Internet Governance, Folge 6354

Die WGIG legt einige Arbeitspapiere vor.

Was bisher geschah: Nachdem sich die Staaten auf dem Weltgipfel zur Informationsgesellschaft (WSIS) beim Thema Internet Governance nicht einigen konnten, gründeten sie eine Arbeitsgruppe dazu (WGIG). Im Hintergrund sorgen sich die Internetverwaltung ICANN und die Weltfernmeldeunion ITU um ihren künftigen Einfluss.

Folge 6354: Die Arbeitsgruppe hat eine Reihe von Dokumenten vorgelegt. Dabei handelt es sich aber nicht einmal um Arbeitspapiere, sondern um vorläufige Entwürfe zu Arbeitspapieren. Unter anderem geht es in einem der Texte um Internet-(Domain)namen und IP-Adressen, also ICANNs bisherigen Beritt. Die Autoren erläutern zunächst kurz die bisherigen Akteure und Mechanismen und führen dann Schwächen, Stärken, Chancen und Gefahren auf.

Was nun passiert: Wenn dieses Papier tatsächlich die WGIG-Mehrheitsstimmung wiedergeben sollte, wird ICANN weiterhin am Ruder bleiben — vielleicht mit einem leichten Mehr an Regierungseinfluss oder zumindest dessen Anschein, vielleicht mit einer internationaleren Regelung an Stelle der US-Sonderrolle. Aber der ICANN-Prozess wird als multilateral, einigermaßen transparent und ziemlich demokratisch gelobt, während die ITU nicht einmal erwähnt wird. Gebannt warten wir also auf einen möglichen zweiten Entwurf eines Arbeitspapiers der Arbeitsgruppe.

Auf dem Weg zur WGIG

Die Internet-Governance-Arbeitsgruppe wird vorbereitet.

In der zweiten Phase des hier schon öfters erwähnten Weltgipfels zur Informationsgesellschaft WSIS geht es übrigens gerade um die Vorbereitung der Arbeitsgruppe zu Internet Governance. Es gibt erste Stellungnahmen dazu, wie diese Working Group on Internet Governance (WGIG) aussehen sollte. Die Gruppe soll bis zur nächstes WSIS-Runde in Tunis einen Bericht vorlegen. Milton Mueller hat einige der Statements bei ICANNwatch zusammengefasst, Monika Ermert hat der Position Norwegens bei Heise Online eine Meldung gewidmet.

WSIS und Internet Governance

Adam Peakes erhellendes Papier zum Thema.

Ein Text, der den Stand der Dinge beim WSIS-Weltgipfel zur Informationsgesellschaft darstellt, mit Mythen über das Domainnamensystem aufräumt, auf eine Vielzahl weiterführender Dokumente verweist — und wichtige Probleme bei der Kostenaufteilung für Internetzugang und Interconnection aufzeigt: Adam Peake hat für APC ein 32-seitiges Papier über WSIS und Internet Governance geschrieben. Den Anhang widmet Adam ICANN und der Zivilgesellschaft. Für alle an Netzpolitik Interessierten ist das eine Schatztruhe.

Prepcom-3 ringt ums Internet

Bei der Vorbereitungskonferenz zum WSIS-Gipfel wird um die Netzverwaltung gestritten.

ITU überschattet ICANN
Den Weltgipfel zur Informationsgesellschaft, WSIS, hatte ich anfangs für eine Angelegenheit gehalten, die nicht allzu viel Aufmerksamkeit verdient. Jetzt werden dort offenbar doch ein paar Entscheidungen von Bedeutung fallen. Für heise online berichtet Monika Ermert, die den ICANN-Prozess seit Jahren verfolgt: Ein Ringen um die Netzverwaltung ist offenbar im Gange.

Dabei ist die WSIS-Vorbereitungskonferenz in Genf selbst ein Beispiel, wie eine Netzverwaltung mit noch mehr Regierungseinfluss künftig aussehen könnte: IP-Registries, Länderdomain-Verwalter und Zivilgesellschaft stehen vor der Tür. Einfluss können sie nur indirekt nehmen, wenn sie „ihre“ Regierungsvertreter für sich gewinnen können.

Die derzeitige ICANN mag in der Netzgemeinde einen schlechten Ruf haben, wird von vielen aber als das kleinere Übel gegenüber der ITU angesehen.

Der Einfluss der Regierungen ist schon bei ICANN nicht ganz klein. ICANN ist aber weit entfernt von einer internationalen (Regierungs-)Organisation, bei der jeder Nationalstaat eine Stimme hat. Der Einfluss der Unternehmen ist auch bei der ITU deutlich. Auf gleicher Augenhöhe sind beide aber nicht, und die ITU-Strukturen verstärken den Einfluss großer, internationaler Unternehmen aus dem Telekommunikationsbereich. Die Zivilgesellschaft hat es bei beiden Modellen nicht leicht. ICANN ist aber deutlich zugänglicher für Einzelpersonen, was es kleineren Gruppen leicht macht, sich zumindest Gehör zu verschaffen.

Wie von der UN erwarten viele von ICANN Widersprüchliches: Sie soll sich aus allem heraushalten, was sie nichts angeht, aber zur Stelle sein, wenn es notwendig ist. Natürlich gibt es dabei unterschiedliche Vorstellungen, was zu welchem Bereich gehört. Bei VeriSigns Wildcard-Abenteuer fordern viele ein schnelles Einschreiten. Zwei ICANN-Kritiker haben gerade dargelegt, warum das nicht so leicht ist: Jonathan Weinberg hat sich bei ICANNwatch die Verträge angeschaut, Milton Mueller hat bei Politech davor gewarnt, die Aufgabe den Regierungen zu überlassen.

Update: Offenbar herrscht bei den WSIS-Verhandlungen derzeit Stillstand.