Recht mäßig

Wie weiter mit dem Leistungsschutzrecht?

Zu denen, die über das lange geforderte und nun auch geplante Leistungsschutzrecht staunen, zählt auch Stefan Niggemeier: „Wie die Verleger glauben können, dass es ihnen nützen wird und nicht schaden, Hinweise auf ihre Artikel zu erschweren, ist eines der zentralen Rätsel dieser ganzen Angelegenheit und Ausweis des Irrsinns, in den sich die Branche in ihrem Überlebenskampf geflüchtet hat.“

Was dieser Irrsinn bedeutet, haben andere schon ausführlich aufgeschrieben. Die spannende Frage: was passiert jetzt?

Szenario 1: Das Wunder
Nach der einhelligen Kritik überarbeitet die Regierung den Gesetzentwurf so, dass er nur noch die Gemeinten trifft: „Diese Regelung gilt ausschließlich für Internet-Giganten. Internet-Gigant im Sinne dieses Gesetzes sind Google und Perlentaucher.“ Der Perlentaucher wird daraufhin eingestellt, Google erwirbt eine Lizenz für alle deutschen Medien und die Verlage beteiligen die Autoren in angemessener Weise am erklecklichen Gewinn.
Wahrscheinlichkeit: Null.

Szenario 2: Der Proteststurm
Internet-Aktivisten freuen sich, nach dem bis zum Schluss nebulösen Thema ACTA endlich wieder einen klaren Feind serviert zu bekommen. Netzpolitiker aller Parteien riechen die Chance und setzen sich an die Spitze der Bewegung, auch um den Piraten das Feld nicht allein zu überlassen. Einige Verlage und einige Medien setzen sich deutlich ab. Der Entwurf wird verschleppt, bis die Legislaturperiode endet, danach ist die Regelung schneller vergessen als jemand „sachliches Diskontinuitätsprinzip“ sagen kann.
Wahrscheinlichkeit: hoch.

Szenario 3: Die Bauchlandung
Trotz des Proteststurms tritt das geänderte Gesetz in Kraft, die Verlage erklären aber, dass sie großzügig damit umgehen wollen. Nach anderthalb Jahren brechen Google und die Verleger ihre Preisverhandlungen ergebnislos ab. Zehn Tage später bereinigt das Unternehmen sein News-Angebot und die Suchmaschinen-Treffer auf Google Deutschland um Inhalte, die als „überwiegend verlagstypisch“ angesehen werden könnten. Über Google.com werden die Snippets weiterhin angezeigt. Die Zahl und Größe der übrigen Aggregatoren ist zu klein, um nennenswerte Einnahmen zu erzielen.
Wahrscheinlichkeit: relativ hoch.

Szenario 4: Die Selbstzerstörung
Völlig unbeeindruckt von der Kritik machen sich die Verleger daran, ihr neu gewonnenes Recht auszureizen. Anwaltsfirmen, die bereits erfolgreich im Dienste der Musikindustrie unterwegs sind, lassen eine amerikanische Plagiaterkennungs-Software für ihre Zwecke umprogrammieren und verschicken Abmahnungen für kurze Zitate, die nicht unter das Zitatrecht fallen, und für aktuelle Links mit Überschriften. Immer wieder werden kleine Blogger getroffen, von denen einige ihre Blogs schließen, die anderen aber hart zurückschlagen. Verfassungsbeschwerden, Boykottaufrufe und Internet-Kampagnen halten die Verleger auf Trab und fressen die geringen Einnahmen auf, die das Leistungsschutzrecht in die Kassen gespült hat.
Wahrscheinlichkeit: niedrig.

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