Katine

Der Guardian und ein Dorf in Uganda.

Can we, together, lift one village out of the Middle Ages?, fragt Guardian-Herausgeber Alan Rusbridger. Katine ist eine Gemeinde im ugandischen Distrikt Soroti, in der 25.000 Menschen leben. Die afrikanische NGO Amref, der Guardian und die britische Bank Barclays wollen dort — mit Unterstützung der Guardian-Leser — den Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung, Trinkwasser, Verdienstmöglichkeiten und lokalpolitischer Mitsprache verbessern. Und wollen dabei weder eine künstliche Wohlstandsoase schaffen noch milde Gaben verteilen. Der Guardian zeigt mit dem heute gestarteten Projekt Katine, wie sich so etwas exzellent im Netz verfolgen lässt.

Joshua Kyallo von Amref über das Projekt (Guardian Audio):
[audio:http://download.guardian.co.uk/sys-audio/Guardian/audio/2007/10/18/JoshuaKyallo_Amref_mixed.mp3]

Video, nicht TV

Bewegtbild-Ästhetik im Netz.

Fernsehen machen kann lieber das Fernsehen machen — das ist eine ziemlich gute Devise für Online-Video. In Deutschland zeigt das vor allem die Zeit, beispielsweise mit der Serie über Video-Überwachung in Hamburg und Berlin (Teil 1 und Teil 2) von Stephan und Christoph Hartmann: erkennbar professionell, aber nicht unbedingt nach den Gesetzen des klassischen TV-Beitrags gedreht. (Gefunden via Surveillance Studies.)

Einen ähnlichen Ansatz wählt jetzt der Guardian, der sich „a distinct visual style and what’s hopefully a refreshing lack of TV news clichés“ vorgenommen hat, wie Neil McIntosh von Guardian Unlimited in seinem Blog schreibt. Wichtig sei, kein armseliger Abklatsch der Fernsehnachrichten zu werden: „We need to be able to do something that’s distinctively the Guardian, part of an ecosystem of web content that includes audio, text and photography, produced by our professionals and by our users.“ Ein Video-Beispiel dafür: Transportprobleme im überfluteten Tewkesbury, unterlegt mit klassischer Musik.

Während also ein Teil der Online-Video-Profis nach einer etwas anderen Ästhetik sucht, hat Jackson West bei NewTeeVee einmal gesammelt, was die Amateur-Ästhetik auf YouTube & Co. derzeit ausmacht. Die Vergleiche mit Cinéma vérité und Dogma sind streckenweise gewagt, aber spannend.

Fünfzigtausend

Alte Guardian-Titelseiten zum Jubiläum.

Der Guardian feiert seine 50.000 Ausgabe mit einem Artikel und vor allem einer Galerie von 50 Titelseiten seit 1821 — und die zeigt, wie sehr sich die Zeitungen äußerlich verändert haben.

„Atomic bombs used on Japan“ steht 1945 in Versalien über einem langen Zweispalter, auf einer Seite voller Text, ohne ein einziges Bild. Während der Suezkrise 1956 finden sich auf der Titelseite so hölzerne Überschriften wie „Mr. S. Lloyd to attend N.A.T.O. Council“ und „Mr. Gaitskell puts Labour’s view“. Erst beim Kennedy-Attentat 1963 sieht die Seite eins so aus, wie man es erwartet: die unterstrichene Schlagzeile größer als der Zeitungskopf. Ähnlich eindrucksvoll ist der Vergleich zwischen der Ausgabe vom 13. Juni 1964 – Nelson Mandela wird zu lebenslanger Haft verurteilt – und der vom 12. Februar 1990 – Nelson Mandela ist frei.

Doppelschlag

Neue Online-Looks für Zeit und Guardian.

Zeit-Online-Merkliste Zeit Online macht einen radikalen Schnitt — der Relaunch am Montag lässt zumindest auf der Startseite des Angebots kaum einen Stein auf dem anderen, wie das Vorabbild verrät. Hoffentlich gelingt es mit der neuen Ressort-Navigation und der Einteilung in linke Seiten- und rechte Hauptspalte, die vielen exzellenten Inhalte endlich einmal besser zugänglich zu machen.

Auffällig ist unter anderem die neue Merkliste: Wie bei der Herald Tribune können Nutzer erst einmal die Artikel einsammeln gehen und dann gebündelt lesen. Neu ist das auch in Deutschland nicht. Schon im Jahr 2000 gab es auf der Website der Financial Times Deutschland Kästchen vor den Artikeln und einen Link „Meine Artikel“. Bei FTD.de ist das Feature längst wieder verschwunden, dafür ist es etwa bei YouTube wieder aufgetaucht. Mal abwarten, ob die Zeit-Online-Leser auch solche Sammelleidenschaft besitzen.

(Schneller Nachtrag nach dem Relaunch: Der allererste Eindruck ist gut, auch wenn 796 Pixel für den Inhalt auf einem 1280-Pixel-Monitor eher schmal wirken. Die Ressorts sind, wie zu erwarten war, deutlich besser zugänglich. Allerdings habe ich den Verdacht, dass hier vergangene Navigierbarkeitsschwächen etwas überkompensiert werden.)

Guardian-Start- und Unterseiten Einen neuen Look hat auch die britische Zeitung Guardian ihrer Online-Startseite verpasst: Erstaunlicherweise erinnert das Logo von Guardian Unlimited weiterhin stärker an das Zeitungsdesign der Jahre 1988 bis 2005 als an das aktuelle. Online-Chefin Emily Bell erklärt, das neue Website-Design erlaube mehr Flexibilität und betone die visuellen Elemente. Leider soll der Umbau von Guardian Unlimited aber anderthalb Jahre dauern. Derzeit müssen die Nutzer mit einem wilden Stilmix leben: Ein Klick auf einen Startseiten-Artikel führt ins schmalere, anders gestaltete Politik-Ressort. Das Arts Blog ähnelt der Debattenplattform, sieht aber völlig anders aus als Roy Greenslades Medienblog. Und der Reiseteil sieht jetzt aus wie eine Mischung aus allem.

Wochenspiegel

Neues Design auch für Guardian Weekly.

Guardian WeeklyFast zwei Jahre nach dem Guardian bekommt nun auch die Wochenausgabe einen neuen Look: Guardian Weekly ist seit diesem Freitag durchgehend farbig und misst handgestoppte 233 mal 313 mm. Schwerpunkte der ersten Weekly sind internationale Nachrichten (7 der 48 Seiten), Leitartikel und Kommentare (6 Seiten), der Review-Teil mit längeren Reportagen und Analysen (5 Seiten), während Nachrichten aus Großbritannien gerade einmal so viel Platz bekommen wie die Buchrezensionen (4 Seiten). Ein paar Artikel stammen aus dem Guardian-Sonntagsblatt Observer, je ein Kommentar und ein Artikel aus der Washington Post, diesmal nichts eine Reportage aus Le Monde.

Das Blatt erscheint also am Freitag, geht aber schon am Dienstag in Druck. Die Wechselkurstabelle stammt vom Montag. Wer liest so etwas im Internetzeitalter? Die Verkaufsauflage von 78.500 Exemplare geht zu 34 Prozent nach Afrika. Die Anzeigen stammen fast ausschließlich von Banken und Bildungseinrichtungen oder bieten Jobs in der Entwicklungshilfe. Wenn die Daten aus der Leserumfrage 2004 noch stimmen, erreicht das Blatt vor allem die Eliten im Bildungs- und Regierungssektor.

Leider ist Guardian Weekly auch im neuen Design vergleichsweise tot — ein Ein-Zeitungs-Pressespiegel eben, zusammengestellt für die bedauernswerten Menschen, die den echten Guardian nicht täglich bekommen können. (Noch schlimmer ist übrigens das Magazin Guardian Monthly.) Aber die Zahl der Menschen, die lieber mindestens drei Tage alte Artikel gedruckt lesen wollen als dafür das Internet zu nutzen, reicht 2007 offenbar noch aus, um das Konstrukt am Leben zu erhalten.