Hamburgs Haltestellenschilder

Die Hochbahn testet neue Typografie bei der U-Bahn.

Das hier ist der Bonus-Track zu Deutschlands Bahnhofsschilder.

Erst hat die Deutsche Bahn an Hamburger S-Bahnhöfen neue Haltestellenschilder ausprobiert, jetzt wird auch die Hamburger Hochbahn experimentierfreudig: An ihren U1/U2/U4-Bahnsteigen am Jungfernstieg ist genau die Schrift im Einsatz, die die Bahn für ihre S-Bahnhöfe entworfen hat. Was an einem kombinierten S- und U-Bahnhof schon eine gewisse Logik hat. (Anklicken, um auf größeren Bildschirmen zu zoomen.)

Die Gestaltung dieser Schilder ist noch ein gewisser Mix: neue, linksbündig gesetzte Typografie und für die Ausgänge Buchstaben wie bei der S-Bahn. Auf den grünen Flächen für den Weg zum Ausgang kommen dafür die bisherigen Pfeile und die bisherige Schrift Myriad zum Einsatz. Wohin mich das Piktogramm mit dem Acht-Speichen-Asterisk (✳︎) führen soll, hat sich mir aber nicht erschlossen: Soll das zur wildesten Kreuzung im Jungfernstieg-Labyrinth weisen? Folgt man dem Zeichen, taucht es irgendwann einfach nicht mehr auf: wegweiserisch also noch Luft nach oben.

Zum Vergleich unten der Zustand vorher – so sehen die bisherigen Schilder an allen anderen U-Bahn-Stationen aus. Die Adobe-Schrift Myriad von Robert Slimbach and Carol Twombly ist eine akzeptable Wahl für Wegeleitsysteme, mit Wurzeln in Adrian Frutigers Schrift Frutiger für den Pariser Flughafen Roissy/Charles de Gaulle. Besonders raffiniert kann man die Gestaltung der bisherigen Schilder nun aber auch nicht nennen.

Hamburgs U-Bahn-Schilder damals

Von früheren Gestaltungen sieht man auf Hamburgs U-Bahn-Haltestellen inzwischen leider nur noch wenig, die Schilder sind ziemlich konsequent alle in Myriad. Dabei hätte das frühere Schild am Klosterstern durchaus in die kalifornische Schriftenwelt der 1990er gepasst.

Andere Schilder hatten mehr Glück: An der Sierichstraße hängen weiterhin Emailleschilder in weißer Engschrift auf schwarzem Grund. An der Mundsburg ist die alte Schrift nur noch außen auf der Rückseite zu sehen, auf den Bahnsteigen selbst sieht man nur aktuelle Schilder.

Aber jenseits solch besonderer Schildkunstwerke sahen die Schilder auf Hamburgs U-Bahn-Haltestellen lange Zeit genau so aus wie bei der S-Bahn oder der Bundesbahn: geometrisch konstruierte Großbuchstaben nach dem Bundesbahn-Schriftmuster (heute oft als Bahn-Futura oder Bahnhofs-Futura bezeichnet).

Als Haltestellenschilder tauchen sie inzwischen nur noch bei Sanierungsarbeiten zufällig auf, im verwitterten Lost-Places-Look. Aber an vielen kleinen Stellen lebt die Nicht-ganz-Futura auch in Hamburg weiter.

Als die Bundesbahn-Ära endete, gab es bei der Hamburger U-Bahn eine ganz schlimme Zwischenphase, in der vereinzelt Haltestellenschilder in Arial ohne erkennbaren Gestaltungswillen auftauchten. Die Phase ging glücklicherweise schnell vorbei.

Auch später hätte es schlimmer kommen können: Der Hamburger Verkehrsverbund hat sich 2021 ein knalliges Redesign verpassen lassen, mit einem >hvv-Logo und der Sharp Grotesk als Schriftfamilie. Damit ist die Wahl leider auf eine Schriftfamilie gefallen, die weder für längere Texte taugt noch für… alles andere, was man schnell und unter schlechten Lichtverhältnissen erfassen will.

"Sharp Grotesk: frisch, aber leicht verderblich" in zwei Schnitten der Schrift Sharp Grotesk

Leider nutzt der HVV weiterhin Sharp Grotesk für seinen Netzplan, und im Oktober 2021 gab es sogar einen Versuch, mit dieser Schrift Haltestellenschilder am Stephansplatz zu gestalten. Zum Glück blieb es bei misslungenen Experimenten:

Die Schrift hat zwar sehr viele Schnitte, universell einsetzbar wird sie dadurch trotzdem nicht. Auch nicht bei den Fähren der Hochbahn-Tocher Hadag, wo sie für die Anlegerschilder im Einsatz ist.

Damit fehlt in der Hamburger Haltestellen-Welt nur noch die AKN: Was machen die orangefarbenen Linien im Norden? Kurze Reise zur Haltestelle Ulzburg-Süd, an der sich A1, A2 und A3 treffen:

Tja. Das Schild ganz oben sieht nach der Bundesbahn-Schrift von 1957/1961 aus – ist es aber nicht, sondern Futura. In der Mitte ist ein Schild, das mit dem verblassten blauen Rand an die Bundesbahn-Helvetica-Optik von 1987 erinnert – ist es aber nicht, sondern Arial. Die Schrift unten schaut wie die Wegeleitschrift DB WLS der Deutschen Bahn aus.

Die AKN hat sich also entweder für die friedliche Koexistenz aller Gestaltungsoptionen entschieden oder ist einfach sehr sparsam, was neue Schilder angeht. You do you, Ulzburg-Süd!

Deutschlands Bahnhofsschilder

Das neue Wegeleitsystem der Deutschen Bahn.

Wenn die Bahn ausgerechnet in meiner Stadt einen typografischen Versuchsballon startet und es nicht groß ankündigt, sondern einfach mal schaut, ob jemand was merkt, dann nehme ich dieses Geschenk natürlich gern an und puste die Staubschicht von diesem Blog! Es geht immerhin um die Gestaltung der 5.400 Personenbahnhöfe, die fürs Land so prägend ist wie gelbe Briefkästen und blaue Autobahnschilder in DIN-Typografie.

Im November 2023 ging es los an 20 Hamburger S-Bahn-Stationen. Als ohnehin das Liniennetz umgekrempelt wurde, tauchten plötzlich Schilder auf, die anders waren als das, was an Deutschlands Bahnhöfen sonst steht und hängt (anklicken, um auf größeren Bildschirmen zu zoomen):

Die drei Schilder sind mit gutem Grund ein bisschen unterschiedlich: An der S-Bahn-Haltestelle Barmbek mit zwei Ausgangsbereichen muss das Schild weniger Orientierung liefern als am Kategorie-1-Bahnhof Hamburg Hauptbahnhof, wo ankommende Reisende in alle möglichen Verkehrsmittel umsteigen können.

Denn um Orientierung geht es eigentlich, nicht bloß Bahnhofsnamen. Wer Wegeleitsysteme gestaltet, muss mit Tafeln und Farben, Symbolen, Markierungen, Nummerierungen, Pfeilen und Displays dafür sorgen, dass alle überall hin finden, nicht zuletzt: raus. So ein System bemerkt man daher oft nur, wenn es seinen Job nicht gut macht und man daran scheitert. (Menschen in Hamburg kennen inmitten des komplexen U- und S-Bahnhofs Jungfernstieg den Blumenladen in einem Tunnel, an dessen Schaufenster ein Schild KEINE AUSKUNFT steht.)

Eigentlich hat die Bahn ja schon eine andere Hausschriften-Familie – die ausgezeichnete DB Type von Erik Spiekermann und Christian Schwartz (2005). Dieser Schrift nutzt sie aber nur für ihr Unternehmen und für den Personen- und Güterverkehr, den sie anbietet. Seit den Bahnreformen ist die Infrastruktursparte (die heutige DB InfraGO) ja Gastgeberin für mehrere Verkehrsunternehmen, nicht nur für Konzerntöchter der Deutschen Bahn. Das hat auf den Bahnhöfen eben auch typografische Folgen.

Kleine Reise in die Vergangenheit

Vor dem Blick auf die Umgestaltung springen wir aber erst zurück ins Bundesbahn-Zeitalter: Ende der 1950er-Jahre begann sie damit, die Schilder von Bahnhof zu Bahnhof im Westen Deutschlands gleich zu gestalten – in schwarzen, geometrischen Großbuchstaben auf weißem Grund.

Albert-Jan Pool hat bei Flickr Schilderbilder gesammelt, auf denen diese Schrift im Einsatz ist – heute nennen viele sie Bahn-Futura oder Bahnhofs-Futura, auch wenn es sich nicht um die Futura handelt. Nicht nur für Hamburg gilt: So ganz ist sie bis heute nicht aus dem Stadtbild verschwunden.

In der DDR scheint es weniger einheitlich zugegangen zu sein, wenn ich mir Video-Aufnahmen von 1990 anschaue – mit Variationen auch innerhalb eines Bahnhofs. Am häufigsten sieht man Schilder in einer Schrift, die auf die Preußische Staatseisenbahn zurückgeht und daher auch in der Bundesrepublik Spuren hinterlassen hat.

Ab 1987 ging es bei der Bundesbahn im Westen weiter mit blau umrahmten Schildern mit Beschriftung in Helvetica (Entwurf von Benno Keysselitz). Laut Sammelband Design & Bahn war das Redesign-Projekt damals auf 16 Jahre (!) ausgelegt, eine ganze Langzeit-Kanzlerschaft also.

Und dann kam alles anders: Bundesbahn und Reichsbahn fusionierten 1994, und die Deutsche Bahn AG machte sich auf den Weg von der allumfassenden Staatsbahn zu einer Holding mit Tochterunternehmen.

1996 ließ die Bahn ein neues Wegeleitsystem entwerfen, Henning Krause entwickelte dafür die Schrift DB WLS, die bewusst nah an der Helvetica bleiben sollte. Diese Nähe ist auch gelungen – die Beschilderung auf blauem Grund sieht professionell aus, dafür aber auch etwas nüchtern-blutleer. Dass die Pfeile eine abgetrennte Spitze haben, ist schon der maximale Exzess.

Die Neugestaltung im Hamburg-Test

Damit also in die Gegenwart und Zukunft: Die neuen Schilder – weiterhin in weißer Schrift auf dunkelblauen Hintergrund – hat die Deutsche Bahn erst vor allem bei der Hamburger S-Bahn aufgehängt. Nach und nach wechselte die Beschilderung aber auch an anderen Stellen am Hauptbahnhof und am Dammtor.

Was ist denn überhaupt neu an den Schildern? Am augenfälligsten ist, dass die Ausgänge und Ausgangsbereiche jetzt Buchstaben bekommen haben, denen man folgen und die man kommunizieren kann – so wie es in den U-Bahnen von London und Paris lange üblich ist. (Der Jungfernstieg hat dagegen laut Tunnelplan-PDF 22 Ausgänge mit so hilfreichen Namen wie Ballindamm, Ballindamm/Alster, Alstertor/Ballindamm, Ballindamm/Bergstraße und Bergstraße. Eine umweglose Durchquerung direkt zum Ziel ist immer wieder ein Erfolgserlebnis.)

Neu ist aber auch die Schrift auf den Schildern und seit März 2024 auf bahnhof.de. Sie trägt dort den Namen Arrow (zwischenzeitlich hieß sie ganz minimalistisch Bf, so wie Bahnmenschen eben Bahnhöfe nennen). Leicht ist ihre Aufgabe nicht: Sie wird flüchtig gelesen, bei nicht immer optimaler Beleuchtung, womöglich im Umsteigestress, und die Arrow meistert all das hervorragend. Aber sie muss ja nicht nur lesbar sein, sie gestaltet auch die Bahnhöfe. Wacher, freundlicher, mit einer Prise Individualität – eine Schrift von heute, aber nicht so modisch, dass sie in fünf Jahren schon wieder passé wirkt.

Zum Werkzeugkasten eines Wegeleitsystems gehört natürlich noch mehr – von den Farben über das Raster, auf dem sich alles anordnet, bis hin zu den Piktogrammen etwa für Aufzüge und Toiletten, Flughäfen und Theater. Die elektronischen Abfahrt-Displays zeigen Zeiten und Ziele übrigens in der erwähnten anderen Hausschrift DB Type an – nicht komplett logisch, aber kann ja noch werden.

Fazit gut ein Jahr nach der ersten Sichtung: Ich freu mich immer noch über jedes neue Schild, das ich entdecke. Von mir aus kann das Design nach dem Hamburg-Test auch anderswo an den Start gehen, dann vermutlich nicht auf einen Schlag, sondern – Pardon! – Zug um Zug.

(Bonus Track: Auch die Hamburger Hochbahn testet die neue Typografie.)

Transparenzfeeds

Hamburger Dokumente abonnieren und verfolgen.

Das bereits erwähnte Transparenzportal Hamburg bietet auf der Website nur einen einzigen RSS-Feed an, der kaum zu verfolgen ist, weil dort Unmengen von Dokumenten zu allen möglichen Themen landen. Das Portal beruht aber auf der Software CKAN, die ohnehin für jede Kategorie Feeds anbietet. Diese Feeds habe ich mittels IfThisThenThat zu Twitter umgeleitet.

Wer sich dafür interessiert, kann also per Feedreader oder per Twitter verfolgen, welche neuen Dokumente und Datensätze im Transparenzportal landen.


Bevölkerung
Feed | @TH_Bevoelkerung | Frequenz: sehr niedrig
Inhalte: z.B. Bevölkerungsentwicklung, Stadtteilprofile

Bildung & Wissenschaft
Feed | @TH_Bildung_Wiss | Frequenz: niedrig
Inhalte: z.B. Bildungspläne, Schülerzahlen, Dienstleistungsverträge mit Bildungseinrichtungen

Geografie, Geologie & Geodaten
Feed | @TH_Geodaten | Frequenz: niedrig
Inhalte: z.B. Digitale Karten, Luftbilder, Bodenflächenstatistiken

Gesetze & Justiz
Feed | @TH_Gesetze | Frequenz: niedrig
Inhalte: z.B. Dienstanweisungen, Allgemeinverfügungen, Geschäftsverteilungspläne

Gesundheit
Feed | @TH_Gesundheit | Frequenz: niedrig
Inhalte: z.B. Gesundheitsstatistiken, Gutachten

Infrastruktur, Bauen & Wohnen
Feed | @TH_Bauen_Wohnen | Frequenz: hoch
Inhalte: z.B. Bebauungspläne, städtebauliche Verträge, Wertgutachten, Umweltgutachten, Statistiken

Kultur, Sport & Tourismus
Feed | @TH_Kultur_Sport | Frequenz: niedrig
Inhalte: z.B. Verträge, Daten zu Kultureinrichtungen, Gutachten, Tourismusstatistiken

Öffentliche Verwaltung, Haushalt & Steuern
Feed | @TH_Verwaltung | Frequenz: hoch
Inhalte: z.B. Verträge, Dienstanweisungen und Verwaltungsvorschriften, Organigramme

Politik & Wahlen
Feed (mit Bezirksdrucksachen, Frequenz: sehr hoch) | @TH_Politik (ohne Bezirksdrucksachen, Frequenz: sehr niedrig)
Inhalte: hauptsächlich Drucksachen der Bezirke

Soziales
Feed| @TH_Soziales | Frequenz: sehr niedrig
Inhalte: z.B. Verträge, Statistiken

Transport & Verkehr
Feed | @TH_Verkehr | Frequenz: hoch
Inhalte: z.B. Verträge zu Verkehrsprojekten, Verkehrsstatistiken, Gutachten

Umwelt & Klima
Feed | @TH_Umwelt_Klima | Frequenz: mittel
Inhalte: z.B. Gutachten, Verträge zur Energieversorgung, Statistiken

Verbraucherschutz
Feed | @TH_Verbraucher | Frequenz: sehr niedrig
Inhalte: z.B. Statistiken, Anordnungen

Wirtschaft & Arbeit
Feed | @TH_Wirtschaft | Frequenz: mittel
Inhalte: hauptsächlich Statistiken zur Branchenentwicklung

Noch ein Tipp für Spezialisten: Auch (einfache) Suchen lassen sich als Feed abonnieren — in folgender Form:
http://suche.transparenz.hamburg.de/feeds/custom.atom?q=Suchbegriff&sort=publishing_date+desc%2Ctitle_sort+asc

Straßenlärm to go

Hamburger Geodienste in Google Earth nutzen.

Ein kleiner Nachtrag zum Thema Transparenzportal Hamburg und Karten: So lassen sich die angebotenen Geodienste in Google Earth nutzen.

Als Beispiel nehme ich hier die Lärmkarte für Hamburg – so sieht das Endergebnis aus:

Lärmkarten-Overlay in Google Earth

Und so kommt man dahin: Eine Suche im Transparenzportal führt zum Datensatz Lärmkarten Hamburg. Dort geht es um den Link „Dienst WMS Straßenverkehr (Lärmkarten)“.

Dienste-Übersicht für die Lärmkarte

Die URL dieser Datei kopieren.

Die URL wird im Browser kopiert

In Google Earth schon mal in Richtung Hamburg begeben, ein neues Bild-Overlay hinzufügen und auf dem „Aktualisieren“-Reiter den Button „WMS-Parameter“ anklicken.

Aktualisieren-Reiter des Bild-Overlays bei Google Earth

Oben bei der Liste der WMS-Server auf „Hinzufügen“ klicken und jetzt die URL des WMS-Dienstes einfügen. Wichtig: die ganzen Parameter (also alles nach dem Fragezeichen) weglassen.

Die URL wird bei Google Earth eingefügt

Wenn alles klappt, sollten nun links die verfügbaren Ebenen erscheinen, von denen die gewünschten hinzugefügt werden können.

Ebenen der Karte werden ausgewählt

Gegebenenfalls die Transparenz des Bild-Overlays auf mittlere Deckkraft schieben, damit man vom Satellitenbild noch etwas sieht. Der Wert unter „Ansichtsgrenzenskalierung“ gibt an, ob der ganze Google-Earth-Ausschnitt (Wert 1) oder nur ein Teil davon (Default-Wert 0.75) überdeckt werden soll.

Ein wichtiger Hinweis: Wer damit Karten-Mashups herstellen möchte, sollten sich die Nutzungsbedingungen (in der WMS-XML-Datei zu finden) durchlesen. Im Falle der Lärmkarte: kostenfrei für die nicht-kommerzielle Nutzung, kommerzielle Nutzung nur mit schriftlicher Zustimmung des Landesbetriebs Geoinformation und Vermessung Hamburg.

Transparenztour

Ein Besuch im neuen Hamburger Transparenzportal.

Transparenzportal ist so ein Wort wie Kompetenzteam: Es erzeugt Fallhöhe, und ich sehe sofort einen deutschen Fernsehkabarettisten vor mir, der mich in einem Tonfall für Kleinkinder aufklärt, jaaaha, dass die wirklich wichtigen Dinge von denen da oben natürlich nie transparent gemacht werden, haha. Und schon fühle ich mich beflügelt, mal etwas zu loben: das Transparenzportal Hamburg.

Für Nicht-HamburgerInnen: Eine Volksinitiative von Mehr Demokratie, Transparency International und CCC Hamburg hat zu einem Transparenzgesetz geführt. Jetzt muss die Stadt Beschlüsse, Gutachten, Statistiken, Geodaten und vieles mehr veröffentlichen. Im Zentrum steht dabei ein Informationsregister im Internet – eben das besagte Transparenzportal, das am 1.10.2014 richtig an den Start gegangen ist.

Die neuesten veröffentlichen Inhalte gibt es übrigens auch als Feed. Derzeit sind die Behörden noch dabei, Hunderte Dokumente zu veröffentlichen. Wenn die Flut an Neuveröffentlichungen vorbei ist, kann man den Feed hoffentlich als JournalistIn prima nutzen.

Viele der Daten, die mich besonders interessieren, sind Geodaten. Ein typischer Suchtreffer sieht dann beispielsweise so aus:
Unterschiediche Dokumenttypen im Transparenzportal
Nicht abschrecken lassen, sondern auf den blauen KARTE-Button klicken, der zu Geo-Online Hamburg führt. (SpezialistInnen stürzen sich natürlich auf die Rohdaten, in diesem Fall strukturierte Textdaten im CSV-Format, Shapefile-Kartendaten und abfragbare Dienste: Web Features Service und Web Map Service.)

Ein paar Dinge, bei denen das Stöbern besonders Spaß macht, habe ich herausgesucht. (Ja, mir ist klar, dass einige dieser Daten schon vor dem Transparenzportal veröffentlicht wurden – aber gut zu finden sind sie erst jetzt.)

Straßenbaumkataster:
Der Baum gegenüber von meinem Fenster ist also eine 18 Jahre alte Stiel-Eiche (Quercus robur) mit einem Stammumfang von 54 cm und einem Kronendurchmesser von 5 Metern, und ja, natürlich hat die Eiche eine BAUM_ID. (Ja, deutsche Behörden sind gründlich.)

Denkmäler:
Was in Hamburg so alles unter Denkmalschutz steht: das U3-Viadukt am Hafen, der Fernsehturm, die vier Kandelaber der Adolphsbrücke und die Funkorgel von 1929 beim NDR in der Rothenbaumchaussee.

Bebauungspläne:
Der Klick auf die blau umrandeten Flächen führt zum Link zum Bebauungsplan, ein bisschen nach Art der Wundertüte: Manchmal sind es aktuelle, ausführlich begründete und am Computer erstellte Dokumente, manchmal sind es Scans von geplotteten Pläne – und manchmal kommen handgezeichnete Pläne aus den 1950ern zum Vorschein.
Handgezeichneter Bebauungsplan für Hamburg-Uhlenhorst
(Ein bisschen Detektivarbeit beim Interpretieren ist notwendig. Ich wohne z.B. in M4g, einem viergeschossigen Mischgebiet in geschlossener Bauweise.)

Luftbilder:
Hamburg lässt sich jährlich im Frühling und alle zwei Jahre im Sommer aus der Luft fotografieren. Diese digitalen Ortophotos vom Frühjahrsflug 2014 und vom Sommerflug 2013 gibt es ebenfalls bei Geo Online Hamburg. Im Transparenzportal gibt es sie in vier GB (Sommer) bzw. fünf GB (Winter) großen ZIP-Dateien, allerdings nur von 2013. Ich hab gleich mal nachgefragt, wo die Bilder von 2014 sind. Wer mit den Rohdaten hantiert, sollte aber wissen, dass die sich an Profis mit Geoinformationssystemen wenden. (Man sollte von World files, UTM-Raster und dergleichen gehört haben.) Nachtrag: Hier geht’s zum Download der Frühjahrsbefliegung 2014.

Die Elbphilharmonie aus der Luft

Karten:
Aus dem Liegenschaftskataster-System mit dem liebevoll gewählten Namen ALKIS entsteht die Digitale Karte im Maßstab 1:5000, die es ebenfalls bei Geo Online zum Nutzen und im Transparenzportal zum Herunterladen als 500-MB-ZIP-Datei gibt. Bestimmt nicht die schönste Karte, aber dafür hausnummerngenau und mit offiziellen Daten bis hin zum exakten Verlauf der U- und S-Bahn-Tunnel. Es gibt übrigens auch alle Hamburger Adressen mit Geokoordinaten aus dem Liegenschaftskataster zum Weiterverarbeiten. Und das sind längst noch nicht alle Kartenschätze dort.

Digitale Karte Hafencity

Mit das Beste am Transparenzgesetz ist §10, Absatz 3: „Die Nutzung, Weiterverwendung und Verbreitung der Informationen ist frei, sofern höherrangiges Recht oder spezialgesetzliche Regelungen nichts anderes bestimmen.“ Die Luftbilder, die Karten und Pläne, die hier zu sehen sind, stehen unter der Datenlizenz Deutschland – Namensnennung und wurden bereitgestellt vom Landesbetrieb Geoinformation und Vermessung. Fertig!

Verträge und Gutachten:
Als Aufhänger, um über Transparenzportal zu berichten, nehmen viele Medien die Verträge zur Elbphilharmonie, auch wenn die ja schon seit längerer Zeit im Netz stehen. Veröffentlichen müssen die Behörden unter anderem „Verträge der Daseinsvorsorge“ (z.B. Wasser, Abwasser, Abfall, Energie, ÖPNV, Krankenversorgung), „Verträge, an deren Veröffentlichung ein öffentliches Interesse besteht“ (ja, hier wird es schwammig) und „Gutachten und Studien, soweit sie von Behörden in Auftrag gegeben wurden und in die Entscheidung der Behörde einfließen oder deren Vorbereitung dienen“. Ein paar Beispiele dafür, was sich so findet: der Konzessionsvertrag für einen Händler, der in Hamburgs Gefängnissen Waren verkauft, der IT-Vertrag für das Suchsystem des Transparenzportals, ein Leihvertrag zwischen Bund und Kulturbehörde über fünf Gemälde von Philipp Otto Runge, zwei Gutachten zur Frage, ob es sich bei bestimmten islamischen Verbänden um Religionsgemeinschaften handelt.

Natürlich fehlt da auch Etliches. Ein Beispiel: Müsste angesichts der Olympia-Bewerbung Hamburgs nicht ein bisschen mehr dazu zu finden sein als fast nichts? Und dennoch ist das einen Tag nach dem offiziellen Start schon mehr, als ich je erwartet hätte. Glückwunsch, Hamburg, gut gemacht.