Blockgletscher

Und schließlich der FAZ-Relaunch.

Hoch und heilig: mein letzter Beitrag zum FAZ-Relaunch. Nun ist er da, und wer mag, kann ihn sich per Video von Werner D’Inka erläutern lassen.

FAZ- und FAS-Schriften

Ich schließe mich überwiegend Jürgen Sieberts geschmackspolizeilicher Analyse an: Designpreise gibt es dafür nicht. Hätte ich beim Titelseiten-Foto der ersten neugestalteten Ausgabe auf eine unangreifbar tolle Aufnahme gewettet, hätte ich verloren: ein mäßiges Foto von Kim, Roh, Kellner und sieben Flaschen Wein. Das neue Design ist ansonsten solide, aber eben leider völlig auf der sicheren Seite. Schade, dass gestalterische Veränderungen bei der FAZ immer das Tempo von Blockgletschern haben müssen.

Etwas überrascht hat mich die Schrift, die die FAZ-Fraktur für Meinungsartikel ersetzt: Times New Roman Bold Condensed, also die schon bislang omnipräsente Schrift, nur schmal gestellt — selbst für FAZ-Verhältnisse ein bisschen konservativ. War das eine Umentscheidung in letzter Minute? Der umhergezeigte Dummy, der auch im Video zu sehen ist, zeigt noch eine andere Schrift — etwas schwer zu erkennen, könnte eine fette Walbaum sein.

Überschrift in Walbaum Bold und Times Bold Condensed

Die obere Variante hätte für etwas mehr Spannung und mehr Profil gesorgt. Um noch einmal Fontblog beizupflichten: Die FAZ verdient eigentlich eine Exklusivschrift, wie etwa der Guardian.

Schild und Schaum

Die FAZ verteidigt den Relaunch vorab.

Dass eine Zeitung sich vor einer Design-Erneuerung mal umhört, wie die Leser den Entwurf finden, ist unspektakulär bis üblich. Was die FAZ macht, geht eine Spur weiter: Die in einer repräsentativen (!) Befragung des Lieblingsinstituts Allensbach gewonnene Leserpräferenz für den mittelmutigen Entwurf von dreien ist der Schild für die Schlacht mit der lautstarken Minderheit der Allesbewahrer. „Einladend, frisch, übersichtlich“ schreibt die Zeitung am Donnerstag auf der Titelseite über sich selbst, mit dem neuen Erscheinungsbild folge die FAZ „dem Votum einer großen Mehrheit ihrer Leser“.

Und schon vor dem Relaunch am Freitag schäumen die ersten Kommentatoren: „Die Abbildung der ersten Seite im neuen Stil läßt mich ernsthaft über die Kündigung meines langjährigen Abonnements nachdenken. “ „Früher gab es weder bunte Bilder noch farblich unterlegte Überschriften. Dennoch stand mein junges Herz sofort in Flammen und die Zuneigung zu dieser Lektüre ist bis heute nicht abgeflaut.“ „Frankfurter Allgemeine Kinderzeitung. (…) FAZ, was ist aus Dir nur geworden?“ „Das konsequente Beharren auf der traditionellen Rechtschreibung war wohl der letzte Ausdruck bürgerlichen Selbstbewußtseins. Nach der Aufgabe dieser Position begibt sich die FAZ nun endgültig in die Niederungen der kommerziellen Angepaßtheit hinab.“ „mal sehen, wann franz beckenbauer seine kolumne auf der titelseite bekommt…“

Immer greller

FAZ-Relaunch am Freitag.

Die konservativeren unter den FAZ-Lesern sollten ihre Zeitung jetzt nicht mehr zum Altpapier bringen. Nur noch bis zum 4. Oktober wissen DWDL und kress, ist die Titelseite frei von Farbfotos. Am 5. schlägt dann der lange angekündigte Relaunch zu. Bald danach wäre eine Neuauflage der Imagebroschüre empfehlenswert, in der es momentan in bestem Manufactum-Tonfall heißt:

Eine Titelseite ohne Bilder – auch das ist ein Merkmal der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Am Kiosk, inmitten der immer greller bebilderten Printprodukte, ist sie dadurch auf den ersten Blick zu erkennen.

Nachtrag: Mercedes Bunz hat auf der OMD die neu gestaltete FAZ fotografiert. Auch FAZ.NET wird — endlich — etwas aufgeräumter.

(Apropos lange angekündigt: Der neue Name steht fest, die Zeit durfte schon das Geotagging bewundern, die Werber dürfen derzeit gucken, das Flash-Intro läuft. Und die Passwortabfrage meldet sich schon mit „Produktiv-System WestEins“. Na dann!)

Diverses

Fünf Absätze zwischendurch.

Erstens: Zur Zielgruppe eines Warhammer-40.000-Fanfilms gehöre ich wirklich nicht. Aber Damnatus ist ein interessanter Fall: Fans in Deutschland haben einen Film gedreht, der auf Figuren und Geschichten eines britischen Spieleherstellers basiert. Und da kommt dann der Unterschied zwischen Copyright, anglo-amerikanisch, und Urheberrecht, kontinentaleuropäisch, zum Tragen: Der Spielefirma macht offenbar Angst, dass die Fans ein unveräußerliches Urheberrecht an ihrem Film haben — und sie verbietet alle Fan-Filme. (Via und mehr bei Medienrauschen.)

Zweitens: Freundlicherweise weist man mich darauf hin, dass der Hamburger Landesbetrieb Verkehr jetzt individuelle Ausnahmegenehmigungen für Segways erteilt. Fein, da fehlt mir jetzt ja nur noch eins. Ein Segway.

Drittens: „Mir ist noch wichtig, dass wir gegen die Beach-Clubs antreten wollen — mit dem ersten Mulchclub, der zu einem späteren Zeitpunkt eröffnet wird.“ (Sagt Clubbetreiber Rocko Schamoni.)

Viertens: Warum die FAZ-Medienseite online unter dieser URL auch für Nicht-Abonnenten ohne Anmeldung zu lesen ist, weiß ich nicht.

Fünftens: Manchmal hat Kate Bush einen Albtraum.

Frakturbruch

Focus vermeldet FAZ-Relaunch im Herbst.

Typokonſervative FAZ-Leſer finden es ja ſeit zweieinhalb Jahren ſkandalös, daſs die Zeitung bei ihren Fraktur-Überſchriften über Kommentaren das lange ſ nicht mehr verwendet. Das Problem ſoll es ab Herbſt nicht mehr geben — wenn, wie der Focus berichtet, im Zuge eines neuen Erſcheinungsbildes die Fraktur-Überſchriften abgeſchafft werden.

Focus erwähnt in der Vorabmeldung auch Farbelemente und Illustrationen sowie Meldungsſpalten für eilige Leſer. Fotos auf der Titelſeite ſind ſtreng genommen keine Neuerung, waren aber in den letzten Jahrzehnten zumindest eine große Ausnahme.

Bei der letzten offiziell angekündigten Erneuerung im November 2005 bewegte ſich nicht allzuviel, dafür gab es ſeither deutlich mehr Farbe im Blatt.