Polizeihunde-Futter

Hartz IV, Twitter und quellenlose Statistiken.

In Diskussionen um die Hartz-IV-Regelsätze dauert es meist nicht lang, bis jemand behauptet, Polizeihunden würde mehr Geld für Verpflegung zugebilligt als Hartz-IV-Empfängern. (Beispiele: Twitter, Plakat-Foto.)

Eine Quelle habe ich bei all diesen Erwähnungen nicht finden können. Es gibt aber ein Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts von 2009, das sich – am Rande – mit den Futterkosten von Polizeihunden beschäftigt: „Die vom Kläger getragenen Futterkosten für den Diensthund schätzt der Senat (..) auf 2,00 € pro Tag, also auf 730 € pro Jahr.“ (FG Niedersachsen, 29.07.2009 – 14 K 20/08). Die Richter verweisen auf einen Thüringer Erlass von 1992, in dem nicht nur Futter, sondern auch weitere Aufwendungen rund um die Diensthunde-Haltung mit 2,45 Euro abgegolten werden. Der Hartz-IV-Regelsatz für Nahrungsmittel und Getränke ist demnach mehr als doppelt so hoch wie die Futterkosten für einen Polizeihund.

(Bevor die Proteste kommen: Natürlich sagen diese Zahlen nichts über die Angemessenheit der Hartz-IV-Sätze. Aber dafür vielleicht etwas über das Retweeten quellenloser Statistiken.)

Nachtrag: Über Facebook (danke Andrej!) erreicht mich der Link zur Diensthundehaltungs-Aufwandsentschädigungsrichtlinie (!) der Bundespolizei (PDF-Dokument). Demnach bekommen Diensthundführer, die der Bund bezahlt, für Hundefutter 1,91 Euro pro Tag und für Beifutter und Pflegemittel weitere 0,69 Euro pro Tag. Das scheint in etwa die Größenordnung auch in den Ländern zu sein: Für Futter und andere Aufwände zusammen zahlt Brandenburg 2,20 Euro pro Tag (Quelle: Innenministerium), Schleswig-Holstein 2,33 Euro pro Tag (Quelle: Hamburger Abendblatt) und Hessen 2,63 Euro pro Tag (Quelle: Staatsanzeiger/PDF-Dokument).

Ein bisschen Daten

Der Eurovision Song Contest, ausgerechnet.

Das europaweite Statistikfest ESC naht: Während Google zeigt, wie sich aus Millionen von Suchanfragen eine relativ sinnfreie Prognose basteln lässt, machen sich die Zahlengrafiker von 4=1 lieber mit einem 544-zeiligen Spreadsheet an die Auswertung der letzten 20 Jahre. Was ist dran an der Ostblock-Verschwörung, an der Skandinavien-Mafia, am griechisch-zyprischen Komplex und der frankophonen Allianz? Joachim Gola rechnet nach. (Via The Maastrix und Mittagessen an der Alster.)

(La entrañable transparencia: Der ESC ist eine Sendung des NDR. Der NDR ist mein Arbeitgeber, dies hier ist mein privates Blog.)

Zahlensender

Statistik in den Medien.

Im ersten Moment klingt es wie eine atemberaubend schlechte Idee: eine Radiosendung über Statistik.

More or Less bei BBC Radio 4 stellt aber spannende Fragen: Wie aussagekräftig sind Schulrankings, Inflationsraten oder klinische Studien zu Antidepressiva? Was sagen Studien zur Videoüberwachung aus, wie berechnet die Polizei den Straßenverkaufswert von Drogen? Stimmt es, dass heute mehr Menschen auf der Erde leben als je gelebt haben?*

Der Erfinder der Sendung, Michael Blastland, hat „The Tiger That Isn’t“ geschrieben, ein Buch über Zahlen in den Medien. Ein paar Aspekte daraus tauchen jetzt in einer Sommerserie bei BBC News im Netz auf. Online sind bislang die ersten drei Artikel: What the survey didn’t say…, The myth of counting und Putting percentages in context.

*Nein, es stimmt nicht.

Mehr zu More or Less:

Faktenbilder

Visualisierte Daten zur Lage der Welt.

Eine Empfehlung: Diese fantastische Präsentation anschauen, in der Prof. Hans Rosling mit visualisierten Daten zeigt, wie sich die Welt verändert und warum Aussagen über ganze Regionen so häufig Humbug sind.


Direktlink zu Google Video

Rosling ist Professor für Internationale Gesundheit in Stockholm und Mitbegründer von Gapminder, einer Organisation, die Software zur Visualisierung menschlicher Entwicklung her- und bereitstellt. (Er war 2006 auf den Konferenzen TED – von dort stammt das Video – und Le Web, mir ist seine Arbeit aber bislang völlig entgangen.)

Es wird noch besser: Mit dem Tool Gapminder World 2006 kann jeder selbst im Netz spielen.

Wer nach 20 Minuten Hans Rosling ebenfalls begeistert ist: Sein Sohn Ola Rosling hat im März 2006 einen einstündigen Vortrag bei Google gehalten. Es ist ein starkes Plädoyer dafür, Daten aus den propietären Datenbanken zu befreien und sie nicht in ein kartografisches Korsett zu zwingen. Visualisierte Fakten sind wichtig, sagt Rosling sinngemäß, da die Medienbilder unserer Welt viel zu oft Extremfälle zeigen und Tabellen langweilig sind.

Übrigens hat Google gerade die Gapminder-Software Trendalyzer gekauft. (Via MetaMedia entdeckt.)

Transparente Statistik

El País legt absolute Zahlen offen.

Mehr und mehr Onlinemedien zeigen dem Nutzer, welche Artikel offenbar am beliebtesten sind. Grafisch schön umgesetzt hat das die BBC: die am häufigsten angeklickten und weitergeleiteten Artkel nach Weltregionen, Themengebieten und Tagen sowie stundenweise.

Die spanische Tageszeitung El País geht einen Schritt weiter und zeigt auch die absoluten Zahlen. Unter den Artikeln befindet sich ein Link Estadísticas, der zu einer Seite wie dieser führt. Nacheinander führt elpais.es auf, wie häufig die Leser den Artikel bislang besucht (12.502 Mal), als Druckversion angezeigt (126 Mal), per Mail weitergeleitet (acht Mal) und empfohlen haben (drei Mal). Dazu wird in einem kleinen Diagramm angezeigt, wie sich die Besuche über den Tag verteilen.