Wir und die

Die Sprachrichtlinien von Kataloniens TV3.

Kataloniens Separatisten haben jetzt ein neues Schlachtfeld: Wenn Madrid die Regionalregierung Kataloniens bald absetzt, geht es auch um die Medien – vor allem um TV3. Spaniens Ministerpräsident Rajoy hat den nächsten Schritt angekündigt: »Bei den öffentlichen Medien übernehmen die neuen Verwalter die Funktionen, die vorher die Generalitat hatte.« Die Verwalter, das sind die Vertreter der spanischen Zentralregierung.

TV3 ist der regionale TV-Sender der CCMA, der Katalanischen Gesellschaft für Audiovisuelle Medien, die wiederum der Generalitat gehört und sich zu drei Vierteln aus Mitteln der katalanischen Staatskanzlei finanziert. (An dieser Stelle einen schönen Gruß an die deutsche Staatsfunk-Debatte.)

Dass TV3 in der Auseinandersetzung immer wieder einseitig Partei für die Separatisten ergriffen haben soll, kann ich selbst nicht beurteilen, auch wenn es in Madrider Medien oft zu lesen ist. Aber es ist durchaus spannend, mal im Styleguide der CCMA zu stöbern. Dort gibt es einen Abschnitt über die »eigene Sichtweise«:

Auf Katalanisch werden Negativ- und Positivbeispiele für den Sprachgebrauch angegeben.

Es ist demnach falsch, vom »katalanischen Parlamentspräsidenten« zu sprechen – mit »Parlamentspräsident« ist der katalanische gemeint. Der spanische Parlamentspräsident wird wie der schwedische Parlamentspräsident behandelt, als Ausländer also. Es soll auch nicht von der »Nationalmannschaft« die Rede sein, sondern von der »spanischen Nationalmannschaft«. Auch Begriffe wie »staatlich« sollen nicht verwendet werden, wenn es um Spanien geht. Nicht einmal das Wort »Zentralregierung« bleibt ungetadelt.

Sprache ist natürlich auch auf anderer Ebene Teil der Mission für die CCMA: Sie hat ein ganzes Sprachportal online, das mit Sprachregeln und Wörterlisten den richtigen Gebrauch regelt und für alles eine katalanische Variante bietet.

Wenn jetzt also nicht mehr Barcelona, sondern Madrid die Aufsicht über TV3 hat, sind Konflikte programmiert. Der TV3-Betriebsrat hat schon getwittert, dass er die »Unabhängigkeit der öffentlichen Medien und das Recht auf Information verteidigen« will. Bleibt die spanische Regierung ihrem Elefant-im-Porzellanladen-Stil treu? Dann wird womöglich TV3 umgekehrt alles dafür tun, um als Märtyrer der Pressefreiheit zu gelten.

 

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Spanische Wahlwerbespots.

Leider erst nach der gestrigen Wahl entdeckt: RTVE hat die Wahlspots spanischer Parteien auf einen Blick. Sehr bizarr ist zum Beispiel der Spot des Movimiento Católico, der optisch ein wenig an eine Videobotschaft irrer Geiselnehmer erinnert. Die rechtsradikale Falange (FE de las Jons) setzt in ihrem Film auf gemütliche Straßen- und Luftaufnahmen sowie Nelly Furtado, um ihre Botschaft zu verharmlosen. An die kommunistische PCPE geht der Preis für den Spot mit den meisten ¡Ausrufezeichen! Und dann ist da noch der PSOE-Film im Süßwaren-Reklamestil, bei dem der Sohn 300 Kilometer in sein Heimatdorf fährt, um seine Mutter zur Wahl zu bringen, obwohl sie weiterhin für die PP stimmt.

Umfragetourismus

Spanische Umfragen in Andorra.

Wie praktisch für die spanische Zeitungsgruppe Zeta: Deren wichtigstes Blatt, El Periódico, darf zwar wie alle anderen spanischen Zeitungen fünf Tage vor der Wahl keine Umfragen mehr veröffentlichen. Stattdessen gibt es aber auf deren Website einen sehr prominenten Link auf die andorranische Schwesterzeitung El Periòdic d’Andorra mit der Schlagzeile „Die Umfragen, die man nicht in Spanien lesen kann“.

Website von El Periodico

Leider schon ein paar Jahre alt ist eine Studie (PDF, 150 kb) des Meinungsforscher-Verbandes ESOMAR, die die Lage in 66 Ländern vergleicht. In 54 % der Länder gab es 2002 keinerlei Verbote, Umfragen vor der Wahl zu veröffentlichen. 46 % der Länder setzten dagegen Fristen zwischen einem Tag und erstaunlichen 30 Tagen (Luxemburg).

El País wieder zugänglich

Die spanische Tageszeitung öffnet ihr Online-Angebot.

Im November 2002 hatte die spanische Tageszeitung El País beschlossen, ihre Website nahezu komplett in ein Bezahl-Angebot umzuwandeln. Damals sagten die Verantwortlichen, sie rechneten mit einem Besucherrückgang von 90 Prozent — aber es käme nur auf die Zahlungswilligen an (E&P berichtete). Jetzt, seit Anfang Juni 2005, ist elpais.es „abierto para todos“, offen für alle. Die vollständigen Inhalte der gedruckten Zeitung gibt es zwar weiterhin nur für Abonnenten, die zudem Bonus-Inhalte bekommen. Aber El País ist jetzt immerhin wieder als Online-Angebot aufgetaucht, nachdem die Konkurrenten El Mundo und ABC immer weiter zulegen konnten. Allerdings fragen sich spanische Blogger mit Recht, ob es für El País jetzt so leicht ist, die verloren gegangenen Nutzer zurückzugewinnen.

El Pais abierto para todos - CNN.com with free video

Nachtrag: CNN stellt wie angekündigt jetzt kostenlos Videos (mit Werbung) auf seine Website. Zuvor verlangte CNN.com 4,95 Dollar pro Monat für die Videos. Zwar gibt es diese stets nur für ein paar Tage, und es gibt weiterhin ein Premiumangebot zum Bezahlen — aber auch hier ist ein Großteil der weggesperrten Inhalte wieder zugänglich.

Machtwechsel in Spanien

Zapatero wird Ministerpräsident.

Eine erstaunliche Wahl in Spanien. Die konservative Volkspartei PP hat rund 700.000 Stimmen, also knapp sieben Prozent der Stimmen von 2000, verloren. Das ist für die PP aber ein Verlust von über 15 Prozent der Stimmenanteile, da die PSOE-Sozialdemokraten rund 3.000.000 Stimmen dazu gewonnen haben. Eine Wählerwanderungsbilanz habe ich leider bislang nirgends gesehen, aber es spricht einiges dafür, dass die PSOE aus dem Nichtwähler-Lager gewonnen hat: Diesmal stimmten rund 25,8 Millionen statt 23,3 Millionen gültig ab. Ob das überwiegend Protestwähler waren oder frühere PSOE-Anhänger, die durch die Terroranschläge und die Reaktion der PP-Regierung mobilisiert wurden, werden die gründlichen Analysen zeigen. Die großen Gewinner unter den kleineren Parteien sind offenbar die katalanischen Linksregionalisten der ERC — die Partei, deren Chef sich mit Vertretern der ETA-Führung in Frankreich getroffen hat (danach kam die ETA-Waffenruhe für Katalonien). Das deutete sich allerdings schon in den Umfragen vor den Anschlägen in Madrid an.