Stöckchen aus Washington
Sieben Fragen der US-Regierung zur Netzverwaltung.
Das hier wird ziemlich lang, fürchte ich. Seit Ende Mai sammelt die US-Regierung mal wieder Input zur Zukunft der Netzverwaltung ICANN. Sieben Fragen will die zum Handelsministerium gehörende Behörde NTIA bis zum 7. Juli beantwortet haben. Für alle Hardcore-ICANN-Interessierten folgen die sieben Fragen in eigener Übersetzung, mit Links und bisweilen mit Ergänzungen in eckigen Klammern. Die NTIA will natürlich Antworten auf Englisch. (Lohnen sich die 15 bis 20 Minuten für die Beantwortung der Fragen? Erfahrungsgemäß wertet die NTIA solche Befragungen recht gewissenhaft aus und nutzt sie zumindest für die eigenen Begründungsmuster. Wer wirklich etwas beizutragen hat, sollte die Chance nutzen, zumindest einen winzigen Einfluss auf den entscheidenden Akteur zu nehmen. Wer sich lieber einer Ein-Klick-Massenpetition anschließen will, kann das beim Internet Governance Project tun.)
1. Das Weißbuch [der US-Regierung von 1998] zum Domainnamensystem [kurz: DNS] hat Grundsätze für den Übergang zu einer Verwaltung des Domainnamensystems durch den privaten Sektor aufgestellt (nämlich Stabilität, Wettbewerb, private, von unten ausgehende Koordination sowie Repräsentation). Sind diese Prinzipien noch relevant? Sollten zusätzliche Grundsätze berücksichtigt werden angesichts der Fortschritte der Internet-Technologie, angesichts der gewachsenen weltweiten Reichweite des Internets, angesichts der achtjährigen Erfahrungen seit dem Weißbuch des Handelsministeriums und angesichts des internationalen Dialogs, einschließlich der Diskussionen zu Internet Governance auf dem UN-Weltgipfel zur Informationsgesellschaft (WSIS)?
2. Das DNS-Weißbuch hat eine Reihe von Maßnahmen aufgestellt, die für die Übergabe der Verantwortung für die technische Koordination und Verwaltung des Domainnamensystems von der US-Regierung an den privaten Sektor erfolgen sollten. Diese Maßnahmen erscheinen im Memorandum of Understanding [der ursprünglichen Vereinbarung zwischen US-Handelsministerium und neu gegründeter ICANN] als eine Reihe von Kernaufgaben und Meilensteinen. Hat ICANN ausreichende Fortschritte bei den im Memorandum vereinbarten Aufgaben gemacht, dass die Überleitung zum 30. September 2006 stattfinden kann?
3. Sind diese Kernaufgaben und Meilensteine noch relevant, um die Überleitung zu erleichtern und die im DNS-Weißbuch und den Grundsätzen der USA zum Domainnamen- und IP-Adress-System [vom Juni 2005] gesteckten Ziele zu erreichen? Sollten für die Überleitung neue oder überarbeitete Aufgaben oder Methoden erwogen werden? In welchem Zeitrahmen und auf welchem Wege sollte die Überleitung erfolgen?
4. Das DNS-Weißbuch hat mehrere zentrale Interessengruppen (stakeholder groups) aufgezählt, deren sinnvolle Beteiligung für die effektive technische Koordination und Verwaltung des Domainnamensystems notwendig ist. [Genannt werden regionale IP-Adressverwalter, Internet-Techniker und Computerwissenschaftler, Domain-Verwalter, Domain-Registrare, kommerzielle und nicht-kommerzielle Nutzer, Internet-Serviceprovider, internationale Warenzeicheninhaber und Internet-Experten.] Sind all diese Gruppen wirkungsvoll am ICANN-Prozess beteiligt? Falls nein, wie kann ihre Beteiligung verbessert werden? Gibt es zentrale Interessengruppen, die im DNS-Weißbuch fehlen, etwa mit Kenntnissen aus den Bereichen Internet-Sicherheit oder Infrastruktur-Technologie, und die wertvollen Input für die technische Koordination und Verwaltung des Domainnamensystems liefern könnten? Falls ja, wie kann ihre Beteiligung erleichtert werden?
5. Das DNS-Weißbuch hat Grundsätze und Mechanismen für die technische Koordination und Verwaltung des Domainnamensystems aufgezählt, die die sinnvolle Beteiligung und Vertretung zentraler Interessengruppen fördern sollen. In Verbindung mit vielen dieser zentralen Interessengruppen hat ICANN verschiedene Unterorganisationen und Ausschüsse gegründet, um die Beteiligung von Interessengruppen am ICANN-Prozess zu erleichtern. Erfüllt die Beteiligung an diesen Organisation die Bedürfnisse dieser zentralen Interessengruppen und der Netzgemeinde? Kann die Beteiligung an diesen Organisationen und Ausschüssen verbessert oder ausgeweitet werden?
6. Welche Methoden und/oder Verfahren könnten eine höhere Effizienz und Ansprechbarkeit gegenüber Regierungen und Länderdomain-Verwaltern fördern, was die Bearbeitung von DNS-Rootverwaltungs-Anfragen zu Fragen des öffentlichen Interesses und der Souveranität angeht? Bitte vergessen Sie dabei nicht, dass die Sicherheit und Stabilität des Internet-Domainnamensystem bewahrt werden muss und eine Entscheidungsfindung auf lokaler Ebene angestrebt werden soll. Gibt es neue technische Werkzeuge, die dieses Verfahren verbessern könnten, etwa die automatisierte Bearbeitung von Anfragen? [Hintergrund: In der Vergangenheit hat ICANN — oder genauer: IANA — oft sehr lange gebraucht, um etwa beantragte Änderungen in den Rootzone-Einträgen des Domainnamensystems zu bearbeiten.]
7. Viele öffentliche und private Organisationen haben unterschiedliche Rollen und Verantwortungen in Bezug auf das Internet-Domainnamensystem und auf Internet Governance allgemein. Wie können — wie vom WSIS gefordert — Informationsaustausch, Zusammenarbeit und verbesserte Kooperation unter diesen Organisationen erreicht werden?