Hamburgs Haltestellenschilder
Die Hochbahn testet neue Typografie bei der U-Bahn.
Das hier ist der Bonus-Track zu Deutschlands Bahnhofsschilder.
Erst hat die Deutsche Bahn an Hamburger S-Bahnhöfen neue Haltestellenschilder ausprobiert, jetzt wird auch die Hamburger Hochbahn experimentierfreudig: An ihren U1/U2/U4-Bahnsteigen am Jungfernstieg ist genau die Schrift im Einsatz, die die Bahn für ihre S-Bahnhöfe entworfen hat. Was an einem kombinierten S- und U-Bahnhof schon eine gewisse Logik hat. (Anklicken, um auf größeren Bildschirmen zu zoomen.)
Die Gestaltung dieser Schilder ist noch ein gewisser Mix: neue, linksbündig gesetzte Typografie und für die Ausgänge Buchstaben wie bei der S-Bahn. Auf den grünen Flächen für den Weg zum Ausgang kommen dafür die bisherigen Pfeile und die bisherige Schrift Myriad zum Einsatz. Wohin mich das Piktogramm mit dem Acht-Speichen-Asterisk (✳︎) führen soll, hat sich mir aber nicht erschlossen: Soll das zur wildesten Kreuzung im Jungfernstieg-Labyrinth weisen? Folgt man dem Zeichen, taucht es irgendwann einfach nicht mehr auf: wegweiserisch also noch Luft nach oben.
Zum Vergleich unten der Zustand vorher – so sehen die bisherigen Schilder an allen anderen U-Bahn-Stationen aus. Die Adobe-Schrift Myriad von Robert Slimbach and Carol Twombly ist eine akzeptable Wahl für Wegeleitsysteme, mit Wurzeln in Adrian Frutigers Schrift Frutiger für den Pariser Flughafen Roissy/Charles de Gaulle. Besonders raffiniert kann man die Gestaltung der bisherigen Schilder nun aber auch nicht nennen.
Hamburgs U-Bahn-Schilder damals
Von früheren Gestaltungen sieht man auf Hamburgs U-Bahn-Haltestellen inzwischen leider nur noch wenig, die Schilder sind ziemlich konsequent alle in Myriad. Dabei hätte das frühere Schild am Klosterstern durchaus in die kalifornische Schriftenwelt der 1990er gepasst.
Andere Schilder hatten mehr Glück: An der Sierichstraße hängen weiterhin Emailleschilder in weißer Engschrift auf schwarzem Grund. An der Mundsburg ist die alte Schrift nur noch außen auf der Rückseite zu sehen, auf den Bahnsteigen selbst sieht man nur aktuelle Schilder.
Aber jenseits solch besonderer Schildkunstwerke sahen die Schilder auf Hamburgs U-Bahn-Haltestellen lange Zeit genau so aus wie bei der S-Bahn oder der Bundesbahn: geometrisch konstruierte Großbuchstaben nach dem Bundesbahn-Schriftmuster (heute oft als Bahn-Futura oder Bahnhofs-Futura bezeichnet).
Als Haltestellenschilder tauchen sie inzwischen nur noch bei Sanierungsarbeiten zufällig auf, im verwitterten Lost-Places-Look. Aber an vielen kleinen Stellen lebt die Nicht-ganz-Futura auch in Hamburg weiter.
Als die Bundesbahn-Ära endete, gab es bei der Hamburger U-Bahn eine ganz schlimme Zwischenphase, in der vereinzelt Haltestellenschilder in Arial ohne erkennbaren Gestaltungswillen auftauchten. Die Phase ging glücklicherweise schnell vorbei.
Auch später hätte es schlimmer kommen können: Der Hamburger Verkehrsverbund hat sich 2021 ein knalliges Redesign verpassen lassen, mit einem >hvv-Logo und der Sharp Grotesk als Schriftfamilie. Damit ist die Wahl leider auf eine Schriftfamilie gefallen, die weder für längere Texte taugt noch für… alles andere, was man schnell und unter schlechten Lichtverhältnissen erfassen will.
Leider nutzt der HVV weiterhin Sharp Grotesk für seinen Netzplan, und im Oktober 2021 gab es sogar einen Versuch, mit dieser Schrift Haltestellenschilder am Stephansplatz zu gestalten. Zum Glück blieb es bei misslungenen Experimenten:
Die Schrift hat zwar sehr viele Schnitte, universell einsetzbar wird sie dadurch trotzdem nicht. Auch nicht bei den Fähren der Hochbahn-Tocher Hadag, wo sie für die Anlegerschilder im Einsatz ist.
Damit fehlt in der Hamburger Haltestellen-Welt nur noch die AKN: Was machen die orangefarbenen Linien im Norden? Kurze Reise zur Haltestelle Ulzburg-Süd, an der sich A1, A2 und A3 treffen:
Tja. Das Schild ganz oben sieht nach der Bundesbahn-Schrift von 1957/1961 aus – ist es aber nicht, sondern Futura. In der Mitte ist ein Schild, das mit dem verblassten blauen Rand an die Bundesbahn-Helvetica-Optik von 1987 erinnert – ist es aber nicht, sondern Arial. Die Schrift unten schaut wie die Wegeleitschrift DB WLS der Deutschen Bahn aus.
Die AKN hat sich also entweder für die friedliche Koexistenz aller Gestaltungsoptionen entschieden oder ist einfach sehr sparsam, was neue Schilder angeht. You do you, Ulzburg-Süd!
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