Monde solide

Die erste Le Monde im neuen Look.

Schriften bei Le Monde

Le Monde ist — wie angekündigt — nun erstmals im neuen Kleid erschienen und hat eine PDF-Beilage zum Relaunch herausgegeben. Die Zeitung setzt als Textschrift Fenway ein, die der große Matthew Carter für Sports Illustrated entworfen hat und deren Namen daher an das Baseballstadion Bostons erinnert. Für die übrigen Überschriften hat sich die Zeitung spezielle Schnitte von Carters Rocky schneidern lassen. Rocky ist eigentlich ein Entwurf für die Rocky Mountain News. Die Überschriften des „Rendez-vous“-Teils sind in der Benton Sans light, die auf Morris Fuller Bentons News Gothic basiert.

Soweit es von der PDF-Titelseite und der Flash-Demo beurteilbar ist: Schön gestaltet, aber nicht Bahn brechend. Das Mehr an Infografik und Fotos mag für französische Leser eine Neuigkeit sein, anderswo ist es das nicht.

Nachtrag: Bertrand Pecquerie kritisiert die fehlende Verbindung zwischen Online- und Printversion: „I am not sure it is enough to prepare the future.“

Noch ein Nachtrag: Newsdesigner.com hat viele neue und alte Seiten zum Vergleichen.

Le Monde vor dem Relaunch

Ab Montag drei Zeitungsteile und ein neues Layout.

Ausschnitt aus Le-Monde-Schriftzug

Von Montag an will Frankreichs liberales Vorzeigeblatt Le Monde dem Auflagenschwund mit einer „nouvelle formule“ trotzen. Aus drei Teilen soll die Zeitung künftig bestehen: Nachrichten/Wirtschaft/Sport („actualités“), Analyse/Reportage („décryptage“) und Nutzwert/Kultur/Medien („rendez-vous“). Das Blatt erscheint bereits im Berliner Format, muss also nicht in die Schrumpfmaschine — aber natürlich bekommt „Le Monde“ auch einige optische Veränderungen verpasst: größere Schrift, mehr Bilder, mehr Farbe, Layout in fünf statt sechs Spalten. Es bleibt aber beim Druck am Vormittag, so dass „Le Monde“ nicht vor 12 Uhr in Paris und noch später im restlichen Frankreich erscheint.

Das kleine Vorschaubild, das der Mutterkonzern Prisa präsentiert, macht allerdings wenig Lust auf den Relaunch: Die beiden Probeseiten im neuen Design verströmen bleierne Langeweile, die womöglich vorhandenen typografischen Finessen verschwinden bei dieser schlechten Reproduktion, die Spalten sehen überbreit aus. Allerdings sah Le Monde noch 1994 fast so aus wie bei der Gründung 50 Jahre zuvor. Damals gönnte sich das Blatt eigene Hausschriften (Le Monde Journal und Sans), seit dem Relaunch 2002 zudem als Titelschrift Lucas im Einsatz. Der konservative Figaro hat seinen Relaunch übrigens gerade hinter sich, die Libération hat ihn noch vor sich. Und die Titelseite des investigativ-satirischen Canard enchaîné ist gestalterisch eine einzige Grausamkeit.

Nebenher: Wer glaubt, Zeitungs-Relaunches seien eine verschwenderische Angelegenheit oder neumodische Verspieltheit, hat die Augen noch nicht offen. Für die Zeitungen geht es darum, ob sie mit ihren Lesern aussterben. Da kann eine ganz praktische Frage wie die nach der U-Bahn-Verträglichkeit im Jahr 2005 entscheiden, ob es die Zeitung 2020 noch gibt.

Zum Weiterlesen:
Holger Alich (Handelsblatt): Le Monde verschönert sich
Palmer Watson (Relaunch-Beraterbüro)
Le-Monde-Selbstporträt von 2002 (in Flash)
Sonderbeilage zum Relaunch 2002 (als PDF)
Jochen Hehn (Die Welt): Gnadenfrist für France Soir
Chronologie zu France Soir

Frei nach 158 Tagen

Florence Aubenas und Hussein Hannoun sind frei.

Presseschnipsel zur Freilassung von Florence Aubenas und Hussein Hanoun

Nach 158 Tagen Gefangenschaft im Irak sind die Journalistin Florence Aubenas und ihr Dolmetscher Hussein Hannoun freigekommen. Aubenas ist auf dem Weg nach Frankreich.Vor 58 Tagen hatten die französischen Medien mit einer Kampagne dafür gesorgt, dass die beiden nicht in Vergessenheit geraten.

Pourquoi pas?

Zur Interpretation der französischen Ablehnung.

Ein wenig mehr Licht in das Dunkel des französischen „Non“ zur EU-Verfassung bringt eine Umfrage (für Le Monde, RTL und TF1). Demnach hat die französische Linke zu 67 Prozent gegen, die französische Rechte zu 65 Prozent für den Verfassungsvertrag gestimmt. Wichtigstes Argument war für 46 Prozent der Nein-Wähler die Befürchtung, die EU-Verfassung verschärfe die Arbeitslosigkeit in Frankreich. Immerhin 34 Prozent nennen als wichtigsten Grund für ein, dass der Vertragstext sehr schwer verständlich sei.

Carl Bildt interpretiert die Karte des Ergebnisses nach Départements als „Revolt of the Rural“: Städte wie Paris, Lyon, Bordeaux Toulouse dafür, ländliche Regionen überwiegend dagegen. Kausalität oder Korrelation? Laut Libération haben vor allem die reicheren, rechteren Pariser Arrondissements für die EU-Verfassung gestimmt, in Marseille war die Ablehnung in den vernachlässigten Arbeitervierteln am höchsten.

Non!

Frankreich offenbar gegen EU-Verfassung.

Libération um Punkt 22 Uhr: „C’est un non clair, franc et massif.“
Le Monde: „La France rejette nettement le traité constitutionnel“
Le Figaro: „Le non historique du 29 mai“

tagesschau.de: Was geschieht nach einem französischen „Non“?
BBC: What will the French EU vote mean?

European, a: Live-blogging the French Referendum
A Few Euros More: Blog Roundup, [pre-]referendum edition

Arte berichtet gerade vom Place de la Bastille, wo unter anderem attac feiert. Danach weiter zu Jacques Chirac, der einen „neuen Impuls“ ankündigt, also wohl eine Regierungsumbildung.

Le-Monde-Wahlticker: La soirée électorale heure par heure

Bei Libération steht derzeit an zweiter Stelle ein kurzer Artikel über die Reaktion in den Weblogs. Zu Beginn geht es auch darum, dass Blogger die Sperrfrist der Umfrage gebrochen haben. Der verlinkte Eintrag bei Publius.fr beruft sich allerdings auf das Schweizer Radio und Fernsehen.

Phoenix übernimmt übrigens von 23.20 bis 2.00 Uhr das Programm von France 2 (linker Kanal: gedolmetscht, rechter Kanal: Original).

Schwedens früherer Premierminister Carl Bildt schreibt in seinem Blog, er halte nichts von weiteren Referenden über den selben Text: „To continue with ratification in different countries is just to prolong the agony.“ Das sehen die führenden Parteien im Europäischen Parlament offenbar anders: „La bataille continue“, zitiert Le Monde Martin Schulz. Alle Länder sollen die Gelegenheit haben, ihre Meinung zu äußern.

Und wieder was gelernt: Libération titelt jetzt „Chirac dans le collimateur„. Kollimatoren sind beleuchtete Fernrohre mit Fadenkreuz.

Schluss für heute — mit dem Preis für prophetische Gaben an den Economist für sein Titelbild (via).