Gemischtes

Meme, Klickzahlen, Lächelzettel, Überschriften.

Yeaahh! in den Tagesthemen

Frankfurter Allgemeine, Süddeutsche und jetzt auch noch die Tagesthemen: Damit ist die Formulierung „und alle so: yeaahh!“ wohl für die absehbare Zeit verboten.

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Ich hatte noch gar nicht bemerkt, dass die Nutzungszahlen (Visits und PI) der ARD-Onlineangebote jetzt im Netz zu finden sind.

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Warum man niemanden von schräg hinten auf den Zettel gucken lassen sollte, während man sich auf ein Fernsehduell vorbereitet, zeigt dieses Foto: Ralf Stegner hat sich nur zur Sicherheit aufgeschrieben, dass er lächeln sollte.

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Die Überschriften sind hier jetzt schöner, oder? Die Schrift ist Jos Buivengas Fontin Sans Small Caps aus dem Hause exljbris, eingebaut mittels @font-face.

Zeitung als Zugang

Dirk von Gehlens Krisen-Thesen.

Eine Zeitung ist mehr als die Summe ihrer Artikel — jetzt.de-Redaktionsleiter Dirk von Gehlen hat darüber nachgedacht, wie dieses Mehr auch oder erst recht ins Netz gelangen kann. Dass sich Nachdenken darüber auch finanziell lohnen kann, finde ich (als zahlender Premium-Nutzer von Flickr und Vimeo) äußerst plausibel.

Akten für alle

Crowdsourced Journalism beim Guardian.

Wer sehen will, wie eine großartige Zeitung ihre Leser einspannen kann, um riesige Datenmengen zu durchforsten, findet beim Guardian ein grandioses Beispiel. Die Spesenabrechnungen der britischen Parlamentarier, die seit Wochen für Schlagzeilen sorgen, sind von der Parlamentsverwaltung eingescannt und veröffentlicht worden. Insgesamt sind es rund 700.000 Dokumente. Der Guardian hat eine Website, mit der dem Nutzer ein zufällig ausgewähltes Dokument angezeigt wird, das er bewerten soll: Handelt es sich um ein Spesenformular oder eine Rechnung? Ist das Dokument spannend, unwichtig oder bereits bekannt? Die Nutzer sollen sogar die Daten von der Rechnung in ein Textfeld eintippen. Wer mag, kann sich statt eines zufällig ausgewählten Abgeordneten auch direkt seinen eigenen Parlamentarier vorknöpfen.

guardianmps

Warum machen Nutzer das? Weil es bei wenigen Dokumenten wenig Mühe macht, weil Detektivarbeit Spaß macht und weil der Nutzer sich womöglich an der Aufdeckung eines Skandals beteiligt. Warum macht die Zeitung das? Weil es die eigene Arbeit durch Vorsortierung erleichtert, weil es die Leser begeistert und weil es die Zugriffe auf das Onlineangebot steigert. Ein Gewinn für beide Seiten.

Nachtrag: Wie die Anwendung entstanden ist und was bislang entdeckt wurde.

Nachtrag: Im Vorfeld hatte nur der Telegraph die Spesen-Akten zugespielt bekommen und daraus Tag für Tag ein Titelthema gewonnen. Milo Yiannopoulos schrieb am 2. Juni: „I’d like to see a ‚messy‘ collective of Kool-Aid slurping Wikipedians conduct the sort of rigorous analysis necessary for the Telegraph’s recent MPs‘ expenses investigation. Can you imagine social media achieving anything like it? Of course you can’t: great journalism takes discipline and training (…)“ Mittlerweile haben beim Guardian übrigens 20.000 Nutzer 160.000 Seiten untersucht.

Kartenstolz

Abendblatt.de nach dem Relaunch.

Ein neues Angebot im frisch renovierten abendblatt.de: „Der interaktive Stadtplan des Hamburger Abendblattes ist Ihre virtuelle Karte der Hansestadt. Und damit Sie sich noch besser zurechtfinden, gibt es auch gleich die Satellitenbilder zu den Karten.“ Toll, oder? Und die Macher von abendblatt.de haben sich sogar die Mühe gemacht, in ihrem interaktiven Stadtplan die weiteren Außenbezirke Hamburgs zu berücksichtigen:

Abendblatt-Stadtplan zeigt New York

Bevor jemand fragt: Es ist natürlich völlig in Ordnung, Google Maps in eigene, auch kommerzielle Onlineangebote einzubinden. Google erlaubt das ja ausdrücklich. Es ist nur ein bisschen lahm, die Stadtplan-Funktionalität von Google Maps einfach zu übernehmen, ohne die Karten mit eigenen Daten und Features aufzuwerten. Und angesichts der Debatten über den Respekt vor dem geistigen Eigentum, an denen sich auch das Haus Springer beteiligt, ist es eine Spur perfide, das alles als Abendblatt-Stadtplan zu verkaufen.

Löblich ist ja im Prinzip auch, dass Karten direkt in Artikel eingebunden werden, etwa um den Standort eines Kinos anzuzeigen. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass Cinemaxx Dammtor und Streits Filmtheater nicht mitten in der Außenalster liegen und sich das Alabama-Kino nicht im Stadtpark befindet.

Karte mit Cinemaxx-Marker in der Alster

Abendblatt.de sieht nach dem Relaunch deutlich aufgeräumter aus. Die aggressiven Popup- und Overlay-Werbeformen beschädigen diesen Eindruck allerdings schnell wieder, und an manchen Ecken hapert es ziemlich bei der Qualität. Bei den Videos mischt das Abendblatt Filme des privaten Lokalsenders Hamburg 1 und des holländischen Lieferanten zoom.in. Zoom.in wiederum bedient sich mal aus AP-Material, mal aus Kinotrailern — und mitunter gelangt ziemlich Abseitiges („Mann wächst Tanne in der Lunge“) ins Abendblatt-Videoangebot. Gehören Bildergalerien mit den Themen „Der schönste Po der Welt“ und „Boxenluder der Formel 1“ wirklich auf die Startseite eines regionalen Nachrichtenangebots? Eine andere Bildergalerie auf der Startseite porträtiert eine Castingshow-Kandidatin und beginnt mit diesen Worten:

Andere mögen sie nicht, meinen sie sei eine 'Zicke', die alle macht, um berühmt zu werden.

(Ich finde übrigens auch keinen nicht-bösen Grund, warum „Traueranzeigen“ in der Navigation unter „Gewusst wo“ eingeordnet werden. Aber das nur am Rande.)

Nebentribüne

Herald Tribune verliert eigenen Webauftritt.

Dass gedruckte Zeitungen ins Netz verschwinden, ist schon vorgekommen. Die in Paris erscheinende International Herald Tribune verschwindet dagegen gerade weitgehend aus dem Netz.

Die komplizierte Vorgeschichte im Zeitraffer: Zwei konkurrierende New Yorker Blätter, eine davon mit einer Ausgabe in Paris (seit 1887), fusionieren zur Herald Tribune (1924), die aber den Wettbewerb gegen die New York Times verliert, sich kurzzeitig mit drei weiteren Zeitungen zusammenschließt (1966), dann aber in New York aufgibt (1967). Die europäische Ausgabe überlebt, gehört lange Zeit New York Times und Washington Post gemeinsam (bis 2002), seit dem Ausstieg der Post trägt sie den Untertitel „Global Edition of the New York Times“.

An diesem Montag folgt ein Redesign-Doppelschlag für die gedruckte Zeitung und den Onlineauftritt:

International Herald Tribune

Das Blatt, das schon 2008 sein wunderschön altmodisches Dingbat im Zeitungskopf verloren hat, wird jetzt noch deutlicher als International Herald Tribune betitelt. Die Printausgabe ist in Zusammenarbeit mit den New Yorker Kollegen von der Times umgestaltet worden, und wie seit einigen Jahren bei der Times regiert dort jetzt die Schrift Cheltenham.

Global Edition New York Times - with the International Herald Tribune

Die Website iht.com ist verschwunden, an ihre Stelle tritt global.nytimes.com, bei der die Herald Tribune nur noch im Untertitel stattfindet. Nur wer über die alte Adresse iht.com gekommen ist, landet dank eines Cookies auf einer Startseite mit prominentem Herald-Tribune-Schriftzug. Die Website iht.com war einmal sehr innovativ, mit dreispaltigem Artikellayout und einer Merkfunktion, als das noch kaum einer hatte. NYTimes.com und die neue Global Edition unterscheiden sich dagegen nur auf wenigen Übersichtsseiten, die in der Navigation mit zartem Gelb unterlegt sind.

Dass die Herald Tribune im Netz nur noch am Rande auftritt, wird der Print-Marke sicher nicht helfen, auch wenn die Pressemitteilung von einem „powerhouse for high quality global news“ schwärmt. Immerhin hat die Zeitung ihren Platz in der Geschichte schon lange gesichert — dank Jean Seberg.

Nachtrag: Thomas Crampton: Reporter to NY Times Publisher: You Erased My Career (via)