Arrangement

Zeit für einen Blick auf ICANN?

Bei ICANN habe ich einiges mitgemacht: Habe jahrelang darüber gebloggt, stundenlange Telefonkonferenzen angehört, bin zu Tagungen gereist oder habe sie im Netz verfolgt — und irgendwann war es dann genug oder sogar ein bisschen zu viel. Natürlich höre ich mir immer noch gern, was die geschätzte Jeanette Hofmann im Netzpolitik-Podcast zum Thema zu sagen hat, und ich lese weiterhin Bret Fausetts Blog Lextext.

Aus der Hinterher-ist-man-immer-schlauer-Perspektive: ICANN war für jeden etwas anderes. Zahlreiche Sozialwissenschaftler fanden es als cyberdemokratisches Experimentierfeld spannend, waren aber mehr am Verfahren interessiert als an den tatsächlichen Problemen, mit denen sich ICANN herumschlagen musste. Andere waren, noch etwas abstrakter, an ICANN als neuem Governance-Ansatz interessiert. Die Regierungen stürzten sich ebenfalls darauf: Weil ICANN als Organisation ein vertrauteres Muster war als die langbärtigen Wissenschaftler, die sich vorher um das Domainnamensystem kümmerten. Weil sie Internet als wichtiges Zukunftsthema erkannten und nationale Interessen zu verteidigen suchten, ohne genau zu wissen, worin diese bestehen. Die Firmen sahen ICANN mal als Quasi-Regulierer, mal als Lizenzvergabestelle zum Drucken von Geld, mal als Forum, in dem die Industrie ihre Probleme lösen konnte. Für viele Techniker war es ein Rätsel, was all diese Nicht-Techniker da wollen.

Und jetzt? Wäre ICANN tatsächlich eine klassische internationale Organisation geworden, dann würde noch heute ein Verfahren laufen, in dem die Rootserver nach regionalem Proporz verteilt werden. Das war tatsächlich lange ein großes Aufregerthema: Wieso stehen so viele der 13 Server in den USA? Imperialismus! Die Lösung war schließlich keine politische, sondern eine technische (Anycast): Heute verteilen sich die Rechner über die ganze Welt.

Es ist ruhiger geworden, und aus der Perspektive des entfernten Beobachters sieht es so aus, als wenn sich alle wichtigen Spieler mit dem Fortbestehen ICANNs arrangiert haben, selbst die Rootserver-Betreiber und die Weltfernmeldeunion ITU.

Womöglich ist aber gerade das ein guter Zeitpunkt, ICANN wieder etwas genauer zu verfolgen. Zum Beispiel auf das Budget zu schauen: 2002/03 lagen die Gesamteinnahmen bei sechs Millionen US-Dollar, dann kletterten sie auf neun Millionen, 15 Millionen, 30 Millionen, 42 Millionen und schließlich 49 Millionen US-Dollar (2007/08). Im neuesten Etatentwurf rechnet ICANN für 2009 mit Einnahmen von 61,7 Millionen US-Dollar (via Lextext).

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