Die .xxx-Domain

ICANN hat eine weitere neue Top-Level-Domain ausgewählt.

ICANN hat versucht, die Pressemitteilung so unauffällig wie möglich zu gestalten, aber vermelden musste sie die Überrschung doch: eine .xxx-Domain „to primarily serve the needs of the global responsible online adult-entertainment community“ steht vor dem Start. In der zweiten Runde neuer Top-Level-Domains sind .jobs und .travel bereits beschlossen, Vertragsverhandlungen laufen noch bei .cat, .post, .mobi und jetzt auch .xxx.

Ich hatte .xxx — offenbar zu Unrecht — als Verlierer unter den Domain-Vorschlägen vermutet. Schon bei der ersten Runde im Jahr 2000 gab es drei Unternehmen, die eine .xxx-Domain betreiben wollten. Schon damals war ICM Registry unter den Bewerbern (Antrag) — mit einer Doppelbewerbung für .kids und .xxx. Damals empfahl der ICANN-Stab eine Ablehnung „because of the controversy surrounding, and poor definition of the hoped-for benefits of, .xxx“.

Nun ist der (technische) Betreiber ICM Registry natürlich begeistert: „Among other things, creation of a top level domain for adult websites will help protect children from exposure to online pornography and also have a positive impact on online adult entertainment through voluntary efforts of the industry.“ Nach dem ICANN-Modell der so genannten „sponsored TLD“ gibt es neben dem technischen Betreiber auch eine Art ideellen Domainverwalter, in diesem Fall die International Foundation for Online Responsibility (IFFOR). Derzeit ist sie kaum mehr als eine Briefkastenfirma mit einer dreiseitigen Website. Das Direktorium besteht momentan aus ICM-Registry-Chef Stuart Lawley und zwei kanadischen Anwälten, die in Kürze zurücktreten wollen. Dann soll ein aus betroffenen Gruppen zusammengesetztes Nominierungskomitee das IFFOR-Direktorium bestimmen.

Die kontroverse Frage bleibt, ob eine solche .xxx-Domain tatsächlich hilfreich ist. Heise erinnert daran, dass das Internettechniker-Gremium IETF eine kritische Haltung zu einer solchen inhaltlichen Abgrenzung per Domainendung hat. Ganz so schlimm wird es wohl nicht werden, vermute ich mit Blick auf .kids.us. Auch dies ist eine politisch gewollte Domain, die kläglich gescheitert ist (dazu mehrere Wortfeld-Beiträge). Sicherlich wird .xxx ein Verkaufserfolg für den Betreiber sein, wenn er sie nicht zu teuer anbietet. Aber letztlich wird sie vom Großteil der Internetnutzer unbemerkt bleiben und so gut wie nichts zum Schutz von Kindern im Internet beitragen. Da wiederhole ich mich gern — das Domainnamensystem kann technische Herausforderungen lösen, aber nicht die Erziehung übernehmen.

Nachtrag: BBC News berichtet über kritische Stimmen zu .xxx. Zum einen Karl Auerbach, der zumindest mich mit seiner ICANN-Dauer-Rundumkritik wie immer langweilt, zum anderen Lauren Weinstein, der auf Dave Farbers Mailingliste um die Redefreiheit bangt. Und Joi Ito spricht inzwischen bereits perfekt ICANNesisch.

Phishing mit IDNs

Nepper, Schlepper, Domainumleiter.

Unter anderem Heise Online berichtet heute über einen Trick, Benutzer auf gefälschte Webseiten zu locken: mit Sonderzeichen (etwa dem kyrillischen „а“), die den üblicherweise in Domains vorkommenden Buchstaben gleichen. Dankenswerterweise verlinkt Heise auch gleich ein drei Jahre altes Dokument von ICANNs Komitee zu internationalen Domainnamen (IDNs). Neu ist der Trick also nicht, aber jetzt ist er flächendeckend bekannt. In Kürze wird es ohne Zweifel Gegenmaßnahmen der Browser-Hersteller geben. Noch viel sinnvoller ist aber weiterhin, bei typischen Phishing-Mailinhalten vorsichtig zu sein — also immer, wenn etwas angeblich ganz schnell passieren muss. Die Webadresse von Bank, eBay und Paypal sollte ohnehin jeder selbst eintippen.

Nachtrag: James Seng richtet harsche Worte an com/net-Domainverwalter Verisign.

Internet Governance, Folge 6354

Die WGIG legt einige Arbeitspapiere vor.

Was bisher geschah: Nachdem sich die Staaten auf dem Weltgipfel zur Informationsgesellschaft (WSIS) beim Thema Internet Governance nicht einigen konnten, gründeten sie eine Arbeitsgruppe dazu (WGIG). Im Hintergrund sorgen sich die Internetverwaltung ICANN und die Weltfernmeldeunion ITU um ihren künftigen Einfluss.

Folge 6354: Die Arbeitsgruppe hat eine Reihe von Dokumenten vorgelegt. Dabei handelt es sich aber nicht einmal um Arbeitspapiere, sondern um vorläufige Entwürfe zu Arbeitspapieren. Unter anderem geht es in einem der Texte um Internet-(Domain)namen und IP-Adressen, also ICANNs bisherigen Beritt. Die Autoren erläutern zunächst kurz die bisherigen Akteure und Mechanismen und führen dann Schwächen, Stärken, Chancen und Gefahren auf.

Was nun passiert: Wenn dieses Papier tatsächlich die WGIG-Mehrheitsstimmung wiedergeben sollte, wird ICANN weiterhin am Ruder bleiben — vielleicht mit einem leichten Mehr an Regierungseinfluss oder zumindest dessen Anschein, vielleicht mit einer internationaleren Regelung an Stelle der US-Sonderrolle. Aber der ICANN-Prozess wird als multilateral, einigermaßen transparent und ziemlich demokratisch gelobt, während die ITU nicht einmal erwähnt wird. Gebannt warten wir also auf einen möglichen zweiten Entwurf eines Arbeitspapiers der Arbeitsgruppe.

Verhandlungen über .mobi und .jobs

Zwei weitere Domains in ICANNs engerer Wahl.

Zwei weitere Domain-Vorschläge haben es in ICANNs engere Auswahl geschafft — .mobi für mobile Geräte und .jobs für Jobangebote. Der .mobi-Vorschlag hatte mit Nokia, Vodafone und Microsoft eine extrem starke Lobby. Hinter dem .jobs-Plan stehen die Society for Human Resource Management und die dafür gegründete Firma EmployMedia mit einem hochkarätigen Beirat und VeriSign als technischen Domainbetreiber.

Zur Erinnerung: .post und .travel sind ebenfalls dabei, während .mail und Pulvers .tel offenbar schlechte Chancen haben. Insgesamt gab es zehn Domainvorschläge.

Verhandlungen über .post und .travel

ICANN führt Gespräche mit zwei der Domain-Bewerber.

Mit zwei der zehn Antragsteller in der zweiten Domainrunde verhandelt ICANN jetzt: Zum einen mit dem Weltpostverein, der .post vorschlägt; zum anderen mit der Travel Partnership Corporation für .travel. Damit ist ziemlich wahrscheinlich, dass diese beiden Domains tatsächlich kommen. Die übrigen acht (.asia, .cat, .jobs, .mail, .mobi, zweimal .tel und .xxx) sind damit jedoch laut ICANN nicht aus dem Rennen. Allerdings stehen die Chancen für .mail und Pulvers .tel offenbar schlecht, und ich zweifle weiterhin daran, dass es .xxx in die Endauswahl schafft.