.kids.us am Start

Die angeblich kindersichere Domain ist keine Lösung für Kinder im Netz.

Am 4. September ist es soweit: .kids.us startet. Eine Domain für ein kindersicheres Internet klingt wie ein Vorhaben, gegen das man einfach nichts einwenden kann. So ist der Netzwelt-Redakteur Frank Patalong von Spiegel Online ein großer Fan dieses Vorhabens und wirft der Netzverwaltung ICANN vor, dass sie nicht gleich .kids für die ganze Welt eingerichtet hat. Ich bin gespannt, ob er zum .kids.us-Start ähnliche Begeisterung aufbringt — nicht alles ist so wunderbar, wie die Pläne klingen.

Gegen die Einführung einer .kids-Domain gibt es gute Gründe: Sie suggeriert „Kindersicherheit“ durch Technik, obwohl eine Vielzahl von Standards für kindgemäße Inhalte bestehen und nur das Web auf diese Weise kontrolliert wird. Kindersicherheit durch Technik ist eine gefährliche Illusion. Sie verführt dazu, einen Filter zu installieren und das Kind auf diese Weise in sicheren Händen zu wähnen. Trotz Medienhype ist das Internet aber nur ein winziger Teil der Wirklichkeit, wie sie Kinder erleben. Die Verantwortung bleibt bei den Eltern und kann nicht auf die Kontrolle durch Domainverwalter abgeschoben werden.

Bei .kids.us soll ein Link zu Seiten, auf denen exotic dancers zu sehen sind, zur sofortigen Entfernung der gesamten Domain aus dem Netz führen. Bei einem Link zu irgendeinem kindgerechten Angebot außerhalb von .kids.us bleiben zumindest 12 Stunden, bevor die Domain verschwindet. Was kindgerechte und was jugendgefährdende Inhalte sind, ist nicht nur von Land zu Land verschieden, aber hier lassen sich die Unterschiede besonders deutlich zeigen. Der Schwarzenegger-Film Total Recall ist freigegeben für 12-Jährige in Frankreich, in den USA dürfen 17-Jährige nur in erwachsener Begleitung in den Film. In Schweden ist er frei ab 15, im benachbarten Norwegen erst ab 18.

Noch deutlicher sind die Unterschiede beispielsweise bei 2002 – Durchgeknallt im All: In Deutschland kommen Sechsjährige ohne Probleme in den Film, in den USA ist der Film „rated R for crude sexual humor“, also frei ab 17 und nur in Begleitung von Erwachsenen. Bei About a Boy gibt es Freigaben ohne Altersbeschränkung und ab 6, 7, 10, 12, 13 und 14 Jahren, teils mit und teils ohne empfohlene Begleitung Erwachsener.

Schließlich verbietet .kids.us grundsätzlich jeden interaktiven oder Multi-User-Inhalt wie E-Mail, Foren und Chats. Verständlich ist es schon, da es kaum eine sinnvolle Überwachungsmöglichkeit außer 24-Stunden-Moderation gibt. Was bleibt aber von einem solchen linklosen Einbahnstraßen-Internet übrig? Eltern können sich die Onlinekosten besser sparen und gleich zu einer kindgerechten CD-Rom greifen.

Die Ablehnung von .kids ist womöglich die beste Entscheidung, die die Netzverwaltung ICANN bislang zustande gebracht hat. Das Internet birgt ohne Zweifel Gefahren für Kinder. Diese Gefahren sind deutlich kleiner als die einer vierspurigen Straße, aber sie sind da. Das Domainnamensystem kann technische Herausforderungen lösen, aber nicht die Erziehung übernehmen: Wenn Kinder surfen, müssen Erwachsene mitsurfen. Lernen können sie von ihren Kindern dabei allemal.

3 Kommentare

  • Es ist sicherlich richtig, daß .kids.us ein politischer Stunt ist — und die ICANN vorgeschlagene .kids in zumindest einem der Vorschläge (ICM; siehe http://wendy.seltzer.org/blog/archives/000057.html für Werbematerial aus Montreal) ein Feigenblatt für .xxx war.

    Es gibt also gute Gründe für ICANNs Entscheidung spricht, diese Domain nicht zu akzeptieren. Aber: Sollte ICANN sich diese Fragen beim Hinzufügen neuer TLDs überhaupt anschauen? Hätte es nicht einfach einen dieser Vorschläge zu- und scheitern lassen sollen?

  • Keine wirklich einfache Frage. Grundsätzlich halte ich eine möglichst neutrale, allein an technischen Parametern orientierte Vergabe neuer Top-Level-Domains für wünschenswert. Problematisch wird es aber bei politischen Domains, zu denen eben auch Domains für Erwachsene (.xxx) und Kinder (.kids) gehören. ICANN kann dann zwar die technische Entscheidung über eine politisch brisante Domain treffen, aber wer trifft die politische Entscheidung — niemand? Solange es dafür keinen überzeugenden Prozess gibt, habe ich für eine vorsichtig-abwartende Haltung ICANNs viel Verständnis. Zumal sie dazu geführt hat, dass die US-Politiker, die sich damit profilieren wollen, erst einmal im eigenen Land experimentieren.