Auf Piratensuche

Hochburgen und Diaspora der Piratenpartei.

Kurz vor der Europawahl haben sich einige geschätzte Blogger dazu bekannt, diesmal für die Piratenpartei zu stimmen.

Ich habe mir ein paar Daten vom Bundeswahlleiter zu den Piratenpartei-Wählern angeschaut. Es gibt dort natürlich kein soziodemografisches Profil der einzelnen Wähler, aber ein paar Strukturdaten zu den 413 Wahlkreisen. In genau 64 Wahlkreisen erhielt die Piratenpartei 1,00 Prozent oder mehr, in 64 anderen Wahlkreisen erhielt sie weniger als 0,60 Prozent. Wie unterscheiden sich Piraten-Hochburgen und Piraten-Diaspora?

In den Piratenpartei-Hochburgen gibt es mehr junge Erwachsene, aber weniger Kinder.
Grafik zur Altersstruktur

In den Piratenpartei-Hochburgen liegt die Bevölkerungsdichte deutlich höher.
Grafik zur Bevölkerungsdichte

In den Piratenpartei-Hochburgen ist der Anteil der Abiturienten deutlich höher.
Grafik zum Bildungsstand

In den Piratenpartei-Hochburgen haben die Grünen auf sehr hohem Niveau ein bisschen verloren.
piraten-gruene

Und wo liegen die Hochburgen denn nun? Die Piratenpartei ist vor allem eine Partei der Universitätsstädte. (Ausnahmen bestätigen die Regel, beispielsweise Bayreuth und Passau mit einem extrem niedrigen Piratenpartei-Anteil und dafür vielen Stimmen für die Freien Wähler.)
Grafik zu den Wahlkreisen

(Bevor jemand fragt: Nein, diese Grafiken habe ich nicht noch einmal in einem anderen Format. Wer selbst mit den Zahlen arbeiten möchte, findet die Daten auf der Website des Bundeswahlleiters. Achtung, gleich folgt ein Trennstrich.)

—————

(Das war der Trennstrich zwischen Wahldatenanalyse und Meinung.)

Dass die Piratenpartei das Ergebnis als „beachtlichen Erfolg“ feiert, sei ihr gegönnt: Angesichts des kurzen Bestehens ist es beachtlich — aber eben für eine Splitterpartei. Sie hat die Fünfprozenthürde um 4,1 Prozentpunkte verfehlt und ist hinter den Freien Wählern, den Republikanern, der Tierschutzpartei und der Familien-Partei auf dem elften Platz gelandet. Bei einer Europawahl wohlgemerkt, also da, wo Wahlberechtige eher einmal zum Protestwähler werden.

Es ist eine Partei, deren Grundsatzprogramm sich allein auf Netzpolitik konzentriert, die aber selbst auf ihrem einzigen Gebiet weder organisatorisch noch inhaltlich prägend wirkt. Ausführliches dazu im Notizblog.

Sie ist zugleich eine von nur zwei Parteien (die andere ist die Rentnerpartei), die zur Europawahl keine einzige Bewerberin aufgestellt hat. Der Bundesvorstand besteht nur aus Männern; die Landesvorstände von Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Schleswig-Holstein bestehen, soweit ihre Websites aktuell sind, nur aus Männern. In Hessen gibt es eine Generalsekretärin, die übrigen Landesverbände sind noch nicht gegründet.

Dass keiner der Piratenpartei-Leute bei einem Fernsehinterview an der Frage scheitert, was ein Browser ist, ist klar. Wie das bei anderen Themen von A wie Afghanistan bis Z wie Zuwanderung aussieht, kann ich noch nicht beurteilen.

Digitale Bürgerrechte sind sehr wichtig, keine Frage — aber bitte nicht die Bedeutung des Themas mit der Bedeutung einer dazu gegründeten Ein-Themen-Partei verwechseln. Das kann böse enden.

19 Kommentare

  • Die Piraten scheinen dann auch eher im Norden/Osten stark und in traditionell katholischen Gegenden schwach zu sein.

    Was mich noch interessieren würde: Warum tauchen denn die Wahlbezirke in Hamburg und Berlin nicht in deiner Analyse auf? Und wie verhalten sich die Wahlergebnisse der Piratenpartei zu denen von Die Partei?

  • Danke dür die Grafiken!

    @Wahldaten-Analyse

    Ich stamme aus einem Raum der sehr schwach die Piraten gewählt hat. Dies liegt aber viel daran das es dort Regionen gibt, die über einem 56k Modem nicht viel zu bieten haben. Bis auf einzelne Ballungszentren der größeren Dörfer hängt dort jeder mit richtig schlechten Leitungen durch. Deswegen auch Netzaffinität geringer als in den großen gut versorgten Gebieten. Der Erfolg der Piraten hängt auch nicht unbedingt mit der Bildung zusammen.

    @Meinung

    Zitat:
    „Digitale Bürgerrechte sind sehr wichtig, keine Frage — aber bitte nicht die Bedeutung des Themas mit der Bedeutung einer dazu gegründeten Ein-Themen-Partei verwechseln. Das kann böse enden.“

    Was böse enden kann, ist die Vereinfachung auf „ein“ Thema! Mir geht es um eine Umstrukturierung der vorhandenen Machtverhältnisse ! Ein Staat der für die Bürger als DIENSTLEISTER auftritt , nicht als Entscheider und zensurverliebter Schutzstaat, freies Wissen ohne künstliche Verknappung um alte Geldkanäle schützen zu lassen, usw. usw. (vgl. Parteiprogramm der Piratenpartei Deutschlands)
    Die Auswirkungen einer derartigen digitalen Revolution, gehen dann auch von A bis Z 🙂

    Seit längerem vermute ich das es nur 2 Möglichkeiten gibt:

    Entweder die Ideen der Piraten werden assimiliert und auch UMGESEETZT (daran wird es dann scheitern , Gruß an alle Lobbyisten) oder diese noch junge Weltanschauung wird langsam/schneller (Gruß nach SChweden) immer stärker werden.

    Ich freue mich hauptsächlich über viele Nichtwähler in unserer Demokratie, die nun reanimiert werden und genau das Abwählen weswegen sie nicht mehr gewählt haben!

    Der Generationenkonflikt der leider hier auftreten wird, hemmt nun vermutlich mehrere Jahre unsere gesellschaftliche Kraft, er müsste in Form eines Schulterschlusses zwischen jung und alt gekittet werden. Dazu müssen sich aber nicht immer nur die jüngeren Verbiegen wenn die älteren schon auf Kosten der nächsten Generation leben…

    Je mehr Jahre jetzt mit den alten Machtansprüchlern ins Land ziehen, desto ekelhafter wird die Zensur der Ahnungslosen. Ich hoffe das der Wechsel nun schnell von Statten geht, zum Wohle aller!

  • Kurze Frage: kennst Du die Historie des ADAV, deren sehr eingeschränktes Programm zur ereten Wahl (und deren erste Wahlquote von nichtmal 3,5%)?

  • Schöne Analyse.
    Leider fehlt in den Zahlen des Bundeswahlleiters die Aufschlüsslung der Berliner Wahlbezirke.
    Im Friedrichshainer Nordkiez (Wahlkreis 02509) haben die Piraten 9,5 %. Wir sind damit nach Grüne (41 %), Linke (19,7 %) und SPD (11,1 %) die viertstärkste Partei. Weit abgeschlagen die CDU (5,6 %) und FDP (4,4 %).

    Quelle: http://www.wahlen-berlin.de/wahlen/europawahl-2009/ergebnis/download/BerlinVorlWahlbezirke.xls

  • @fs/Bischof — zum Thema Wahlbezirke: Bei der Europawahl gab es rund 80.000 Urnen- und rund 10.000 Briefwahlbezirke. Das Ergebnis im Friedrichshainer Nordkiez wirkt also in absoluten Zahlen etwas weniger dramatisch: 48 Stimmen für die Piratenpartei. Der Bundeswahlleiter hat in seiner Statistik die Wahlbezirke eines Kreises bzw. einer kreisfreien Stadt zusammengefasst (das habe ich oben untechnisch als „Wahlkreis“ bezeichnet — Wahlkreise gibt es eigentlich bei der Europawahl nicht). Daher auch keine Unterscheidung unterhalb der Stadtebene von Berlin oder Hamburg.

    @fs: Den Verdacht, dass es Zusammenhänge zwischen Piratenpartei- und Die-Partei-Wählern gibt, hege ich auch. (Studenten als zentrale Wählergruppe; Motivation bei einigen Protestwahl, bei einigen auch Spaßwahl.) Da die Statistik nur die Europawahlergebnisse enthielt, konnte ich das nicht so ohne Weiteres überprüfen.

    @le D: Die These, dass die Piratenpartei die SPD von heute sei, kenne ich, halte sie aber nicht für sehr überzeugend. Mit der Begründung kann jede kleine Ein-Themen-Partei hoffen, einmal groß zu werden.

  • Ah, ich dachte, Die Partei sei auch angetreten.

  • @Alexander:
    Die Aufschlüsslung nach Wahlbezirken mag vielleicht etwas kleinteilig sein, aber besser als für Berlin lediglich die Gesamtzahl für alle 2,4 Millionen Wahlberechtigte zu listen.
    Zumindest die Aufschlüsslung nach Bezirken erscheint sinnvoll.
    In Friedrichshain-Kreuzberg gibt es beispielsweise über 172.097 Wahlberechtigte, darunter 2.139 PIRATEN (3,4 %). Zum Vergleich: Flensburg hat 69.522 Wahlberechtigte.

  • Die 5% Hürde bei der Europawahl ist wahrscheinlich verfassungswidrig, es gibt nämlich keinen sachlichen Grund, z.B. kann die Fraktionsbildung anders als im Bundestag damit nicht entscheidend beeinflusst werden.

    Bei der Wahl am Sonntag wurden deshalb über 2,1 Millionen Stimme zu unrecht nicht erfolgswirksam und den kleinen Parteien wurden 10 Sitze (davon der Piratenpartei 1) vorenthalten, die ihnen eigentlich zustehen würden.

    Die 5% Hürde muss weg, daher unterstützt bitte meine entsprechende E-Petition (http://tinyurl.com/EuWahlPetition) und den anstehenden Einspruch gegen die Gültigkeit der Eu-Wahl 2009 in Deutschland.

  • @Bischof: Nichts gegen eine kleinteiligere Analyse — die ist aber natürlich dann sinnvoller, wenn man für die einzelnen Wahlbezirke auch irgendwelche andere Daten hat, etwa über Altersstruktur oder bisheriges Wahlverhalten. Das ist für die Stadtstaaten sicher einfacher zu bekommen als für ganz Deutschland. Wenn jemand andere Zahlenspiele zu dem Thema hat, würde ich mich über Links sehr freuen!

  • Trotz der guten Analyse trifft Deine Meinung gar nicht denke ich:
    1. Viele der anderen Parteien existieren seit Jahrzehnten und haben bereits eine fertige Parteistruktur
    2. Dort wo die Piraten eine Struktur haben sind sie zum Teil sechststärkste Kraft (oft hinter der Linken).
    3. Man braucht nicht viel Phantasie um ihr in wenigen Jahren kommunal durchaus die 5 % und mehr zuzutrauen.
    4. Die Piraten sind nicht wirklich eine Ein-Themen-Partei. nicht weniger als andere Parteien. Vielleicht haben andere Parteien auf alle Fragen eine Antwort, aber oftmals die falsche. Die wenigen Antworten kommen eher von der kurzen Geschichte. Die GRÜNEN sind auch mittlerweile der reinen Ökodenke entwichen. nicht zuletzt weil in der Lösung des EINEN ist auch die Lösung anderer Probleme enthalten ist. Wobei ich die GRÜNEN nicht als Vorbild sehe.

Antworten abbrechen