Kopf im Netz

Multimedia bei britischen Onlinemedien.

Online-Videoplayer

Wohin mit den Onlinejournalisten? Eine der spannenden Fragen in der Studie „Convergence calls: Multimedia storytelling at British news websites“ (Download) von Neil Thurman and Ben Lupton, die auf einem internationalen Symposium in Austin vorgestellt wurde (via Reportr.net). Die Autoren haben mit den Online-Chefs von BBC, Sky, Guardian, FT, Mirror, Telegraph, Times und Sun darüber gesprochen, wie Videos, Podcasts und Animationen auf ihren Webseiten eingesetzt werden — und wie Multimedia im Tagesgeschäft organisiert wird.

Herauszuhören ist einige Skepsis, ob der vollständig integrierte, multimediale Newsroom wirklich der Weisheit letzter Schluss ist. Onliner, die sich als solche verstehen, sind offenbar auch in Zukunft wichtig: „If you have people who are in their heads in both places, the website doesn’t get the attention it needs“, sagt zum Beispiel Times-Onlinechefin Anne Spackman.

Die britischen Zeitungen gehen die Herausforderung Online-Video unerschrocken an und spotten über die „Fernseh-Mentalität“, alles mit höchstem Aufwand und ordentlichen Kosten zu produzieren. Aber auch für Online-Video ist der Aufwand beträchtlich: Für die Sun etwa investieren zwei Leute einen Arbeitstag für 120 Sekunden Bewegtbild, der Guardian setzt sogar auf Dreierteams.

Und zum Stichwort „elektronische Presse“: Den Befragten, sowohl von Zeitungen als auch von TV-Sendern, ist klar, dass bewegte Bilder nicht in einem Vakuum schweben, sondern einen Kontext — nämlich Text — benötigen. Die Videos verlassen bei den Nachrichten-Websites zunehmend die Schublade „Videos“ und werden direkt in die passende Meldung eingebettet.

Einbaufilme

BBC stellt Videos zur Meldung.

Dass Online-Videos zu den entsprechenden Artikeln gehören, weiß die BBC schon eine ganze Weile. Jetzt verabschiedet sie sich nach und nach von den Links, die zu Popup-Fenster führen, in denen dann Windows-Media- und RealMedia-Filme starten, und baut Videos mit dem Flash-basierten Embedded Media Player ein. Und eine wichtige Passage, via Fabian Mohr: „Note, you will eventually be able to syndicate and embed BBC video in your own sites.“

Nachtrag: Die Einbaufilme sind offenbar ein Erfolg. „Early signs suggest that on those stories where we’ve embedded the video in a story, as opposed to providing the link to a pop-up player as we’ve done up to now, the video gets about ten times more usage than before.“

Eingebettetes BBC-Video

Wer eines der Videos (wie dieses) abspielt, erkennt an der Farbe des Fortschrittsbalkens die Verwandtschaft dieses Players mit der BBC-On-Demand-Plattform iPlayer, die derzeit wieder für Schlagzeilen sorgt. Die BBC hat vor kurzem eine iPlayer-Variante für iPhone und iPod touch eingeführt – auf diesen mobilen Geräten laufen die TV-Inhalte ohne DRM, also ohne Rechtebeschränkung. Prompt hatten findige Menschen damit einen Weg, an DRM-freie Videos zu kommen.

Balken im Auge

FAZ erklärt Testbilder für tot.

Dass es ein Testbild oben auf die FAZ-Titelseite geschafft hat: schön. (Es ist ein wabbeliges Schwarzweiß-Testbild, das 3sat schon mal gefeiert hat.) Aber was müssen wir dann lesen: „Testbilder wie dieses aus den fünfziger Jahren gibt es schon lange nicht mehr“?

Extra für die Ungläubigen bei der FAZ:

Erzähler

Jennifer Crandalls Videoprojekt onBeing.

Über die Festtage ein wenig Zeit übrig?

Screenshot onBeing

onBeing besuchen: Menschen erzählen — über Banknotengravur, Seesternbiologie, arabische Gebärdensprache und Gedächtnisverlust. Jede Woche kommt ein neues Video dazu.

Immer noch Zeit übrig? Exzellente Links zum Thema Storytelling im Netz bei Fabian Mohr.

Video, nicht TV

Bewegtbild-Ästhetik im Netz.

Fernsehen machen kann lieber das Fernsehen machen — das ist eine ziemlich gute Devise für Online-Video. In Deutschland zeigt das vor allem die Zeit, beispielsweise mit der Serie über Video-Überwachung in Hamburg und Berlin (Teil 1 und Teil 2) von Stephan und Christoph Hartmann: erkennbar professionell, aber nicht unbedingt nach den Gesetzen des klassischen TV-Beitrags gedreht. (Gefunden via Surveillance Studies.)

Einen ähnlichen Ansatz wählt jetzt der Guardian, der sich „a distinct visual style and what’s hopefully a refreshing lack of TV news clichés“ vorgenommen hat, wie Neil McIntosh von Guardian Unlimited in seinem Blog schreibt. Wichtig sei, kein armseliger Abklatsch der Fernsehnachrichten zu werden: „We need to be able to do something that’s distinctively the Guardian, part of an ecosystem of web content that includes audio, text and photography, produced by our professionals and by our users.“ Ein Video-Beispiel dafür: Transportprobleme im überfluteten Tewkesbury, unterlegt mit klassischer Musik.

Während also ein Teil der Online-Video-Profis nach einer etwas anderen Ästhetik sucht, hat Jackson West bei NewTeeVee einmal gesammelt, was die Amateur-Ästhetik auf YouTube & Co. derzeit ausmacht. Die Vergleiche mit Cinéma vérité und Dogma sind streckenweise gewagt, aber spannend.