedeutende Lobby, sondern ein kleines Unternehmen, das auf große Geschäfte hofft. Und da es hier um ein Rotlichtviertel im Netz geht, kommt eine sonst ungewöhnliche Allianz zusammen — etwa zwischen muslimischen Ländern und der konservativ-christlichen Bush-Regierung. Dass die .xxx-Domain nun ins Stolpern kommt, finde ich nicht überraschend, ganz im Gegenteil. Ich habe mich eher gewundert, dass die Domain es überhaupt so weit geschafft hat.

Gezähmte Macht im Netz

ICANNs Antwort auf den WGIG-Bericht

ICANN hat auf den Abschlussbericht der UN-Arbeitsgruppe Internet Governance WGIG für den Weltinformationsgipfel WSIS mit einem 21-seitigen Statement geantwortet. Zur Rolle der US-Regierung beim Autorisieren von Änderungen an der Rootzonen-Datei (die die Domainendungen enthält) schreibt ICANN: „The transparency of the arrangements, coupled with the value system of the Internet’s stakeholders, is such that neither the US or any other government, nor any individual, organisation, nor group of organisations, is able, either now or in the future, to abuse the editing function of the root zone file.“

Bei aller Kritik an der US-Sonderrolle ist da viel Wahres dran — es handelt sich hier um gezähmte Macht. Spielen wir dazu mal dem völlig hypothetischen Fall durch, dass die US-Regierung wegen irgendeines Streits die Streichung des .de-Eintrags aus der Rootzonendatei beschließt. Erstens hätte ich größte Zweifel daran, dass die gegenwärtigen Betreiber der Rootserver dem folgen würden. Mindestens einige, wenn nicht alle, würden bis zu einer Klärung des Streits beim Status quo bleiben. Zweitens hätte ich keinen Zweifel daran, dass sich andernfalls Deutschlands Wirtschaft, Staat und Wissenschaft innerhalb von Stunden zusammenfinden würden, um ein alternatives Rootserversystem aufzusetzen und damit den Schaden im niedrigen Millionenbereich zu belassen. Der technische Betrieb eines Rootservers ist schließlich weder Geheimnis noch Wunderwerk.

In einem solchen Missbrauchsfall verlören die USA also blitzschnell ihre Sonderstellung. Der konstruierte Fall sähe allerdings möglicherweise anders aus, wäre eine weitaus kleinere Top-Level-Domain ohne Lobby betroffen.

.xxx verschoben

Druck auf ICANN von der Regierungen.

Als in der zweiten Domainrunde .xxx vorgeschlagen wurde, war ich mir sicher: ICANN wird sich nicht auf dieses Minenfeld begeben. Im Juni dieses Jahres landete die Domain für Erwachseneninhalte dann doch in der zweiten Phase der Verhandlungen — eigentlich ein sicheres Zeichen dafür, dass .xxx es geschafft hat.

Doch Minenfeld bleibt Minenfeld: Die US-Regierung fordert einen Aufschub, berichtet Heise Online, die brasilianische Regierung ist nicht erfreut, und der beratende Regierungsausschuss GAC hat ebenfalls um mehr Zeit gebeten. Notgedrungen hat der Betreiber einer Verschiebung um einen Monat zugestimmt. Der GAC-Vorsitzende, Mohamed Sharil Tarmizi aus Malaysia, schreibt von einem „strong sense of discomfort in the GAC about the TLD“. Besonders absurd: In seiner Mail erwähnt Tarmizi .xxx nicht namentlich, damit das Schreiben nicht gefiltert wird.

eu-Domain: Nicht reinfallen

Die Zahl der akkreditierten Registrare wächst.

Allmählich wächst die Zahl der für die .eu-Domain akkreditierten Registrare. Somit ist es mal wieder Zeit für eine Warnung: Die Domains gibt es nur bei akkreditierten Registraren, und nach den EU-Vorschriften dürfen diese Vorregistrierungen erst annehmen, nachdem sie als Registrar akkreditiert sind.

Zum zweiten warnt .eu-Domainbetreiber EURid vor Registraren, die ihre Vorregistrierungen mit Partnerregistraren zusammenlegen und dann den ersten Platz versteigern wollen. Wer das tut, riskiert seine Akkreditierung zu verlieren. Ich bin mir nicht sicher, ob EURid damit nicht so vertrauenserweckende Angebote wie das der Registrare Aktualisierer (München), Aktualisierer (Aurolzmünster, Österreich) und Aktualisierer (Limassol, Zypern) meint: „Wir werden alleine in unserer Firmengruppe mindestens drei (3) Registrarverträge halten, über die wir Domainanträge für EU-Domains einreichen können. (…) Wir sind drei Registrare!“ Die haben sich nicht einmal die Mühe gemacht, dafür drei unterschiedliche Webseiten zu gestalten.

Der Zeitplan für die .eu-Domain steht noch immer nicht genau fest. EURid schreibt: „We hope to launch the sunrise period (when only public bodies and holders of prior rights can register their names) in the 4th quarter of 2005.“