Gut aufgelegt

Fernsehkritik.TV über Call-in-Quizze.

Money Express - Falsche Antwort 5 -- Aufgelegt 6

Eine geballte Dosis Anrufquiz-Fernsehen: Die Klage gegen Marc Doehlers call-in-tv.de, eine Analyse von Money Express (Callactive/Endemol) und die Top Ten der Spiel-Lösungen gibt es in der sehenswerten dritten Folge von Fernsehkritik.TV (40 Minuten Quicktime oder Windows Media).

Da muss man erst Herrn Niggemeier lesen, um zu sehen, was Rupert Everett der Fernsehkritiker vom Nebenbüro so alles macht. Chapeau!

Wie wahr?

Britische Diskussion über TV-Authentizität.

Es klang zunächst wie der aufgeblasenste Medienskandal des britischen Sommerlochs: In einem Trailer für eine BBC-Dokumentation schien es, als würde die Königin aus einer Foto-Session mit Annie Leibovitz herausstürmen. In Wirklichkeit war die Reihenfolge zweier Szenen vertauscht, und die Königin war tatsächlich zur Fotografin unterwegs.

Aber in Kombination mit dem Anrufquiz-Skandal vom Frühjahr ist daraus eine kleine Lawine geworden. Die BBC hat weitere Sendungen überprüft und dabei eine Reihe von Fällen entdeckt, in denen Produktionsmitarbeiter so getan hatten, als seien sie Anrufer. Die Branche rechnet offenbar damit, dass weitere Fälle auftauchen. Reaktion der BBC: Keine Anrufquizze mehr, Schulungen für die Mitarbeiter und einige Beurlaubungen, die Medienberichten zufolge wohl bis in die mittlere Managementebene gehen.

Und jetzt geht es langsam ans Eingemachte: Wie viel Wirklichkeit verträgt das Fernsehen? Wie entsteht, um in Großbritannien zu bleiben, eine Sendung wie Holiday Showdown, in der zwei inkompatible Familien zusammen zwei Wochen Urlaub machen, und das von den entstehenden Konflikten lebt? Etwa, wie es im Observer heißt, durch Lügen beim Anwerben der Teilnehmer und zusätzliche Stressfaktoren „like leaving them hungry“? Was ist mit Zwischenschnitten in Nachrichtenbeiträgen, mit dem Politiker, der für die Kamera den Flur entlanggeht und mit Papier raschelt, mit dem abgefilmten Faxgerät, aus dem angeblich just eine Pressemitteilung quillt?

Ist das Publikum mittlerweile so medienerfahren, dass es gestellte Szenen und andere Schummeleien erkennt? Wenn ja, sehen die Zuschauer darüber hinweg oder ärgern sie sich? Welche Rolle spielen YouTube & Co.? Welchen Effekt haben die kleinen, handlichen, günstigen Digital-Video-Kameras — werden TV-Reporter damit wieder mehr Beobachter als Regisseure des Geschehens? Der bloggende Chef der BBC-Abteilung Global News, Richard Sambrook, erwartete schon vor dem Ärger um den Queen-Trailer einen baldigen Wandel im Nachrichtengeschäft: „I suspect that the current push towards transparency and openness, coupled with the raw authenticity of new video techniques, driven by cheap ubiquitous cameras and outlets like YouTube will mean before too long these techniques will start to look as dated as Walter Cronkite’s tweed suit.“

Mehr zum Thema:

Merkwürdig

Musikvideo: Telllievision.

O.J. Simpson meets Uwe Barschel meets Teleshopping. Oder musikalisch: Afrika Bambaataa meets Spiegel-TV-Titelmelodie.

(Aaaalt, ich weiß, aber hier noch nicht gebloggt. Hintergründe beim Nordseemix. Die Spiegel-TV-Titelmelodie heißt übrigens „Mobile Unit“, vom Album „Handplayed By Robots“ von George Fenton und Ken Freeman aus dem Jahr 1980.)

Krimifirmen

Von Toxex bis Global Plasma.

„Unternehmen in deutschen Kriminalserien unter besonderer Berücksichtigung der Firmennamen“ wäre bestimmt ein lohnendes Diplomthema. Tschechows Satz über die Flinte an der Wand, die abgefeuert werden muss, gilt hier in abgewandelter Form: Sobald ein Hauptkommissar Kress, ein Zollamtmann Zaluskowsi oder ein Kriminaloberinspektor Derrick eine Firma namentlich erwähnt, ist sie auch schon gleich tief in einen Mord verwickelt.

Und jeder einigermaßen Krimi-erfahrene Zuschauer hört es am Namen. MARAM AG: börsennotierte Betrüger. Toxex: entsorgt Giftfässer falsch. Global Plasma: vertreibt verseuchte Blutkonserven. Zeit-Work: nutzt Leiharbeiter aus. Bei jedem Messingschild einer Im- und Exportfirma mit Kunstnamen klingeln Zuschauers Alarmglocken. „Was wissen wir über den Laden?“, leitet der Chef dann die Spurensuche ein, und die Zuträger finden die Verbindungen: „Jetzt rate mal, wem die Firma gehört, Stephan!“ Ganz schmutzig wird es, wenn riesige Organigramme auf Flip-Charts gemalt werden.

Pointe nebenbei: Mehrere Firmen auf den Cayman-Inseln und auf der Kanalinsel Guernsey besitzen die Luxemburger Lavena 1 S.A.R.L., die wiederum ist 100-prozentige Besitzerin der Lavena 2 S.A.R.L., die wiederum besitzt die Lavena 1 Holding GmbH. Diese besitzt die Lavena 2 Holding GmbH, welche die Lavena 3 Holding GmbH besitzt, die wiederum Eigentümerin der Lavena 4 Holding GmbH ist. Und über zwei weitere Zwischenstufen gehört ihr dann drei Viertel von ProSiebenSat.1.

Auf Verlangen

BBC Trust genehmigt Download-Plattform.

Auf ihrem (nicht gerade schnellen) Weg durch die Instanzen hat es die von der BBC geplante Download-Plattform iPlayer ein Stückchen weiter geschafft: Das BBC-Aufsichtsgremium hat am Montag die Pläne jetzt endgültig genehmigt, wie das schon nach der vorläufigen Entscheidung zu erwarten war. Am Dienstag hat der kommerzielle Sender ITV seine Pläne vorgestellen, für rund 30 Millionen Euro aus ITV.com zu einer Download-Plattform umzugestalten.

BBC, ITV und Channel 4 planen (oder haben) daneben auch Livestreams ihrer Programme, die aber wie die On-Demand-Plattform allein britischen Nutzern vorbehalten sind, da die Sender die Ausstrahlungsrechte ja auch nur für Großbritannien erworben haben.

Die Pläne für den BBC iPlayer
Archiv-Inhalte: BBC-TV-Sendungen 7 Tage nach Ausstrahlung zugänglich; einige Serien sind auch später noch komplett im Angebot.
Nutzungsbeschränkung: Der Nutzer muss heruntergeladene Inhalte binnen 30 Tagen erstmals ansehen, der Inhalt verschwindet 7 Tage nach dem ersten Ansehen.
Kosten für den Nutzer: Keine (für Nutzer in Großbritannien).
Werbung: Keine (für Nutzer in Großbritannien).
Plattform: Windows Media Player 10 auf Windows XP.
Die BBC wollte eigentlich, dass die Inhalte erst 13 Wochen nach Download verschwinden, aber das Aufsichtsgremium hat auf Druck der privaten Konkurrenz den Zeitraum auf 30 Tage beschränkt. Die kommerzielle BBC-Tochter BBC Worldwide plant einen kostenpflichtigen iPlayer für internationale Nutzer, aber dafür gibt es noch nicht einmal Anträge.

Die Pläne für ITV.com
Archiv-Inhalte: ITV-Sendungen 30 Tage nach Ausstrahlung und weitere ausgewählte Inhalte.
Kosten für den Nutzer: Noch nicht bekanntgegeben.
Nutzungsbeschränkung: Noch nicht bekanntgegeben.
Werbung: Banner- und Videowerbung (Vorab-Film, klickbare Werbung, Sponsoring).
Plattform: Noch nicht bekanntgegeben.
ITV setzt auf Bonusmaterial, Nutzerbeteiligung (ITV News Uploaded) und nur fürs Web erstellte Inhalte.

4oD von Channel 4
Archiv-Inhalte: Channel-4-Sendungen 28 Tage nach Ausstrahlung und weitere ausgewählte Inhalte.
Kosten für den Nutzer: Spielfilme 1,99 £; Serien, Shows, Dokumentationen binnen 7 Tagen offenbar kostenlos, danach 0,99 £ (oder 1,99 £ zum beliebig häufigen Anschauen).
Nutzungsbeschränkung: Der Nutzer muss heruntergeladene Inhalte binnen 28 Tagen erstmals ansehen, der Inhalt verschwindet 48 Stunden nach dem ersten Ansehen.
Werbung: Bislang offenbar werbefrei.
Plattform: Windows Media Player 10 auf Windows XP.
Channel 4 ist der einzige britische Sender, dessen On-Demand-Plattform im Netz bereits gestartet ist. Dort sind unter anderem US-Serien wie Desperate Housewives im Angebot.