Staatstrojaner

Eine kurze Visualisierung.

Ich hab mal probiert, den netzpolitischen Scoop des Jahres halbwegs verständlich zu visualisieren. In der Hoffnung, dass ich es halbwegs verstanden habe. (Korrekturen höchst willkommen!)

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Hut ab, lieber Chaos Computer Club — die Analyse des Staatstrojaners ist allein schon bewundernswert, aber ebenso erstaunlich gut ist der CCC medial mit diesem Schatz umgegangen. Ich weiß nicht, ob der CCC oder die FAZ auf den Begriff „Staatstrojaner“ gekommen ist, aber auch das ist ein kluger Zug gewesen: Für den Ausgespähten ist es natürlich gleich, ob die Malware von Bundes- oder Länder-Seite kommt. Und an die Vorgaben des Bundesverfassungsgericht müssen sich schließlich alle halten.

Nachtrag: FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher: Zur Erklärung des BMI: Der CCC spricht von „Staatstrojaner“. Das Wort ist bewusst gewählt.

Wer mehr lesen möchte:
CCC.de: Chaos Computer Club analysiert Staatstrojaner (mit Analysebericht als PDF-Dokument)
Frank Rieger (CCC): Anatomie eines digitalen Ungeziefers
FAZ: Der deutsche Staatstrojaner wurde geknackt
Kai Biermann, Zeit Online: CCC enttarnt Bundestrojaner
Matthias Thieme, Frankfurter Rundschau: Die Privaten hinter dem Bundestrojaner
Frank Schirrmacher, FAZ: Code ist Gesetz
Markus Beckedahl, netzpolitik.org: 0zapftis: Bayern als erstes Bundesland im Verdacht

Zehn Jahre

Nach dem 11. September.

Den Nachmittag des 11. September habe ich ziemlich von Anfang an vor CNN und BBC World verbracht. Was ich gemacht habe, bevor das erste Flugzeug ins World Trade Center eingeschlagen ist, weiß ich nicht mehr, es kann nicht besonders wichtig gewesen sein.

Dank des Internets kann ich diese Momente auch zehn Jahre danach abspulen – der zweite Flugzeugeinschlag, wieder und wieder, das kurze Statement von Bush, dann irgendwann die Einblendung „Reports of fire at Pentagon“, dann wird das Weiße Haus evakuiert. Und unzählige Dinge, die sich später als Missverständnis herausstellen: ein Feuer auf der Mall in Washington, ein Feuer im Außenministerium, ein weiteres Flugzeug im Anflug auf Kapitol oder Pentagon.

Ich kann mich sehr genau an den Moment erinnern, an dem mir die Tragweite endgültig dämmerte, und auf YouTube ist er auch noch zu sehen:

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Das war um 15.50 Uhr (9.50 Uhr New York), als CNN meldete, dass der amerikanische Luftraum geschlossen wird. Ich hätte bis eine Minute vorher gesagt, dass das überhaupt nicht möglich ist. Der erste Flugzeugeinschlag ist gerade einmal eine Stunde her, aber es ist klar: Die Regeln dafür, was möglich und was unmöglich ist, ändern sich jetzt sehr schnell.

Im Gedächtnis geblieben sind mir auch die Tage danach; viele Versuche hierzulande, Entsetzen und Mitgefühl in Symbolik auszudrücken. Ein Blumenmeer vor dem US-Konsulat an der Alster, das sich gerade in eine Festung verwandelte; die Schweigeminute am 13. September, bei der die Arbeit für fünf Minuten ruhte und das Radio Barbers Adagio for Strings spielte; Changing the Guard auf Amerikanisch; und dabei schauten die USA in den Tagen danach verständlicherweise wenig bis gar nicht ins Ausland.

Zehn Jahre später ist der 11. September genau so traurig. Dass es eine beträchtliche Zahl von Menschen gibt, die an eine Verschwörung mit Tausenden Mitwissern in Politik, Flugsicherung, Militär, Wissenschaft und Medien glauben, macht es nicht besser.

Wer trotzdem mehr lesen oder sehen will:
– Die New York Times hat ein Special namens The Reckoning zusammengestellt, in dem es um sehr unterschiedliche Folgen des 11. September geht: die Hinterbliebenen, Ground Zero, die Kriege, die Muslime in Amerika
– Beim Guardian erzählen Fotografen in einem Video, wie sie den Tag erlebt haben
– Immer noch sehenswert: BBC Conspiracy Files zu den Verschwörungstheorien rund um den 11. September
– CNN-Berichterstattung auf YouTube: 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12 | 13 | 14

Copy that

Dirk von Gehlen lobt die Kopie.

Apple bezichtigt Samsung der Kopie: Fällt ein extrem flacher Computer, dessen Oberseite nur aus einem umrahmten berührungsempfindlichen Bildschirm besteht, unter ein Apple-Designpatent fürs iPad? Samsung widerspricht und beruft sich unter anderem auf Stanley Kubrick. In einer Szene aus „2001: A Space Odyssey“ liegt vor jedem der Astronauten auf dem Tisch ein flaches Gerät, dessen Oberseite aus einem umrahmten Bildschirm besteht. (Die US-Patentrechtler haben für die von Samsung eingereichten Gegenbeweise den schönen Begriff prior art, der im Deutschen zum drögen „Stand der Technik“ wird.)

Ein Standbild aus dem Film 2001: A Space Odyssey

Im Streit um die Frage, wo bei Tablets die Kopie beginnt, verteidigt sich Samsung also mit einem YouTube-Zitat — von dem die Rechteinhaber des Films vermutlich nichts wissen.

Die Frage nach Kopie und Original taucht dauernd auf: Wenn Werbern ihre Auszeichnung wieder abgenommen wird und wenn Minister plötzlich keinen Doktortitel mehr haben, wenn die Lizenzeinkünfte für Bitter Sweet Symphony bei den Rolling Stones landen, wenn kopierte Medikamente plötzlich den Kampf gegen Aids in armen Ländern ermöglichen und, viel alltäglicher, wenn Tauschbörsennutzer im Auftrag von Film- und Musikindustrie verfolgt werden.

Buchcover von Mashup (mit Kopie)

Dirk von Gehlen, der Chefredakteur von jetzt.de (den ich, transparenzhalber gesagt, vom Grimme Online Award kenne), hat sich die Kulturgeschichte der Kopie vorgenommen — er will sie von ihrem schlechten Ruf befreien und nimmt im Gegenzug dem genialen Original ein bisschen von seinem Glanz. Interviews und ein 50-seitiges Glossar runden Mashup: Lob der Kopie ab.

Eine blinde Verteidigung ist es nicht, im Gegenteil, das Buch ist Schaum-vor-dem-Mund-frei, ein gelassener Gang vorbei an Terrakotta-Kriegern, Rezeptsammlungen, DJ-Turntables, Lionel Messi und, ja, Numa Numa Guy Gary Brolsma. Wenn „Mashup“ den Status quo des Urheberrechts infrage stellt, dann nicht aus deprimierter Einsicht ins Unausweichliche oder umgekehrt aus Freude darüber, sondern weil es gesellschaftlich und kulturell nottut. Wir werden noch an vielen Stellen mit der Frage nach Kopie und Original konfrontiert. Mehr Wissen um dieses Wechselverhältnis und die geschichtlichen Wurzeln des Urheberrechts können wir dafür gut gebrauchen.

(Ein paar Buchseiten gibt es als Leseprobe online bei Suhrkamp, dazu stellt der Autor in seinem Blog 20 Songs vor, die im Buch eine Rolle spielen.)

Nachtrag: Warum ich die Kopie lobe – Interview mit Dirk von Gehlen auf iRights.info

Passt schon

Was ich derzeit wohin poste.

Mein persönlicher Social-Media-Workflow

(Das ist keine erklärte Social-Media-Strategie, sondern Selbstbeobachtung und kann sich außerdem jederzeit ändern…)

Umetikettiert

Verfahrenstricks beim US-Schuldenstreit.

Ein West-Wing-Fan weiß natürlich, dass die Verfahrensregeln des US-Kongresses mitunter bizarr sein können:

— Donna: Sam needs more time.
— Josh: All right. Tell him to have a Democrat call for a journal vote. If a member calls for a journal vote, the full House has to approve the previous day’s floor activity.
— Donna: Okay.
— Josh: After that, he can have a member try to attach an amendment to the override vote.
— Donna: What kind of amendment?
— Josh: Doesn’t matter. „To qualify for the estate tax repeal, the estates have to have Astroturf.“
— Donna: And still it’s hard to figure why Congress can’t get anything done.

Das derzeitige Spiel mit dem Feuer um die Verschuldungsgrenze zeigt eine dieser Besonderheiten. Am Freitag hat das Repräsentantenhaus über seinen Gesetzentwurf abgestimmt – die Republikaner dafür, die Demokraten dagegen. Wer sich aber den Gesetzentwurf anschaut, wundert sich: Abgestimmt wurde über einen Gesetzentwurf des Senats, der eine Kommission vorsieht, die sich um das beschleunigte Beantworten von Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz kümmern soll („Faster FOIA Act“).

Was das mit dem Schuldenstreit zu tun hat? Nichts. Das Repräsentantenhaus hat einfach einen Gesetzentwurf genommen, den es vom Senat bekommen hat, und den kompletten Text durch einen anderen ersetzt. Alles was vom Gesetzentwurf geblieben ist, ist quasi der Umschlag mit der Aufschrift S. (für Senate) 627. Warum macht das Repräsentantenhaus das? Um Zeit zu sparen: So könnte das Gesetz nur drei statt fünf Tage im Senat benötigen. (Was es mit filibusters und cloture motions auf sich hat, erklärt USA Erklärt.)

Ein bisschen bizarrer wird es noch: Der Parteiführer der Demokraten im Senat, Harry Reid, hat dann beantragt, dem Schuldenplan der Republikaner zuzustimmen. Das musste er tun, damit der Senat anschließend über einen Antrag abstimmen konnte, sich mit diesem Antrag nicht mehr zu beschäftigen („Motion to table the Reid motion to agree to the House amendment to the bill“). Was die Senatoren dann auch prompt getan haben.