Schild und Schaum

Die FAZ verteidigt den Relaunch vorab.

Dass eine Zeitung sich vor einer Design-Erneuerung mal umhört, wie die Leser den Entwurf finden, ist unspektakulär bis üblich. Was die FAZ macht, geht eine Spur weiter: Die in einer repräsentativen (!) Befragung des Lieblingsinstituts Allensbach gewonnene Leserpräferenz für den mittelmutigen Entwurf von dreien ist der Schild für die Schlacht mit der lautstarken Minderheit der Allesbewahrer. „Einladend, frisch, übersichtlich“ schreibt die Zeitung am Donnerstag auf der Titelseite über sich selbst, mit dem neuen Erscheinungsbild folge die FAZ „dem Votum einer großen Mehrheit ihrer Leser“.

Und schon vor dem Relaunch am Freitag schäumen die ersten Kommentatoren: „Die Abbildung der ersten Seite im neuen Stil läßt mich ernsthaft über die Kündigung meines langjährigen Abonnements nachdenken. “ „Früher gab es weder bunte Bilder noch farblich unterlegte Überschriften. Dennoch stand mein junges Herz sofort in Flammen und die Zuneigung zu dieser Lektüre ist bis heute nicht abgeflaut.“ „Frankfurter Allgemeine Kinderzeitung. (…) FAZ, was ist aus Dir nur geworden?“ „Das konsequente Beharren auf der traditionellen Rechtschreibung war wohl der letzte Ausdruck bürgerlichen Selbstbewußtseins. Nach der Aufgabe dieser Position begibt sich die FAZ nun endgültig in die Niederungen der kommerziellen Angepaßtheit hinab.“ „mal sehen, wann franz beckenbauer seine kolumne auf der titelseite bekommt…“

Immer greller

FAZ-Relaunch am Freitag.

Die konservativeren unter den FAZ-Lesern sollten ihre Zeitung jetzt nicht mehr zum Altpapier bringen. Nur noch bis zum 4. Oktober wissen DWDL und kress, ist die Titelseite frei von Farbfotos. Am 5. schlägt dann der lange angekündigte Relaunch zu. Bald danach wäre eine Neuauflage der Imagebroschüre empfehlenswert, in der es momentan in bestem Manufactum-Tonfall heißt:

Eine Titelseite ohne Bilder – auch das ist ein Merkmal der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Am Kiosk, inmitten der immer greller bebilderten Printprodukte, ist sie dadurch auf den ersten Blick zu erkennen.

Nachtrag: Mercedes Bunz hat auf der OMD die neu gestaltete FAZ fotografiert. Auch FAZ.NET wird — endlich — etwas aufgeräumter.

(Apropos lange angekündigt: Der neue Name steht fest, die Zeit durfte schon das Geotagging bewundern, die Werber dürfen derzeit gucken, das Flash-Intro läuft. Und die Passwortabfrage meldet sich schon mit „Produktiv-System WestEins“. Na dann!)

Happy Barcode!

30 Jahre EAN in Deutschland.

Keine Sondersendungen, keine Gedenkstunde im Bundestag, keine Ansprache des Bundespräsidenten. Aber keine Sorge, kleiner Strichcode: Wortfeld hat Deinen 30. Geburtstag nicht vergessen.

Themenwoche Strichcode

Zur Feier:

Doppelschlag

Neue Online-Looks für Zeit und Guardian.

Zeit-Online-Merkliste Zeit Online macht einen radikalen Schnitt — der Relaunch am Montag lässt zumindest auf der Startseite des Angebots kaum einen Stein auf dem anderen, wie das Vorabbild verrät. Hoffentlich gelingt es mit der neuen Ressort-Navigation und der Einteilung in linke Seiten- und rechte Hauptspalte, die vielen exzellenten Inhalte endlich einmal besser zugänglich zu machen.

Auffällig ist unter anderem die neue Merkliste: Wie bei der Herald Tribune können Nutzer erst einmal die Artikel einsammeln gehen und dann gebündelt lesen. Neu ist das auch in Deutschland nicht. Schon im Jahr 2000 gab es auf der Website der Financial Times Deutschland Kästchen vor den Artikeln und einen Link „Meine Artikel“. Bei FTD.de ist das Feature längst wieder verschwunden, dafür ist es etwa bei YouTube wieder aufgetaucht. Mal abwarten, ob die Zeit-Online-Leser auch solche Sammelleidenschaft besitzen.

(Schneller Nachtrag nach dem Relaunch: Der allererste Eindruck ist gut, auch wenn 796 Pixel für den Inhalt auf einem 1280-Pixel-Monitor eher schmal wirken. Die Ressorts sind, wie zu erwarten war, deutlich besser zugänglich. Allerdings habe ich den Verdacht, dass hier vergangene Navigierbarkeitsschwächen etwas überkompensiert werden.)

Guardian-Start- und Unterseiten Einen neuen Look hat auch die britische Zeitung Guardian ihrer Online-Startseite verpasst: Erstaunlicherweise erinnert das Logo von Guardian Unlimited weiterhin stärker an das Zeitungsdesign der Jahre 1988 bis 2005 als an das aktuelle. Online-Chefin Emily Bell erklärt, das neue Website-Design erlaube mehr Flexibilität und betone die visuellen Elemente. Leider soll der Umbau von Guardian Unlimited aber anderthalb Jahre dauern. Derzeit müssen die Nutzer mit einem wilden Stilmix leben: Ein Klick auf einen Startseiten-Artikel führt ins schmalere, anders gestaltete Politik-Ressort. Das Arts Blog ähnelt der Debattenplattform, sieht aber völlig anders aus als Roy Greenslades Medienblog. Und der Reiseteil sieht jetzt aus wie eine Mischung aus allem.