Ein bisschen Rot

Kein Erdbeben auf Seite 1 der FAZ.

Wie kaum anders zu erwarten sind die meisten der angekündigten Änderungen auf der FAZ-Titelseite (vom Montag) so minimal, dass man genau hinschauen muss, um sie nicht zu übersehen.
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Die Terrakotta-FAZ

Leichter Relaunch in Frankfurt.

Terrakotta-F Und sie bewegt sich doch: Die Frankfurter Allgemeine Zeitung macht am 28. November einen leichten Relaunch. Weil aber ein Teil der FAZ-Leser Veränderung nur in homöopathischen Dosen verträgt, sagt Mitherausgeber Werner D’Inka dem Fachblatt Horizont, es handele sich nicht um einen „Relaunch im klassischen Sinne“.

Unverändert bleiben der Titelkopf, Kommentar-Überschriften in Fraktur und die Abneigung gegen Fotos auf Seite 1 — bevor das passiert, müssen schon ein neuer Papst oder eine Wiedervereinigung her. Neu sind laut Horizont unter anderem „eine leicht erhöhte Grundschrift, etwas vergrößerte und verschlankte Überschriften, eine Zurücknahme der Spaltenlinien“. Zudem soll „das rote FAZ.NET-Logo auf der Titelseite“ prangen. Das ist allerdings bislang blau-schwarz — ob im Netz auch ein Relaunch ansteht? Überhaupt soll „das leicht ins Terrakotta spielende Rot“ als Auszeichnungsfarbe zum Einsatz kommen. Ein rot hinterlegtes Textfenster auf der Titelseite soll etwa die „journalistischen Perlen“ im Blatt hervorheben.

(Als Service für kritische FAZ-Leserbriefschreiber ein erinnernder Hinweis: Das zweite Pferd der vier apokalyptischen Reiter war ebenfalls rot. Somit ist dieser Relaunch diese neumodische Umgestaltung ganz klar ein Omen für den unmittelbar bevorstehenden Weltuntergang.)

Nachtrag: Nein, anders als einige schreiben ist Farbe auf der Titelseite keine Neuerung bei der FAZ. Die gab es auch schon vorher — morgen wird beispielsweise mit einem roten Streifen auf die Literaturbeilage hingewiesen.

Monde solide

Die erste Le Monde im neuen Look.

Schriften bei Le Monde

Le Monde ist — wie angekündigt — nun erstmals im neuen Kleid erschienen und hat eine PDF-Beilage zum Relaunch herausgegeben. Die Zeitung setzt als Textschrift Fenway ein, die der große Matthew Carter für Sports Illustrated entworfen hat und deren Namen daher an das Baseballstadion Bostons erinnert. Für die übrigen Überschriften hat sich die Zeitung spezielle Schnitte von Carters Rocky schneidern lassen. Rocky ist eigentlich ein Entwurf für die Rocky Mountain News. Die Überschriften des „Rendez-vous“-Teils sind in der Benton Sans light, die auf Morris Fuller Bentons News Gothic basiert.

Soweit es von der PDF-Titelseite und der Flash-Demo beurteilbar ist: Schön gestaltet, aber nicht Bahn brechend. Das Mehr an Infografik und Fotos mag für französische Leser eine Neuigkeit sein, anderswo ist es das nicht.

Nachtrag: Bertrand Pecquerie kritisiert die fehlende Verbindung zwischen Online- und Printversion: „I am not sure it is enough to prepare the future.“

Noch ein Nachtrag: Newsdesigner.com hat viele neue und alte Seiten zum Vergleichen.

Le Monde vor dem Relaunch

Ab Montag drei Zeitungsteile und ein neues Layout.

Ausschnitt aus Le-Monde-Schriftzug

Von Montag an will Frankreichs liberales Vorzeigeblatt Le Monde dem Auflagenschwund mit einer „nouvelle formule“ trotzen. Aus drei Teilen soll die Zeitung künftig bestehen: Nachrichten/Wirtschaft/Sport („actualités“), Analyse/Reportage („décryptage“) und Nutzwert/Kultur/Medien („rendez-vous“). Das Blatt erscheint bereits im Berliner Format, muss also nicht in die Schrumpfmaschine — aber natürlich bekommt „Le Monde“ auch einige optische Veränderungen verpasst: größere Schrift, mehr Bilder, mehr Farbe, Layout in fünf statt sechs Spalten. Es bleibt aber beim Druck am Vormittag, so dass „Le Monde“ nicht vor 12 Uhr in Paris und noch später im restlichen Frankreich erscheint.

Das kleine Vorschaubild, das der Mutterkonzern Prisa präsentiert, macht allerdings wenig Lust auf den Relaunch: Die beiden Probeseiten im neuen Design verströmen bleierne Langeweile, die womöglich vorhandenen typografischen Finessen verschwinden bei dieser schlechten Reproduktion, die Spalten sehen überbreit aus. Allerdings sah Le Monde noch 1994 fast so aus wie bei der Gründung 50 Jahre zuvor. Damals gönnte sich das Blatt eigene Hausschriften (Le Monde Journal und Sans), seit dem Relaunch 2002 zudem als Titelschrift Lucas im Einsatz. Der konservative Figaro hat seinen Relaunch übrigens gerade hinter sich, die Libération hat ihn noch vor sich. Und die Titelseite des investigativ-satirischen Canard enchaîné ist gestalterisch eine einzige Grausamkeit.

Nebenher: Wer glaubt, Zeitungs-Relaunches seien eine verschwenderische Angelegenheit oder neumodische Verspieltheit, hat die Augen noch nicht offen. Für die Zeitungen geht es darum, ob sie mit ihren Lesern aussterben. Da kann eine ganz praktische Frage wie die nach der U-Bahn-Verträglichkeit im Jahr 2005 entscheiden, ob es die Zeitung 2020 noch gibt.

Zum Weiterlesen:
Holger Alich (Handelsblatt): Le Monde verschönert sich
Palmer Watson (Relaunch-Beraterbüro)
Le-Monde-Selbstporträt von 2002 (in Flash)
Sonderbeilage zum Relaunch 2002 (als PDF)
Jochen Hehn (Die Welt): Gnadenfrist für France Soir
Chronologie zu France Soir