Karten, Hämmer, Nägel

Visualisierung und das Militär.

Das Weblog Information Aesthetics berichtet über einen Vortrag von Jake Kolojejchick auf der InfoVis, einer Konferenz über die Visualisierung von Informationen. Kolojejchik hat für das US-Militär an einem Projekt für den Gefechtsstand der Zukunft gearbeitet, bei dem Visualisierungen eine Schlüsselrolle für gemeinsame Entscheidungsprozesse spielen. Aus dem Information-Aesthetics-Beitrag über die Präsentation:

Military commanders have always loved maps. Jake speculated that this wasn’t just because maps convey information clearly, but they also convey possibilities for action. A bridge almost begs to be crossed, for example. Jake then showed a slide of various visualizations of the current financial meltdown. All of these charts showed how bad things are, but none held any hint of what to do next. (Alas!) Is there a way we can create visualizations with map-like „affordances for action?“

Affordances meint den Angebots- oder Aufforderungscharakter von Dingen. Natürlich birgt die Brücke-auf-einer-Karte-Perspektive einige Gefahren. Zum Beispiel einen Tunnelblick auf die Dinge, wie ihn der Psychologe Abraham Maslow (ja, der mit der Bedürfnispyramide) beschrieben hat: „I suppose it is tempting, if the only tool you have is a hammer, to treat everything as if it were a nail.“

Besser schweigsam?

Nach der DJV-Onlinertagung in Hamburg.

Am Sonnabend habe ich auf der DJV-Tagung Besser Online in Hamburg ein paar Online-Trends vorgestellt, von Mikroblogging über Video-Livestreams bis Mozilla Geode, und dann kam nach einer Weile die Frage: Einerseits gibt es Workshops, wie Journalisten ihre Daten besser sichern — anderseits twittern und qiken sie ihre Informationen aus dem Fenster heraus. Wie geht das zusammen?

Selbst wer schon unter dem völligen Verlust der Privatsphäre gelitten hat, observiert und abgehört wurde, mag mitunter auf Bloggen und Mikrobloggen nicht verzichten: siehe Anne Roth. Interesse an Datenschutz wird oft mit dem Wunsch nach völliger Anonymität verwechselt — dabei geht es mindestens mir vor allem um eine bessere Kontrolle meiner Daten. Was ich selbst veröffentliche, kann ich selbst bestimmen und muss dafür die Konsequenzen tragen. Wie andere mit meinen Daten umgehen, kann ich nur begrenzt beeinflussen. Also muss ich genug darüber erfahren, um mein Verhalten sinnvoll danach ausrichten.

Wer sich für den Vortrag interessiert, bekommt hier die Folien. (Ein Wort der Warnung, weil es aus den Folien nicht hervorgeht: Weder ist „besser trendig“ meine Maxime noch kann ich die Stufen des Hype-Zyklus ohne Spuren von Sarkasmus vortragen.)

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Außerdem gelernt: Redaktionelle Wikis sind Investitionen in die Wissensvorsorge (schönes Wort). Und Stefan Niggemeier, der zum Abschluss der Tagung geredet hat, ist der Ansicht, dass im deutschen Onlinejournalismus qualitativ noch ein bisschen Luft nach oben ist. Finally: Ode an Jochen Wegner, völlig zu Recht.

Auntie Beebs Zukunft

Der Guardian will die BBC retten.

Das Titelthema der Guardian-Medienbeilage lautet diesmal:

How to save the BBC

Retten? Aus dem Ausland betrachtet ist die BBC nicht nur journalistisch, sondern auch technologisch weit vorn und hat das Internet besser verstanden als viele andere. Politisch steht sie allerdings unter Druck. Der könnte drastisch zunehmen, wenn die Tories die nächste Wahl gewinnen, und danach sieht momentan alles aus.

„Top-slicing“ ist die Idee, der BBC Teile der Rundfunkgebühr wegzunehmen und anderen Anbietern zu geben, die eine Ausschreibung gewinnen. In der Diskussion geht es vor allem um Channel 4, einen TV-Sender, der nicht recht in eine Schublade passt: Rein kommerziell finanziert, aber mit Programmauftrag, hat er sich immer stärker auf den Mainstream konzentriert und unter anderem Big Brother nach Großbritannien gebracht. Die BBC – und auch ihr Aufsichtsgremium BBC Trust – wehrt sich vehement dagegen. Die Guardian-Autoren scheinen den „top-slicing“-Ansatz ebenfalls für den falschen Weg zu halten, fordern aber einen Mentalitätswandel. Gerade im Netz könnte die BBC für mehr Offenheit sorgen.

Mit dabei

Datenschutz-Großdemonstration in Berlin.

Ich gehe am Sonnabend zusammen mit dem Deutschen Anwaltverein und dem Bundesverband der Katholischen Jungen Gemeinde demonstrieren. Und mit dem Bündnis aktiver Fußball-Fans, der Deutschen Aids-Hilfe, der Linux User Group Backnang und vielen, vielen anderen.

Bei Stefan Niggemeier wird gerade über das Motto der Demonstration debattiert: „Freiheit statt Angst“. Nicht glücklich, nein, aber es ist auch nicht so einfach, ein sperriges Thema wie digitale Bürgerrechte auf eine Kurzformel zu stutzen. Ganz ehrlich: Wie oft kann man mit einem halbwegs komplexen Weltbild überhaupt zu 100 Prozent hinter einem Demonstrationsmotto stehen: „Stoppt die…“, „Nein zum…“, „Gemeinsam gegen…“?

Großes Verständnis habe ich auch für eine Große-Menschenansammlungen-Allergie. Wenn, wie im September 2007, mehr als 15.000 Menschen gemeinsam durch ein sonniges Berlin spazieren, einige mit Anarchie- und andere mit FDP-Flaggen, dann ist das schon ein merkwürdig heterogenes Gemisch. Ab und an waren Plakate und Menschengrüppchen dabei, zu denen man gern ein paar Meter Abstand hielt. Bei Weitem überwogen aber Leute, denen das Netz, ihre Daten und ihre Privatsphäre am Herzen lagen. Das muss ab und an einfach demonstriert werden, mit Außen- und Binnenwirkung.

Vor einem Jahr waren Datenspeicherung, Datenhandel, Datendiebstahl und Datenmissbrauch absolute Nischenthemen. Das hat sich gerade ein klein wenig geändert — was unter anderem an vagabundierenden CDs mit vier Millionen Kontendaten liegt, an der Bespitzelung von Mitarbeitern und Journalisten durch Telekommunikationsanbieter oder am erstaunlichen Diebstahl von 17 Millionen Mobilfunk-Kundendaten.

Die Demonstration ist eine Gelegenheit, jenseits der kurz aufflackernden Skandale auf die Themen Datenschutz und Überwachung hinzuweisen — von der Vorratsdatenspeicherung über das geplante EU-Telekom-Paket bis zur automatischen Autokennzeichen-Erfassung. Aus vielen Gründen, die nichts mit Verschwörung zu tun haben, schaffen sie es sonst nicht so oft in die Medien und sind — auch deswegen — für Politiker nicht eben attraktiv.

Für die Zögernden noch zwei letzte Lockmittel: Wir Nichtganzkonsequenten, die wir Gmail trotz Google-Datenschutzpolitik nutzen oder iPods trotz Rechtebeschränkung, dürfen guten Gewissens mitdemonstrieren. Gern auch schlechten Gewissens. Und wer beim Demonstrieren immer in die Nähe der Leute mit der grässlichen Musik gerät, die liebevoll gebastelten Datenkraken nirgends entdeckt, seine peer group aus den Augen verliert und einfach nicht mehr mag, kann jederzeit seinen Eigenanteil an der Demonstration auflösen und sich Berlin angucken. Der Versuch ist es wert.

Berlin Alexanderplatz, 11. Oktober, 14 Uhr.

Old School

Retro-Einblendungen im US-Kongress.

Oft kann man sehr gut an den Einblendungen sehen, von wann eine Fernsehsendung stammt: Schriften, Farben, Schatteneffekte, Anordnung, Groß- und Kleinschreibung.

Manchmal aber eben auch nicht.

Einblendung bei US-Kongressabstimmung

Das Bild zeigt die offiziellen Einblendungen bei Abstimmungen des US-Repräsentantenhauses anno 2008. Ich hätte auf etwa 20 bis 30 Jahre früher getippt.

(Die Kameras, die Plenarsitzungen im US-Repräsentantenhaus und im US-Senat filmen, gehören… dem US-Kongress. Ich vermute, die Einblendungen stammen ebenfalls von der Haustechnik dort.)