Silberlinie

Welche Farbe hat die U5?

Eine neue U-Bahn-Linie für Hamburg, die das Bermuda-Dreieck von Winterhude durchquert? Gern. Und damit gleich zur alles entscheidenden Frage nach der Linienfarbe. Wie wäre es mit dem Silbergrau der Londoner Jubilee Line für die U5?

Die Farben der U/S/A/R-Bahnlinien in Hamburg

 

Die von der ACTA

Eine Demonstration aus der Korbstuhl-Perspektive.

Der Hamburger Wind treibt die Wolken im schnellen Wechsel an der Sonne vorbei, die Korbstühle der Cafés an der Mönckebergstraße sind trotzdem voll besetzt. Dann passiert etwas: In gemächlichem Tempo zuckeln erst Polizeiwagen, dann ein Lautsprecherwagen heran und blockieren die Einkaufsmeile für Busse und Taxen. Dahinter einige Hundert Menschen, die mal vorangehen, mal wieder stehenbleiben und etwas wollen. Aber was?

Den grünen und orangefarbenen Fahnen nach zu urteilen ist es ein Gemisch aus Piraten und Grüner Jugend, dazu ein winziger Schuss Antifa. Den weißen Aufklebern zufolge, wenn man sie denn aus einiger Entfernung überhaupt lesen kann, gehören sie offenbar zu einer Gruppe namens „ACTA“, jedenfalls steht das auf den Stickern. Andererseits scheinen sie sehr selbstkritisch zu sein: Schließlich schreit ein Großteil regelmäßig, angeleitet von Megafon-Trägern auf dem Wagen, „Scheiß auf ACTA!“

„Reiht Euch in die Demo ein!“, bekommen die Kaffeetrinker auf den Korbstühlen zu hören. Das lohnt sich zwar nicht, weil der Protestzug die Binnenalster schon einmal umrundet hat und es bis zum Rathausmarkt nicht mehr weit ist. Macht nichts, die Einkaufsbummler bekommen dennoch zu hören, dass sie „das Glotzen sein“ lassen sollen. Außerdem, rufen die Demonstranten, seien sie „hier“ und zudem „laut“, „weil Ihr uns die Freiheit klaut!“

Glücklich oder zumindest informiert sind die Korbstuhlsitzer, bei denen einer mit Flyern vorbeigekommen ist. Aha, ACTA, ein Abkommen, es geht um Internet und ums Europaparlament und Piraterie und Sanktionen. Die anderen, bei denen niemand mit einem Flyer vorbeigekommen ist, reimen es sich vielleicht mit viel Glück zusammen: Ordner im Trenchcoat, Piratenflaggen, da wird es schon irgendwie ums Internet gehen.

(Natürlich ist Selbstvergewisserung ein zentraler Bestandteil jeder Demonstration. Aber der Außenwelt ein Anliegen, einen Standpunkt zu vermitteln ist eben auch wichtig. Natürlich kann man darauf hoffen, dass die Leute nachher in der Zeitung oder im Fernsehen oder im Internet mitbekommen, worum es ging. Ob das gut oder schlecht erklärt wird, hängt dann eben von den erklärenden Journalisten ab. Mein Eindruck beim Beobachten der Hamburger Demonstration vom Sonnabend war: Besser vermitteln, worum es geht, bleibt auf der To-Do-Liste. Keine Frage, dass das bei ACTA allerdings noch schwerer ist als bei Vorratsdatenspeicherung oder Internetsperren.)

Missverständnisse

Social Media bei der SPD Hamburg.

Bei der Podiumsdiskussion über Social Media, zu der die SPD-Bürgerschaftsfraktion am Montagabend geladen hatte, prallten in der Tat Welten aufeinander. Stefan Engels (Anwalt, Arbeitskreis Medien der SPD Hamburg) und Michael Neumann (SPD-Fraktionschef, Blogger) warben vergeblich um Verständnis dafür, dass sich ihre Partei gegenüber neuen Entwicklungen im Netz so zögerlich zeigt. Juliette Guttmann von DerWesten, Nico Lumma und Teile des Publikums versuchten vergeblich, für mehr Mut zu werben.

Die anwesenden Politiker verwiesen mehrfach auf die „Spielregeln der Politik“, die (neben Budget- und Personalknappheit) ein stärkeres Engagement kaum möglich machten. Nicht so richtig angekommen ist, dass sich Spielregeln in allen möglichen gesellschaftlichen Bereichen ändern — natürlich nicht komplett, aber eben auch nicht nur unwesentlich. Wer in der Musikindustrie oder der Filmbranche arbeitet, wer Zeitungen oder Zeitschriften verlegt, wer PR-Beraterin ist oder Buchhändler oder Pressefotografin oder Lexikonvertreter oder Lehrerin oder Bibliothekar, findet eine Welt vor, die sich seit dem Internet erheblich verändert hat. Da kann die Politik, in der Kommunikation so eine zentrale Rolle spielt, erstens nicht erwarten, dass ihre Spielregeln unverändert bleiben. Und darf zweitens nicht glauben, dass es für die anderen leichter sei: Auch Privatpersonen und Firmen fragen sich, wie viel Transparenz an welcher Stelle too much ist.

Die vorgetragene große Sorge, dass grundsätzlich einmal alles im Netz dokumentiert bleibt, ist ebenso übertrieben. Zum einen gilt das eben auch für alle, also auch für die Politiker gegnerischer Parteien, Journalisten, Verbände, Unternehmen, Initiativen — und natürlich auch für jeden Nutzer. Und zum zweiten ist Rückzug keine Alternative: Wenn Michael Neumann seinen Wunsch nach einem Verfallsdatum für Netzinhalte nicht selbst ins Internet schreibt, tut das eben jemand anders.

(Nur, damit niemand die Selbstverständlichkeit aussprechen muss: Dass ein schlechtes politisches Programm nicht zu retten ist, in dem man bloß darüber bloggt, flickrt, twittert, qikt, mogulust oder yammert, ist sonnenklar.)

Nachtrag: Mehr bei Nico Lumma und Jan Schmidt.

Termine, Termine

Rund ums Netz in Hamburg.

Gestern erst bei der Law Group von Hamburg@work gewesen und dort erleichtert festgestellt, dass das Landgericht Hamburg mit seinen Ansichten weiterhin allein auf weiter Flur steht. Von dort aus weiter zur Web-2.0-Vortragsreihe des Hans-Bredow-Instituts: Jan Schmidt hat über „Persönliche Öffentlichkeiten“ referiert, seine Folien dazu sind schon im Netz.

Die nächsten Termine der Vortragsreihe:
Donnerstag, 20. November 2008
Sebastian Deterding: Re-publicize this! Web 2.0 oder Die stille Privatisierung der digitalen Grund­versorgung
Donnerstag, 27. November 2008
Ralf Bendrath: Die digitale Selbstdarstellung – Identitätsmanagement und persönliche Informationskontrolle im Social Web

Weitere spannend klingende Termine der nächsten Zeit in Hamburg:
Montag, 17. November 2008
SPD-Bürgerschaftsfraktion: Social Media – Interaktion im Internet
Mit Katharina Borchert, Nico Lumma, Michael Neumann und Stefan Engels (Anmeldung erforderlich!)

Samstag/Sonntag, 22./23. November 2008
BarCampHamburg 2008
(Anmeldung erforderlich, Warteliste!)

Das zwölfte Kreuz

Bürgerschaftswahlen in Hamburg.

Keine 30 Sekunden Wartezeit, keine gestressten Wahlhelfer: Am Vormittag konnte die Lage im Wahllokal am Winterhuder Weg nur als ruhig bezeichnet werden.

Aufkleber Hamburg-Wahl 2008 - Kumulieren und Panaschieren: Been there. Done that.

Nachher geht es dann zum Rothenbaum und zu www.ndr.de/hamburgwahl. Dort liegt bereits meine kleine Excel-Datei bereit, in die ich gegen 17.45 Uhr nur noch die Werte der 18-Uhr-Prognose eintippen muss und die dann die Machtanteile aller rechnerisch möglichen Koalitionen berechnet. Man will ja in der Hektik nichts falsch addieren. Ohne den Wahltag vor dem Wahlabend zu loben: Über Wahlen zu berichten, die nicht völlig berechenbar sind, ist anspruchsvoller, macht aber allen Beteiligten deutlich mehr Spaß. Bis nachher!

Nachtrag, drei Tage später: So, jetzt wurden sowohl die Stimmenverteilung als auch die Sitzverteilung korrigiert, am Montag wurden die Ergebnisse für Dienstagnachmittag versprochen, am Dienstag auf Mittwoch verschoben, am Mittwoch auf Freitag verschoben und dann plötzlich gab es am Mittwochabend doch die Liste der Abgeordneten, aber nur der direkt gewählten, damit man die über Landesliste gewählten sich selbst zusammensuchen muss. (Bitte sehr: die Abgeordneten.) Ist das eine Verschwörung, um den digitalen Wahlstift bei der nächsten Wahl als attraktive Alternative erscheinen zu lassen?