VeriSigns ICANN-Klage abgewiesen

Das Bundesgericht hat klar für die Netzverwaltung entschieden.

Ende Februar hat der .com- und .net-Domainverwalter VeriSign gegen die Netzverwaltung ICANN wegen angeblicher Wettbewerbsbehinderung geklagt (Details in einem früheren Posting). Vorgestern hat das Gericht diese Klage bindend abgewiesen, berichten unter anderem Heise, CircleID und News.com. Bret Fausett schreibt: „I can’t imagine an opinion that would have provided ICANN a more secure foundation on which to continue its work.“ Bret zitiert einen Kernsatz aus der Entscheidung: VeriSign könne nicht belegen, dass ICANNs Unterorganisationen, in denen auch VeriSigns Konkurrenten vertreten sind, das ICANN-Direktorium beherrschen. Damit brechen die weiteren Vorwürfe zusammen.

Im abgewiesenen Fall ging es vor einem Bezirksbundesgericht in Los Angeles um Verstöße gegen Bundeswettbewerbsrecht. Bundesrichter A. Howard Matz hat die Möglichkeit offen gelassen, einzelstaatliches Recht anzuwenden. VeriSign hat nun also die Wahl, vor das zuständige Bundesberufungsgericht zu ziehen oder es vor einem kalifornischen Gericht zu probieren.

WSIS und Internet Governance

Adam Peakes erhellendes Papier zum Thema.

Ein Text, der den Stand der Dinge beim WSIS-Weltgipfel zur Informationsgesellschaft darstellt, mit Mythen über das Domainnamensystem aufräumt, auf eine Vielzahl weiterführender Dokumente verweist — und wichtige Probleme bei der Kostenaufteilung für Internetzugang und Interconnection aufzeigt: Adam Peake hat für APC ein 32-seitiges Papier über WSIS und Internet Governance geschrieben. Den Anhang widmet Adam ICANN und der Zivilgesellschaft. Für alle an Netzpolitik Interessierten ist das eine Schatztruhe.

Zehn Domain-Vorschläge bei ICANN

Einer kurzer Blick auf die Vorschläge für neue Top-Level-Domains.

Ein erster kurzer Blick auf die Vorschläge für neue Top-Level-Domains, die bei der Netzverwaltung ICANN eingegangen sind.

  • .asia – Eine Asien-Domain, die von vielen Länderdomain-Verwaltern aus der Region unterstützt wird.
  • .cat – Eine Domain für Katalonien. Der Antrag betont, dass die katalanische Gemeinschaft grenzübergreifend ist und daher für eine Länderdomain ungeeignet. Die Verwechslungsgefahr mit einer Katzendomain wird im Antrag natürlich auch gleich angesprochen: „Meow!! Yes 😉 But then .net means ‚clean‘ in Catalan, and .nu, ’naked‘.“
  • .jobs – Eine Domain vor allem für Firmen, die ihre Jobseiten unter dieser Domain anbieten sollen.
  • .mail – Eine Anti-Spam-Domain, hinter der vor allem Spamhaus steht. .mail soll hinter den Kulissen funktionieren und auf existierenden Domains aufsetzen: Der Betreiber des Mailservers example.com kann die Domain example.com.mail registrieren. Ein anderer Mailserver kann via example.com.mail nachschauen, ob es sich tatsächlich um die IP-Adresse des Mailservers handelt und ob der Mailserver als Spam-frei gilt.
  • .mobi – Eine Domain für mobile Geräte, hinter der in erster Linie Nokia, Vodafone und Microsoft stehen.
  • .post – Eine Post-Domain, mit der der Weltpostverein in der ersten Domain-Runde 2000 peinlich gescheitert ist. Ein ICANN-Report bemängelte damals, dass der .post-Antrag keinen „well-thought-out plan on how the proposed TLD would be used“ enthielt.
  • .tel (Pulver) – Eine Domain für Internet-Telefonie nach dem E.164-Standard.
  • .tel (Telnic) – Eine Telefon-Domain, die gerade keine nur-numerischen Domains zulässt.
  • .travel – Der zweite Versuch einer Domain für die Reisebranche. Bei der ersten Runde sorgten viele Negativ-Kommentare für Zweifel, ob der IATA-Vorschlag tatsächlich repräsentativ genug ist.
  • .xxx – Eine Nur-für-Erwachsene-Domain.

Die meisten Vorschläge sind nicht besonders originell oder nützlich: Beispielsweise sieht die .post-Struktur wie ein bürokratischer Albtraum aus. Über Sinn und Unsinn sollte aber nicht ICANN entscheiden. Einen Blick in die Wahrsagekugel kann ich mir aber nicht verkneifen — bei drei, möglicherweise fünf Domains wird sie vermutlich ablehnen: Den beiden .tels, .xxx und womöglich auch .cat und .mail.

Bei den Telefonie-Domains kommt ICANN der Weltfernmeldeunion ITU in die Quere, die sich um den E.164-Standard kümmert. Schon bei der ersten Domainrunde hat die ITU darum gebeten, telefoniebezogene Top-Level-Domains nicht einzurichten. Die .xxx-Domain ist ein Vorschlag, der ICANN jede Menge unerwünschte Kontroversen um Inhalte, Zensur und moralische Standards bescheren kann. Auch deswegen hat die Organisation solche Domains in der ersten Runde 2000 abgelehnt — und es gibt weiterhin technische Gegenargumente.

Die Katalonien-Domain .cat führt die Netzverwaltung schließlich in eine Hölle, die ICANNs Vorgänger Jon Postel bei den Länderdomains durch die Verwendung einer ISO-Liste umgangen hat: die Entscheidung, was eine kulturelle Gemeinschaft ist. Spätestens bei .tibet und .kurdistan wird die politische Sprengkraft dieser Frage deutlich. ICANN könnte daher versucht sein, diese Angelegenheit auf später zu verschieben.

.mail ist einer der wenigen Vorschläge, die mit dem Domainnamensystem etwas technisch Neues machen wollen — auch wenn aus technischer Sicht dafür eine Top-Level-Domain nicht notwendig wäre. Aber Domains auf oberster Stufe haben nun einmal auch symbolischen Charakter und können daher dem Ansatz die nötigen höheren Weihen verschaffen. Natürlich könnte ICANN viele Bonuspunkte sammeln, indem sie zur Lösung des Spam-Problems beiträgt — aber auch hier würde sich die Organisation indirekt auf ein politisches Minenfeld begeben.

Nachtrag – Eine nicht so schwierige Weissagung zum Abschluss: Etwa drei Viertel der Berichte in Blogs und Artikeln werden sich einen Spaß aus der .cat-Domain machen.

Eine Mobil-Domain?

Einige Blog-Äußerungen über Pläne für eine .mobile-Domain.

Derzeit fordern einige große Mobilfunk-Unternehmen eine Top-Level-Domain für mobile Geräte. Karl Auerbach schreibt, warum das eine schlechte Idee wäre. Thomas Roessler meint, dass darüber aber ICANN nicht entscheiden sollte. Karl Auerbach stimmt zu. Kristian Köhntopp findet, dass Top-Level-Domains zwar „coole Spoiler“ sind, aber keine Konzepte ersetzen. Auch Ed Felten sieht .mobile als schlechte Idee an. Lawrence Solum widerspricht: Als Experiment sollte eine solche Domain möglich sein und schadet niemandem. Ed Feltens Replik: ICANN lässt nun einmal gegenwärtig neue Domains nur sehr zögerlich zu, und für .mobile gäbe es kaum überzeugende Argumente. (Fast alle Links bei Thomas Roessler gepflückt.)

VeriSign verklagt ICANN

Der .com- und .net-Domainverwalter klagt gegen die Netzverwaltung.

Der .com- und .net-Domainverwalter VeriSign klagt vor einem Bundesgericht in Kalifornien gegen die Netzverwaltung ICANN: Das könnte ein sehr wichtiger Prozess im Bereich Netzpolitik werden. Laut Pressemitteilung geht es VeriSign darum, dass ICANN seine vertraglichen Befugnisse überschritten habe und die Geschäfte des Unternehmens unzulässig zu regulieren versuche. Das Wall Street Journal nennt die Anklage „a broad antitrust lawsuit“. Eine Stellungnahme von ICANN gibt es noch nicht. Declan McCullagh hat die Klageschrift im Original-PDF: Teil 1 und Teil 2.

Die Vorwürfe beziehen sich nach einem ersten flüchtigen Blick auf vier Bereiche:

  • das Abfangen von Anfragen nach unregistrierten Domains (Sitefinder),
  • die Einrichtung einer Warteliste für registrierte Domains (WLS, von ICANN unter Auflagen akzeptiert),
  • internationalisierte Domainnamen (IDN) und
  • ConsoliDate, ein System zur Vereinheitlichung der Daten, an denen eine Domainregistrierung ausläuft (genehmigt).

Von den sieben Klagebegehren scheint das erste besonders gravierend: VeriSign wirft ICANN eine zulässige Wettbewerbsbeschränkung auf dem Markt und den Untermärkten der TLD-Verwaltung vor. Das Unternehmen sieht darin das Wettbewerbsgesetz Sherman Act verletzt. VeriSign verlangt Schadenersatz und die Feststellung, dass es die genannten Dienste ohne ICANN-Auflagen anbieten darf. Bei den Vorwürfen des Vertragsbruchs geht es um das .com-Abkommen von 2001 und die Frage, was genau Registry Services sind.

Ohne genauere Details ist es für eine weitere Bewertung zu früh, amerikanische Juristen werden sich in den nächsten Tagen sicherlich mit ihrer Einschätzung zu Wort melden. Wer die Entwicklung verfolgen will, sollte aber in nächster Zeit eine Reihe von Weblogs und Webseiten im Blick haben: Thomas Roesslers No Such Weblog, Monika Ermerts Artikel bei Heise Online, Bret Fausetts Lextext, Esther Dysons Release 4.0, Ross Raders Random Bytes, Andrew McLaughlins C-Note, Wendy Seltzers Legal Tags, Karl Auerbachs CaveBear Blog und natürlich ICANNwatch. Einen erheblichen Teil dessen und noch mehr sammelt der ICANN Blog Aggegrator, den Thomas Roessler betreibt. Für weitere Hinweise bin ich höchst dankbar!

An einem Punkt kann aber vermutlich jeder, der ICANNs Entwicklung verfolgt hat, VeriSign bedenkenlos zustimmen. Ein Manager des Unternehmens erklärte laut Washington Post: „Working the ICANN process is like being nibbled to death by ducks.“ Stimmt.