BBC 3-in-1
Die Zukunft von BBC News.
Dass die BBC sparen muss und daher bis zu 1.800 Mitarbeiter gehen sollen, ist mittlerweile bekannt. Die spannende Frage ist, wie das insbesondere im Nachrichtenbereich passieren wird.
Bei BBC News sollen nach offiziellen Angaben 475 bis 490 Planstellen gestrichen werden, zugleich entstehen neue 120 Stellen. Somit werden netto 355 bis 370 der derzeit 3.000 Arbeitsplätze abgebaut.
Wie sieht BBC News bislang aus?
- Newsgathering kümmert sich als Dienstleister für alle Sendungen und Programme um die Berichterstattung. Zu dieser Abteilung zählen die Korrespondenten im In- und Ausland und ihre Teams. Natürlich haben die einzelnen Sendungen auch Journalisten, die selbst berichten, aber Newsgathering liefert einen Großteil dessen, was am Ende in den Nachrichten zu sehen ist. (2004: 700 Beschäftigte)
- Television News produziert vor allem die Nachrichtensendungen auf BBC 1, das Frühstücksfernsehen und die Nachrichtenkanäle fürs Inland (BBC News 24) und fürs Ausland (BBC World).
- Radio News liefert die Nachrichtensendungen für die meisten BBC-Radiokanäle, ausgenommen Radio 1 und die regionalen und lokalen Nachrichten. (2004: 750 Beschäftigte)
- News Interactive, das sind die Onliner. Diese Abteilung ist zuständig für die Website von BBC News, für Teletext, SMS, E-Mail und verwandte textbasierte Nachrichtendienste.
- Television Current Affairs ist für den etwas längeren Atem im Fernsehen zuständig. Die BBC-1-Sendung Panorama ist das Flaggschiff des Zeitgeschehens, bekannt für investigative Recherche, Auslandsreportagen liefert This World auf BBC 2.
- Radio Current Affairs ist das Gegenstück im Hörfunk, mit File on 4 bei Radio 4 als Flaggschiff.
- Political Programmes ist in unmittelbarer Nähe des Palace of Westminster angesiedelt und, wenig überraschend, zuständig für Programme wie Question Time, The Westminster Hour und den Parlamentskanal BBC Parliament.
- News Production Facilities kümmert sich um die technische Produktion.
Wie wird umorganisiert?
- Newsgathering bleibt eine eigene Abteilung und muss auch sparen, aber etwas weniger als der News-Bereich insgesamt.
- Political Unit: Auch für die Westminster-Truppe liegt das Sparziel etwas unter dem Durchschnitt.
- Newsroom: Hier fliegen die Späne. Aus drei News-Abteilungen wird eine, die die Nachrichten für Fernsehen, Radio und Netz produziert. Der in Sachen BBC gewöhnlich gut informierte Guardian nennt Zahlen: 40 Prozent der Redakteure auf der Stufe Editor und 20 Prozent auf der Stufe Assistant Editor müssen gehen; ebenso 20 Prozent der Senior Producer und 5 Prozent der Producer. Und da sind die neuen Stellen wohlgemerkt schon eingerechnet.
- News Programmes ist für die Sendungen aus dem Bereich Zeitgeschehen zuständig, sei es Radio oder TV. BBC-News-Chefin Helen Boaden hat die TV-Journalisten dort schon gewarnt, dass es über den Kernbereich mit Panorama, This World und Co. wenig Gelegenheit geben wird, als Abteilung zu glänzen.
- News Production Facilities: Ohne die Technik geht natürlich nichts.
Was bedeutet das?
Der stärkste Einschnitt ist die trimediale Zusammenlegung der Abteilungen Radio-, TV- und Onlinenachrichten zum Newsroom. Im besten Fall ist das der natürliche Schritt: Weg mit den physischen und organisatorischen Wänden, die den Iran-Experten vom Fernsehen, den vom Radio und den von Online voneinander trennen. Weniger doppelte Interviewanfragen, mehr Arbeitsteilung, damit Zeit für Hintergrundrecherche und multimediale Umsetzung.
Ein Worst-case-Szenario gibt es natürlich auch: Das Fernsehen macht alles platt. Das ist die reale Sorge, die schon jetzt in der BBC bei Radio und Online umherschwirrt. Beim Guardian fragt Jemima Kiss, ob Online-Nachrichten nicht eine eigene Abteilung verdienen, verlangen oder brauchen. BBC-Online-Pionier Kevin Anderson, der zum Guardian gewechselt ist, bezeichnet in seinem Blog das Ende der Abteilung News Interactive als „systematic dismantling and destruction of a site and a staff that has helped lead the way in online and interactive journalism“. Jeder im Television Centre kenne die Hackordnung: Fernsehen vor Radio, Radio vor Online.
BBC-News-Direktorin Boaden benennt immerhin die Bedenken: „I can also see why Online and Radio fear a Television takeover given the power of TV in the dynamics of any newsroom.“ Schließlich steht an der Spitze der neuen Abteilung Newsroom der bisherige TV-News-Chef Peter Horrocks. Um den Konflikt zu entschärfen, soll die Rolle des „Multimedia Day Editor“ entstehen: TV-, Radio- und Online-Redakteure wechseln sich dabei an der journalistischen Spitze des Newsroom ab.
Was wären Alternativen gewesen?
Aus dem BBC-News-Lager kam die Forderung, nicht überall mit dem Rasenmäher zu kürzen, sondern lieber einen drastischen Einschnitt zu machen, nämlich die Blobs nach Hause zu schicken und BBC 3 zu schließen. Selbst wenn man nur auf die Digitalhaushalte schaut, hat der 2003 gestartete Kanal viel weniger Zuschauer als BBC 1 und 2 — aber er hat eine wichtige Funktion: junge Zuschauer an die BBC zu binden, mit Programmen wie Little Britain, Family Guy oder Torchwood. Mit den Flaggschiffen des investigativen Journalismus auf BBC 1 oder Radio 4 erreicht die BBC problemlos ein gebildetes, englisches, älteres Publikum. Aber wenn die BBC die jungen und weniger gebildeten Zuschauer Sky und Konsorten überlässt, stehen die Chancen mittelfristig auch für die Informationsprogramme schlecht.
Die erste Integration ist es ja nicht, wie ein Blick auf die Trailer der drei BBC-Nachrichtensendungen Ende der Achtzigerjahre zeigt: One O’Clock News, Six O’Clock News und Nine O’Clock News waren damals nicht nur visuell drei Welten. Die drei Sendungen verstanden sich als eigenständige Institutionen, jede mit ihrer eigenen Persönlichkeit, wie Martin Lambie-Nairn schreibt. Heute wirkt das bizarr und verschwenderisch, und vielleicht sieht die Trennung in TV, Radio und Online in ein paar Jahren rückblickend ähnlich merkwürdig aus. Auf dem Papier macht die Integration journalistisch und finanziell Sinn; bleibt also nur die Frage, ob sie gelingt.
Kleiner Nachtrag: „Any normal organisation should be able to reduce its establishment by 8% without treating it – and reporting it – as the demise of the British empire.“ Findet Simon Jenkins.
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