Medien- und Netzpolitik im Wahlkampf

Ein Blick in die Wahlprogramme.

Dass Medien- und Netzpolitik für die meisten Wähler bei der bevorstehenden Bundestagswahl schlicht keine Rolle spielt, ist eine wenig überraschende Erkenntnis. Insofern habe ich sogar Verständnis dafür, wenn solche Themen an den Rand der Wahlprogramme gedrängt werden. Dennoch gibt es ja in den Parteien und Fraktionen Fachpolitiker, die die offizielle Haltung zumindest in ein paar Sätzen skizzieren können.
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Die ÖRs

WDR-Dossier zum Start des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Willy Brandts Hand beim Start des Farbfernsehens

Bei wdr.de gibt es ein Dossier zum Start des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, mit Bildern zur Geschichte des Fernsehens, Radios und des WDR-Internetangebots. Dazu gibt es eine Reportage-Box mit Äußerungen mehrerer Veteranen der ersten Stunde (unter anderem mit dem O-Ton einer Sekretärin, die bei der Schleyer-Entführung in der Tagesschau-Redaktion arbeitete).

BBC-Zugriffe am 7.7.

Statistiken zur Onlinenutzung am Tag der Londoner Anschläge

Die BBC hat ein paar Statistiken über die Nutzungen ihres Onlineangebots am Tag der Anschläge in London zusammengestellt. Dabei sind die Spitzenwerte erstaunlich und beeindruckend: 129.000 Leute, die gleichzeitig einen Audio/Video-Stream verfolgten. 40.000 Seitenabrufe pro Sekunde. Insgesamt strömten pro Sekunde 11,1 Gigabyte Daten von den BBC-Servern allein — dazu noch bis zu 3 Gigabyte vom US-Dienstleister Akamai.

Martin Belam arbeitet in der Abteilung Neue Medien bei der BBC und schreibt ausführlich in seinem Blog darüber. Ein Auszug: „I’m well aware that we have a new media budget most companies can only dream of, but I’m also well aware that it is spread across a lot of services, many of which are demonstrably not provided by the market. I didn’t see any of the other major broadcasters or news outlets in the UK yesterday doing what we did online.“

Infofreiheit ab 2006

Grünes Licht im Bundesrat.

Das Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes kann ab 1.1.2006 in Kraft treten: Der Bundesrat ruft den Vermittlungsausschuss nun doch nicht an, meldet Heise Online. Damit ist der Weg für ein überfälliges Gesetz frei, das den Bürgern Zugang zu Behördeninformationen verschafft. Aus den Drucksachen habe ich den Gesetzestext zusammengestellt und mit Links zu erwähnten Gesetzen versehen.

Mehr Informationen:
Das Informationsfreiheitsgesetz im Volltext
Wortfeld-Beiträge zum Thema
tagesschau.de-Dossier zur Auskunftspflicht
Gemeinsame Pressemitteilung von dju in ver.di, DJV, netzwerk recherche, Humanistische Union und Transparency International

Resozialisierung und Google

Was ist im Zeitalter von Google eigentlich noch Folgeberichterstattung?

Der „Soldatenmord von Lebach“ ist in die deutsche Rechtsgeschichte eingegangen: 1973 stoppte das Bundesverfassungsgericht die Ausstrahlung eines sendefertigen ZDF-Fernsehspiels über den Überfall auf ein Bundeswehr-Depot, bei dem vier Soldaten getötet wurden. Die „nicht mehr durch das aktuelle Informationsinteresse gedeckte Fernsehberichterstattung“ sei unzulässig, wenn sie die Resozialisierung des Täters gefährde (BVerfGE 35, 202). 1999 entschieden die Verfassungsrichter, Sat.1 dürfe einen Fernsehfilm über den Soldatenmord senden, in dem die Täter (anders als im früheren Fall) für Außenstehende nicht identifizierbar waren (1 BvR 348/98).

Was ist im Zeitalter von Google eigentlich noch Folgeberichterstattung? Namensnennungen in Rundfunk und Printmedien sind — mit wenigen Ausnahmen wie Archive und Aufzeichnungen — vergänglich, im Internet sieht das anders aus: Für den vollen Namen des mutmaßlichen „Sasser“-Urhebers gibt es nicht nur eine fünfstellige Google-Trefferzahl (das ist jetzt nicht als Maßstab für Relevanz aufgeführt, sondern als Maßstab für Auffindbarkeit). Für den vollen Namen gibt es sogar einen Eintrag in der deutsch- und der englischsprachigen Wikipedia. Und dabei ist er vermutlich bis einschließlich morgen nicht verurteilt und steht vor einer Jugendkammer. (Zur Erinnerung: Es gibt eine Richtlinie des Presserats für Berichte über Strafverfahren gegen Jugendliche, die besagt, dass „die Presse mit Rücksicht auf die Zukunft der Betroffenen besondere Zurückhaltung üben“ soll.)

Ich weiß, dass manche Online-Redaktionen Artikel „auf Wiedervorlage setzen“, also nach einer Weile prüfen, ob eine Meldung nicht wieder verschwinden sollte. Andere versuchen, von vornherein so zu berichten, dass die Meldung eine Person nicht identifizierbar macht — mit Ausnahme von bereits öffentlich bekannten Personen. (Nebenbei frage ich mich, welchen Gewinn ein Leser davon hat, den vollen Nachnamen selbst eines verurteilten Verbrechers zu kennen.)