Mut für 2010

Bestandaufnahme und Wunschzettel.

Eine Leseempfehlung: Lorenz Lorenz-Meyer schreibt über das, was fehlt, und was er sich für 2010 wünscht.

„Mir scheint, wir digital natives haben uns viel zu sehr von den formalen Prozessen faszinieren lassen, von all den Moden oder Hypes der letzten Jahre, von Facebook, Blogs und Twitter, von den angeblich ’sozialen’ Medien, deren großes Potential uns allen so wichtig ist, dass wir darüber Manifeste verfassen und Hymnen singen. Gleichzeitig sind wir damit gescheitert, Anliegen zu identifizieren und zu entwickeln, für die es sich lohnt, diese Instrumente in Anschlag zu bringen.“

Gespannte Vorfreude

DRadio Wissen startet am 18. Januar 2010.

Farbbalken der DeutschlandRadio-Programme

Heute lag das Deutschlandradio-Programmheft für Januar im Briefkasten – endlich mit ein paar Details zum neuen Programm DRadio Wissen, das am 18. Januar auf Sendung geht. Zu hören ist es über Kabel, Satellit und Internet. Leider gibt es auf dradio.de im Moment dazu noch keine Details. Die Website des neuen Programms ist unter wissen.dradio.de zu finden.

Das Tagesprogramm sieht von Montag bis Freitag so aus:

6.00 Die Welt in 100 Sekunden
6.02 Agenda („Was ich heute wissen muss. […] tagesaktuell für alle Themenfelder […]“)
6.15 Wissensnachrichten
6.18 Natur („[…] Einblicke in die exakten Wissenschaften und wie ihre Erkenntnisse den Alltag prägen […]“)
6.30 Weltnachrichten
6.34 Medien („[…] Woran die Journalisten der Zukunft arbeiten und wie wir unser Wissen organisieren. […]“)
6.45 Wissensnachrichten
6.48 Globus („Worum die Welt sich anderswo dreht. […]“)
7.00 Die Welt in 100 Sekunden
7.02 Agenda
7.15 Wissensnachrichten
7.18 Kultur („Wir erzählen uns die Welt. Aus Philosophie und Geschichte, aus Sozialwissenschaften und Popkultur. […]“)
7.30 Weltnachrichten
7.34 Meine Zukunft („Karriere ohne Umweg ist die Ausnahme. […]“)
7.45 Wissensnachrichten
7.48 Spielraum („Googeln ist keine Lösung. Hirngymnastik für die Ohren. […]“)

…und dann so weiter im Zweistundentakt bis 18.00 Uhr.

Am Samstag um 11.00 Uhr und am Sonntag um 18.05 steht ZEIT ONLINE Talk auf dem Programm. Täglich von Montag bis Freitag berichtet der Netzreporter aus den digitalen Weiten. Überhaupt verspricht der Sender, dass lineares Programm und interaktives Medium intelligent zusammenwirken sollen.

Abends und am Wochenende übernimmt DRadio Wissen auch einige Sendungen aus anderen ARD-Programmen: IQ vom BR, SWR cont.ra, Aula, Campus und Zeitgenossen von SWR 2, Das philosophische Radio und Leonardo von WDR 5, Studio Nordwest vom RB NordwestRadio, Fragen an den Autor von SR 2, Funkkolleg und Wissenswert von hr2, Studi DW und Wissenschaft von DW-Radio, Das Forum, Lebenswelten und Logo von NDR Info.

Ich hoffe, es gibt zeitnah ein Update der kostenlos downloadbaren iPhone-App für Deutschlandfunk und Deutschlandradio Kultur.

(Transparenz-Hinweis: Ich arbeite für den NDR, welcher Teil der ARD ist, die gemeinsam mit dem ZDF Träger des Deutschlandradio ist. Dies ist mein privates Weblog, go figure!)

Ad ACTA

Themenalarm: Digitale Bürgerrechte in Gefahr.

Da ist wieder eines dieser Themen, die man am liebsten ignorieren würde, weil die Materie so trocken klingt, weil so viele Details dazu noch gar nicht bekannt sind, weil man die Zeit im Internet so schön woanders verbringen kann. Aber wenn es später einmal in der breiten Öffentlichkeit diskutiert wird, ist es möglicherweise schon zu spät für Proteste und Änderungen:

„Mit dem ACTA-Abkommen ist nicht weniger als eine Radikalisierung der derzeitigen Urheberrechts- und Patentgesetze geplant, unter Ausschluß der Öffentlichkeit.“
Weiterlesen bei netzpolitik.org.

Parlamentube

BBC Democracy Live, Bundestag.de und C-SPAN.

In zweieinhalb Wochen feiern die Briten ein denkwürdiges Jubiläum: Am 21. November 1989 ließ das britische Unterhaus die Fernsehkameras ins Parlament. Gleich in der ersten übertragenen Rede erklärte der Tory-Abgeordnete Ian Gow den neuen Zuschauern, was er davon hielt: „I have always voted against the televising of the proceedings of this House, and I expect that I always will.“ (Video) Die britischen Parlamentarier hatten im Vorfeld jahrelang über das Fernsehen und die Folgen gestritten. Ausschüsse legten anfangs exakt fest, was die Fernsehregie zu zeigen hatte: denjenigen, der offiziell das Wort hat — auch und gerade bei Tumulten im Westminster-Palast. Inzwischen hat sich Aufregung längst gelegt, und die Kameras dürfen auch die sogenannten „reaction shots“ zeigen.

Fast 20 Jahre später hat die BBC ein Onlineprojekt freigeschaltet, das sie schon vor einer Weile angekündigt hat: Democracy Live, eine durchsuchbare Parlaments-Mediathek. Das Angebot nimmt britisches Ober- und Unterhaus, die Parlamente von Schottland, Wales und Nordirland und das Europäische Parlament in den Blick, bietet Videos von Reden und Debatten und erschließt die Themen.

Screenshot Democracy Live

Democracy-Live-Nutzer können dabei einzelne Abgeordnete gleichsam abonnieren. Über „Follow this representative“ bekommen Nutzer mit, wann immer es um ihren Parlamentarier geht — nicht nur dessen eigene Reden, sondern auch bloße Erwähnungen. Der Clou: Die Videos werden per Spracherkennung in Text gewandelt und sind damit durchsuchbar. Viele der Videos können auch direkt woanders eingebettet werden, leider aber noch nicht die Videos aus dem Ober- und Unterhaus.

Erwähnung Gordon Browns auf Democracy Live

In Deutschland, wo dem Parlamentspräsidenten schon eine Phoenix-Übertragung nicht genügt (Zapp-Video), hat sich mitterweile auch schon einiges getan: Bundestags-Plenardebatten sind in einem Videoarchiv auf bundestag.de zu finden — und Nutzer können die Videostreams ebenfalls bei sich einbetten. Dass das alles noch nicht so einfach funktioniert, wie man es sich wünscht, beschreibt Matthias Mehldau ausführlich auf netzpolitik.org.

Video-Embedding auf bundestag.de

Einzelne Landtage haben ebenfalls Video-Archive, die aber nicht sehr zugänglich sind, beispielsweise in Bayern erst nach Sitzungstag, dann nach Tagesordnungspunkt sortiert. Nur ein echter Politikfreak wird einfach auf Verdacht ein Video starten, dass nur mit „Zwischenbemerkung Harald Güller (SPD)“ betitelt ist.

Auch der von Amerikas Kabelnetzbetreibern finanzierte Sender C-SPAN bietet im Netz interessante Video-Suchfunktionen: In der C-SPAN Video Library gibt es beispielsweise einen Personeneintrag zu Angela Merkel, der zu allen Videos mit ihr führt. Damit lässt sich aber auch gleich auflisten, wer mit wem gemeinsam in welchen Videos auftaucht: Bush und Berlusconi, Steinmeier und Solana. Das erinnert ein wenig an die automatische Erfassung der im Fernsehen auftretenden Politiker, die das MIT Medialab vor einigen Jahren als Gegen-Überwachungsprojekt gestartet hatte.

Merkel-Auftritte bei C-SPAN mit appears-with-Funktion

Auch bei C-SPAN sind die Videos durchsuchbar, dafür nutzt der Sender die TV-Untertitel. Eine Videoseite — beispielsweise zur Merkel-Rede vor dem US-Kongress — enthält eine inhaltliche Zusammenfassung, Transkript, Schlagwörter, Personeneinträge und zahlreiche Tools zur Weiterverbreitung. Es werden sogar die Seiten, in denen das Video eingebettet ist, zurückverlinkt.

Ein bisschen Spielerei ist dabei, ein bisschen Eitelkeit der Redner sicher auch. Aber wer je in einer Bibliothek die schweren Bände der Bundestags-Plenarprotokolle gewälzt und mühsam die Fundstellen abgegrast hat, will mit Sicherheit nie wieder zurück zur Welt vor der Volltextsuche.