8,8 mm mehr

Der steigende Schuppungsgrad.

Mehr Gestaltungsspielraum für Deutschlands Zeitschriften! Und zwar 2006 genau 8,8 Millimeter mehr als im Vorjahr — hier rot eingezeichnet:

Zeitschriften mit eingezeichnetem Schuppungsgrad

Die Zeitschriften haben nämlich laut Pressegrosso-Statistik im Durchschnitt 16,87 Bordmeter Platz (plus 17 Zentimeter), während zugleich die Sortimentsbreite auf durchschnittlich 197 Zeitschriften gesunken ist (minus 19): Also steigt der Schuppungsgrad, die Präsentationsgröße pro Objekt. Danke an Peter Schumacher für diese Lektion aus der Reihe Medienwissen für Angeber. (Das schöne Wort „Schuppungsgrad“ aber bitte kontextsensitiv anwenden.)

Quid pro quo

Die Dialogtour des Wirtschaftsministeriums.

Ja, natürlich ist es eine spannende Frage, ob eine Agentur regionalen Zeitungen im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums für seine Dialogtour zum Thema Mittelstand „Gegenfinanzierungen“ durch Anzeigen angeboten hat, wie der Kölner Stadt-Anzeiger berichtet (gefunden via ts.de). Ob sie dabei redaktionelle Berichterstattung ganz genau vorschreiben wollte und dafür Anzeigen versprach.

Ebenfalls eine spannende Frage: Wie war das denn mit dem Dialogtour-Termin im Juli in Potsdam? Dort hat der Chefredakteur der FAZ-Tochter Märkische Allgemeine die Veranstaltung moderiert, im Anschluss daran erschien dort ein Artikel mit der Überschrift „Auf seiner ‚Dialogtour‘ darf sich Staatssekretär Walther Otremba vor allem Lob für die Politik der Bundesregierung anhören“. Und gab es eventuell auch Kooperationen bei den anderen absolvierten und geplanten Terminen in Nürnberg, Siegen, Leipzig, Saarbrücken, Würzburg, Schwerin und Wuppertal?

Nachtrag: Flaskamp räumt Fehler ein – und das Ministerium stoppt die PR-Tour. Der Kölner Stadt-Anzeiger berichtet, dass das Angebot mindestens fünf anderen Zeitungen unterbreitet wurde, „zwei sind offenbar darauf eingegangen“. Die taz hat bei der Märkischen Allgemeinen nachgefragt: Flaskamp hat auch dort Anzeigen geschaltet, der MAZ-Geschäftsführer Peter Jürgen Asmussen hebt aber hervor, dass dies erst nach der Veranstaltung geschehen sei. Asmussen im O-Ton: „Anzeigen waren in keiner Weise Teil eines Gesamtdeals.“ (Das Argument ist kein ganz großer Befreiungsschlag: Es gab also erst freundliche Berichterstattung und erst danach Anzeigen? Na dann.)

Fünfzigtausend

Alte Guardian-Titelseiten zum Jubiläum.

Der Guardian feiert seine 50.000 Ausgabe mit einem Artikel und vor allem einer Galerie von 50 Titelseiten seit 1821 — und die zeigt, wie sehr sich die Zeitungen äußerlich verändert haben.

„Atomic bombs used on Japan“ steht 1945 in Versalien über einem langen Zweispalter, auf einer Seite voller Text, ohne ein einziges Bild. Während der Suezkrise 1956 finden sich auf der Titelseite so hölzerne Überschriften wie „Mr. S. Lloyd to attend N.A.T.O. Council“ und „Mr. Gaitskell puts Labour’s view“. Erst beim Kennedy-Attentat 1963 sieht die Seite eins so aus, wie man es erwartet: die unterstrichene Schlagzeile größer als der Zeitungskopf. Ähnlich eindrucksvoll ist der Vergleich zwischen der Ausgabe vom 13. Juni 1964 – Nelson Mandela wird zu lebenslanger Haft verurteilt – und der vom 12. Februar 1990 – Nelson Mandela ist frei.

Wochenspiegel

Neues Design auch für Guardian Weekly.

Guardian WeeklyFast zwei Jahre nach dem Guardian bekommt nun auch die Wochenausgabe einen neuen Look: Guardian Weekly ist seit diesem Freitag durchgehend farbig und misst handgestoppte 233 mal 313 mm. Schwerpunkte der ersten Weekly sind internationale Nachrichten (7 der 48 Seiten), Leitartikel und Kommentare (6 Seiten), der Review-Teil mit längeren Reportagen und Analysen (5 Seiten), während Nachrichten aus Großbritannien gerade einmal so viel Platz bekommen wie die Buchrezensionen (4 Seiten). Ein paar Artikel stammen aus dem Guardian-Sonntagsblatt Observer, je ein Kommentar und ein Artikel aus der Washington Post, diesmal nichts eine Reportage aus Le Monde.

Das Blatt erscheint also am Freitag, geht aber schon am Dienstag in Druck. Die Wechselkurstabelle stammt vom Montag. Wer liest so etwas im Internetzeitalter? Die Verkaufsauflage von 78.500 Exemplare geht zu 34 Prozent nach Afrika. Die Anzeigen stammen fast ausschließlich von Banken und Bildungseinrichtungen oder bieten Jobs in der Entwicklungshilfe. Wenn die Daten aus der Leserumfrage 2004 noch stimmen, erreicht das Blatt vor allem die Eliten im Bildungs- und Regierungssektor.

Leider ist Guardian Weekly auch im neuen Design vergleichsweise tot — ein Ein-Zeitungs-Pressespiegel eben, zusammengestellt für die bedauernswerten Menschen, die den echten Guardian nicht täglich bekommen können. (Noch schlimmer ist übrigens das Magazin Guardian Monthly.) Aber die Zahl der Menschen, die lieber mindestens drei Tage alte Artikel gedruckt lesen wollen als dafür das Internet zu nutzen, reicht 2007 offenbar noch aus, um das Konstrukt am Leben zu erhalten.

Frakturbruch

Focus vermeldet FAZ-Relaunch im Herbst.

Typokonſervative FAZ-Leſer finden es ja ſeit zweieinhalb Jahren ſkandalös, daſs die Zeitung bei ihren Fraktur-Überſchriften über Kommentaren das lange ſ nicht mehr verwendet. Das Problem ſoll es ab Herbſt nicht mehr geben — wenn, wie der Focus berichtet, im Zuge eines neuen Erſcheinungsbildes die Fraktur-Überſchriften abgeſchafft werden.

Focus erwähnt in der Vorabmeldung auch Farbelemente und Illustrationen sowie Meldungsſpalten für eilige Leſer. Fotos auf der Titelſeite ſind ſtreng genommen keine Neuerung, waren aber in den letzten Jahrzehnten zumindest eine große Ausnahme.

Bei der letzten offiziell angekündigten Erneuerung im November 2005 bewegte ſich nicht allzuviel, dafür gab es ſeither deutlich mehr Farbe im Blatt.