Die Wahl bei CNN

Am Fernseher in Lissabon.

Mangels Alternativen in einem Lissabonner Hotelzimmer habe ich heute erstmals einen deutschen Wahlabend im ausländischen Fernsehen verfolgt. Erster Eindruck: CNNs Germany Votes sieht aus wie ein schwer verunglückter Mix aus Bauhaus und 70er-Jahre-Design. Und ein paar Feinheiten gehen beim Übersetzen ebenfalls verloren. (Edmund Stoiber hat die Ostdeutschen „mad as calves that voted for the butcher“ genannt? Naja.)

CNN zeigt Angela Merkel

Als „German political analyst“ schlägt sich Zeit-Herausgeber Josef Joffe aber einigermassen wacker. Schöne, klare Antwort auf die Frage kurz nach 18 Uhr, was denn passiert sei: „I don’t know.“ Das Wahlsystem mit Erst- und Zweitstimmen bekamen die CNN-Zuschauer allerdings nicht erklärt, so dass Jörg Schönbohms Interpretation des FDP-Erfolgs den meisten vermutlich etwas rätselhaft erschien. Immerhin musste man sich weder für Schönbohms noch für Heidemarie Wieczorek-Zeuls Statements auf Englisch schämen.

(Kurzer Blick hinüber zu RTL, dem einzigen deutschen Sender hier: Heiner Bremer, Frauke Ludowig, Udo-Jürgens-Reklame, singende Rama-Pilze. Schnell zurück zu CNN.)

Irgendwann haben die Einblendungstexter allerdings die Nerven verloren: „Grand coalition most likely result“. Wir werden sehen — noch ist der Wahlabend offen.

Der Einfluss von Design

Sehr sehenswerte Ausstellung in Lissabon.

Der Eingang zur Catalysts!-Ausstellung

Ab und an sieht man einen Film oder liest ein Buch und hat den Eindruck, es sei speziell für einen selbst geschrieben. Diesen seltenen und schönen Eindruck habe ich von der Ausstellung Catalysts!, die bis Ende November im Lissaboner CCB stattfindet. Im Zentrum der Ausstellung in sechs thematischen Räumen steht der kulturelle Einfluss von Kommunikationsdesign. Die Bandbreite reicht dabei von den Adbusters über die neue Schrift des südafrikanischen Verfassungsgerichts und Juli GudehusPiktogramm-Genesis bis zum netzbekannten Logo-Medaillon. Dazu laufen Filme — oder eher visuelle Collagen — des Holländers Rob Schröder.

Per Zufall geriet ich in die erste Führung des Kurators Max Bruinsma, der bewusst nicht nur die Werke von professionellen Gestaltern, sondern auch von Jedermann-Designern ausstellt. Wer bis November nach Lissabon kommt, sollte sich diese kleine, feine Ausstellung — Teil der ExperimentaDesign — anschauen.

Rot-Rot-Grün unter Stoltenberg

Machtwechsel in Norwegen.

Bei den Parlamentswahlen in Norwegen hat die Opposition gewonnen. Die sozialdemokratische Arbeiterpartei unter Jens Stoltenberg, die Sozialistische Linkspartei und die ehemalige Bauernpartei Zentrum können eine rot-grüne Koalition bilden und die Christliche Volkspartei, die Konservativen und die Liberalen ablösen.

Prime Minister Kjell Magne Bondevik, asked how his government could fall to a majority alternative after Norway had been named the best country in the world to live in by the United Nations‘ human development index for the fifth consecutive year, said this was an excellent question which he could not answer. (Aftenposten)

Felix Norvegia.

Guardian international

Britische und internationale Ausgabe im Vergleich.

Ein Nachtrag zum Guardian-Relaunch: Wer sich aus Neugier den geschrumpften Guardian am Bahnhofskiosk kauft, sollte nicht enttäuscht sein. Zwischen internationaler und britischer Ausgabe liegt ein deutlicher Unterschied.

Im britischen Original ist heute das erste Buch (G1) — hauptsächlich Politik und Wirtschaft — 40 Seiten stark. Danach folgen 20 Seiten Sport, noch einmal 36 Seiten Media Guardian (Medien) und schließlich acht Seiten Office Hours (Beruf). Diesen insgesamt 104 Seiten beigelegt ist das halbgroße 36-seitige Magazin G2.

Die internationale Ausgabe besteht heute aus einem Buch mit 26 Seiten G1 und 14 Seiten Sport. Beigelegt ist eine 16-seitige Zusammenstellung aus G2. Der Medienteil fehlt ganz. Nur die erste und letzte Seite des ersten Buches sind in Farbe gedruckt, der Rest und G2 sind schwarzweiß. Darunter leidet übrigens auch der Cartoon von Steve Bell auf der Rückseite von G2.

Cartoon im Guardian

Guardian im neuen Look

Die britische Zeitung stellt auf Berliner Format um.

The Guardian

Nach siebzehn Jahren wagt der Guardian einen kräftigen Relaunch — mit neuem Format, neuen Schriften und komplett in Farbe. 1988 hatte David Hillman von Pentagram den Zeitungskopf entworfen, mit dem die liberale Zeitung international hervorstach. Von der Tabloid-Welle auf dem britischen Zeitungsmarkt hat sich der Guardian nicht anstecken lassen, stattdessen erscheint sie von heute an im Berliner Format (wie taz und Le Monde) — 31,5 cm mal 47 cm, bedruckt 28,7 cm mal 44,3 cm.

Bislang wurden die Texte in Matthew Carters Miller gesetzt, die Überschriften in Helvetica. Christian Schwartz und Paul Barnes haben nun die Guardian Egyptian mit 96 Schriftschnitten entworfen, aus der sich sehr elegante Überschriften, aber auch sparsame Kartenlegenden setzen lassen. Große Freude hat die Zeitung an Linien — senkrecht als Spaltenlinie, waagerecht etwa zum Abtrennen von Artikeln, Kolumnen, Untertiteln, Autorennamen. Bloße Spielerei ist das nicht: Die Linien ermöglichen Weißraum rund um die Elemente, ohne dass die kleine Seite ihren Halt verliert oder gar wirkt, als hätte sie wenig Inhalt zu bieten.

Linien auf einer Guardian-Seite

Sehr konsequent ist die Zeitung bei den Web-Links unter den Artikeln im Format guardian.co.uk/katrina, guardian.co.uk/germany oder guardian.co.uk/film. Für Web-gewandte Leser sind auch die Fußnoten in einem Artikel über geheime CIA-Fluglinien intuitiv verständlich: Blau, fett und unterstrichen gesetzt verweisen die Wörter wie Hyperlinks auf einen Kasten am Ende des Artikels.

Hypertext-Links in einem Guardian-Artikel

Mitgeschrumpft ist auch die halb so große Beilage G2. Dort macht Tim Dowling den skeptischen Lesern Mut: „If you beat your dog with a rolled-up newspaper supplement, the new half-Berliner size will hurt less, but with no significant compromise in obedience. Of course, you shouldn’t really beat your dog with anything, but at least it’s a step in the right direction.“

Wer sich selbst ein Bild vom neuen Guardian machen will, kann sich die gesamte Ausgabe als PDF-Dokumente anschauen.

Nachtrag:
Hinter den Kulissen: Editor’s Weblog
Reaktionen von Dan Hill, Manuel Sepulveda (bei Newsdesigner.com) und Tom Coates