Annan verteidigt WSIS

UN-Generalsekretär beklagt „Fehlinformationen“.

UN-Generalsekretär Kofi Annan

Dass der Streit um Internet Governance tatsächlich ziemlich weit oben angekommen ist, zeigt ein Artikel des UN-Generalsekretärs Kofi Annan in der Washington Post mit dem Titel The U.N. Isn’t a Threat to the Net. Annan beklagt, dass in der Berichterstattung über den Weltgipfel WSIS und die Vorschläge der Arbeitsgruppe WGIG Fehlinformationen herumgeistern. Er erwähnt explizit den Vorschlag eines Forums, in dem nicht nur Regierungen, sondern alle interessierten Akteure zusammenkommen — dieser Plan wird mit einiger Wahrscheinlichkeit umgesetzt.

Der Artikel enthält allerdings wenig Konkretes, sondern beleuchtet noch einmal alle Positionen. Ja, die USA haben ihre historische Sonderrolle bei der Netzverwaltung ehrenhaft erfüllt. Ja, eine Internationalisierung ist wichtig. Ja, Regierungen haben natürlich ein Interesse. Ja, andere Akteure müssen integriert werden. Ja, die Freiheit des Internets muss verteidigt werden. Ja, das Tagesgeschäft müssen die Techniker stemmen.

Der Adressat dieser Botschaft ist daher wohl eher die US-Öffentlichkeit, die angesichts einiger übertriebener Berichte teilweise den Eindruck bekommen haben muss, die Vereinten Nationen stünden kurz vor der Übernahme des Internets.

(Foto © Vereinte Nationen.)

WSIS noch immer kompromisslos

Keine Einigung bei der dritten Vorbereitungskonferenz.

Es ist irrsinnig schwierig, den Weltgipfel zur Informationsgesellschaft (WSIS) aus der Ferne zu verstehen, aber auch aus der Nähe scheint es nicht einfacher zu sein. Zum letzten Stand der Dinge nach der dritten Vorbereitungskonferenz empfehle ich die Website der Heinrich-Böll-Stiftung, insbesondere Debate Over Internet Governance Gets to the Core (29.09.) und PrepCom closes in Disarray (30.9.).

Spannend ist auch, wie sich ICANN-Kenner Bret Fausett in seinem Blog und Podcast einen Reim auf WSIS zu machen versucht. Er zeigt jedenfalls deutlich die Perspektive der US-Regierung auf: „The United Nations will not be in charge of the Internet. Period.“ (Und da bin auch ich eher auf Seiten der USA als auf der Irans, Brasiliens und Indiens.)

WSIS: Viel Lärm um wenig?

Monika Ermert berichtet von Prepcom-3.

WSIS-Logo mit Fragezeichen

Je länger der WSIS-Prozess dauert, desto mehr verfestigt sich bei mir der Eindruck, man hätte Geld und vor allem Energie sinnvoller investieren können. Monika Ermert berichtet für Heise Online über die dritte Vorbereitungskonferenz der zweiten Phase (nicht lachen!). Nach der finalen Konferenz in Tunis Mitte November wollen die USA, aber auch viele andere Regierungen den WSIS-Prozess für abgeschlossen erklären, schreibt Ermert. Einer Einigung beim Streitthema Internet Governance scheinen die Gruppen noch immer nicht näher.

Gezähmte Macht im Netz

ICANNs Antwort auf den WGIG-Bericht

ICANN hat auf den Abschlussbericht der UN-Arbeitsgruppe Internet Governance WGIG für den Weltinformationsgipfel WSIS mit einem 21-seitigen Statement geantwortet. Zur Rolle der US-Regierung beim Autorisieren von Änderungen an der Rootzonen-Datei (die die Domainendungen enthält) schreibt ICANN: „The transparency of the arrangements, coupled with the value system of the Internet’s stakeholders, is such that neither the US or any other government, nor any individual, organisation, nor group of organisations, is able, either now or in the future, to abuse the editing function of the root zone file.“

Bei aller Kritik an der US-Sonderrolle ist da viel Wahres dran — es handelt sich hier um gezähmte Macht. Spielen wir dazu mal dem völlig hypothetischen Fall durch, dass die US-Regierung wegen irgendeines Streits die Streichung des .de-Eintrags aus der Rootzonendatei beschließt. Erstens hätte ich größte Zweifel daran, dass die gegenwärtigen Betreiber der Rootserver dem folgen würden. Mindestens einige, wenn nicht alle, würden bis zu einer Klärung des Streits beim Status quo bleiben. Zweitens hätte ich keinen Zweifel daran, dass sich andernfalls Deutschlands Wirtschaft, Staat und Wissenschaft innerhalb von Stunden zusammenfinden würden, um ein alternatives Rootserversystem aufzusetzen und damit den Schaden im niedrigen Millionenbereich zu belassen. Der technische Betrieb eines Rootservers ist schließlich weder Geheimnis noch Wunderwerk.

In einem solchen Missbrauchsfall verlören die USA also blitzschnell ihre Sonderstellung. Der konstruierte Fall sähe allerdings möglicherweise anders aus, wäre eine weitaus kleinere Top-Level-Domain ohne Lobby betroffen.

WGIG Report: Understanding it

The Working Group on Internet Governance final report is out.

The Working Group on Internet Governance (WGIG) has released its final report. For very quick readers: The report recommends a permanent forum for dialogue and presents four organizational models for global public policy development and oversight. It’s not exactly light reading, since it introduces no less than five new ghastly acronyms – GIC, IIC, GIPC, WICANN and GIGF – for a topic area which already is overcrowded with acronyms.

WGIG models illustration

To make the report easier to understand, I have created a two-page PDF illustration of the four models. Caveat! This is an inofficial attempt at visualizing the recommendations. The four models are only described very briefly in the report, so it may well be that the graphics do not match the WGIG members’ understanding of the models. (I’ll possibly change parts of the illustration as WGIG members explain the report in public over the next few days. If you find any errors, please let me know.)

Update: One of the WGIG members emphasized to me that the report calls for a forum for dialogue regardless of the four models. I have tried to make this clear by taking the forum out of the illustrations for models 2 and 4 and instead putting it at the top. (Thus: old version 0.1, new version 0.2)

WGIG website
WGIG report (PDF file, Word DOC)
Semi-official background report (Word DOC)
Press release (PDF file)
Reuters (Irwin Arieff): UN panel fails to agree on how to govern Internet
AP (Aoife White): U.N. Panel Presents 4 Internet Options
Heise Online (Monika Ermert): Mehr Regierungseinfluss in der Internet-Verwaltung
ICANN: Transcript of forum discussion on WGIG
U.S. Department of Commerce: Statement of Principles (2005-06-30)
Michael Geist: Working Group on Internet Governance Releases Report