Zu den ungeschriebenen Gesetzen von ICANN-Tagungen gehört es, dass mindestens eines der wichtigsten Dokumente erst kurz vor Beginn oder sogar währenddessen veröffentlicht wird: Üblicherweise folgt dann allgemeines Murren, während sich alle im Tagungshotel mit Ausdrucken versorgen. Diesmal ist es der Entwurf eines Request for Proposals: Langsam bahnt sich eine kleine zweite Runde neuer Top-Level-Domains an.

Bewerben dürfen sich nur diejenigen, die bei der ersten Runde Ende 2000 nicht zum Zuge kamen — neue Ideen sind also von vornherein ausgeschlossen. Zudem sucht ICANN diesmal nur Vorschläge für so genannte „sponsored“ Top-Level-Domains (sTLDs): spezialisierte Domainendungen, die sich an bestimmte Anwendergruppen richten. Zu den Gewinnern der ersten Runde gehörten die Domains .museum für Museen, .aero für den Luftfahrtsektor und .coop für Genossenschaften.

Welche sTLDs dürfen also überhaupt teilnehmen? .union für Gewerkschaften, .post für, tja, die Post, .health für Gesundheitsinformationen, .fin für die Finanzwelt, .law für die Juristerei und .travel für den Reisesektor könnten die Kriterien schaffen, wenn sie überhaupt noch interessiert sind.

Und wer wird es schaffen? Wenn ich tippen soll, werden es .travel und .health. Hinter .health steht die Weltgesundheitsorganisation WHO, hinter .travel die Luftverkehrsvereinigung IATA. Beide können genügend Druck ausüben, verfügen über die richtigen Kontakte, sehen die TLD-Kontrolle als Prestigefrage — und waren schon beim ersten Mal verärgerte Verlierer.

Update: Monika Ermert berichtet bei Heise Online über den Entwurf. Allerdings gehört .xxx — die oft diskutierte TLD für Erwachsene — meiner Einschätzung nach zu den sicheren Verlierern: ICANN wird sich nicht auf dieses Minenfeld begeben.