Wikis vor 1900

Freiwillige Helfer ermöglichten das OED.

Every day, librarians around the world turn to the Oxford English Dictionary (OED) as the definitive resource. This trusted authority, however, has a shocking secret — the venerable OED began life as a wiki. Well, sort of.

Bibliothekar Chris Harris, der das in einem Artikel über den Umgang mit der Wikipedia schreibt, hat Recht: Das von 1884 bis 1928 herausgegebene, wichtigste Wörterbuch der englischen Sprache begann mit einem Appell an die Englisch sprechende und lesende Öffentlichkeit „to read books and make extracts“ (Faksimile von 1879). Ein besonders wichtiger freiwilliger Helfer, der Zitatzettel für das Wörterbuch sammelte, war übrigens William Chester Minor, Insasse des psychiatrischen Hochsicherheits-Krankenhauses Broadmoor.

Land und Leute

Provinzkundschafter und Inkognito-Stars.

Manchen guten Ideen tut es gar nicht weh, wenn mehrere Medien sie haben; fast egal, aus welcher Richtung die Inspiration gekommen ist. Da sind zum einen die Journalisten, die derzeit in der Provinz nach der dortigen Jugend schauen. Maximilian Popp war in Oberkümmering („In der Stadt wohnen nur Irre“), Jochen Brenner und Benja Weller in Ducherow („In zwei Jahren bin ich hier weg“), und auch nach Rennerod und Papenburg hat der SchulSpiegel Reporter für die Serie „Wir Provinzkinder“ geschickt. Schon etwas früher war Andrea Jeska für das Zeit-Dossier in Steinhorst: Samstagnacht auf dem Land — sehr lesenswert.

Zum anderen sind da die Experimente (mal nicht am eigenen Leib). Die Washington Post hat im April den Star-Violonisten Joshua Bell zur Rushhour in eine U-Bahn-Station gestellt und die Reaktionen der Passanten abgewartet. Unter Beobachtung der FAZ saß nun Daniel Richter inkognito vor dem Centre Pompidou und hat Touristen für fünf Euro porträtiert. (Aber, FAZ.NET: Warum nur ist das Video nicht einzeln verlinkbar, sondern versteckt sich als 17. Bild einer Fotostrecke?)

8,8 mm mehr

Der steigende Schuppungsgrad.

Mehr Gestaltungsspielraum für Deutschlands Zeitschriften! Und zwar 2006 genau 8,8 Millimeter mehr als im Vorjahr — hier rot eingezeichnet:

Zeitschriften mit eingezeichnetem Schuppungsgrad

Die Zeitschriften haben nämlich laut Pressegrosso-Statistik im Durchschnitt 16,87 Bordmeter Platz (plus 17 Zentimeter), während zugleich die Sortimentsbreite auf durchschnittlich 197 Zeitschriften gesunken ist (minus 19): Also steigt der Schuppungsgrad, die Präsentationsgröße pro Objekt. Danke an Peter Schumacher für diese Lektion aus der Reihe Medienwissen für Angeber. (Das schöne Wort „Schuppungsgrad“ aber bitte kontextsensitiv anwenden.)

Ressourcenverkauf

BBC-Ü-Wagen und Studios auf dem Markt.

Möchte jemand 15 TV-Ü-Wagen, 18 Fernsehstudios und 200 Post-Production-Räumlichkeiten haben? Die BBC verkauft jetzt ihre Sparte BBC Resources, zwar ohne die Kostüme und mehr als 10.000 Perücken — dafür aber mit dem Studio, in dem EastEnders gedreht wird. (Die Playout-Sparte BBC Broadcast gehört seit 2005 als Red Bee Media australischen Investmentbänkern, seit 2004 ist die IT-Sparte BBC Technology Teil von Siemens SBS. Jetzt bleibt vom kommerziellen Arm nur noch BBC Worldwide, die die BBC-Inhalte weltweit vermarkten.)

WikiScanner

Wer bearbeitet die Wikipedia?

Ein kleines Tool nicht nur fürs Sommerloch: Der WikiScanner ermöglicht einen schnellen Blick darauf, welche Wikipedia-Artikel aus dem Netzwerk welcher Firmen und Organisationen bearbeitet wurden.

Wer allerdings hofft, dass beispielsweise aus dem Netz der Landesregierung NRW heraus an politisch umstrittenen Einträgen gebastelt wird, wird enttäuscht: Tatsächlich wird von dort aus unter anderem an den Einträgen „Germany’s Next Topmodel“, „Rot-Weiss Essen“, „List of railroad-related periodicals“ gearbeitet — allerdings richtet der WikiScanner seinen Röntgenblick auch nur auf die englischsprachige Wikipedia. (Bei der BBC scheint man übrigens auch viel Zeit mit der Wikipedia zu verbringen.)

Erklärtes Ziel von WikiScanner-Bastler Virgil Griffith: „To create minor public relations disasters for companies and organizations I dislike.“

Nachtrag: Kim Plowright, die bloggt und bei der BBC arbeitet, warnt zu Recht ein wenig vor Paranoia: In den meisten Fällen steht in großen Organisationen hinter Wikipedia-Änderungen wohl weniger ein böser Geist aus der PR-Abteilung als ein Praktikant mit zuviel Zeit. „It would be a loss to wikipedia if large organisations prevented their employees contributing to the project, in order to control the random enthusiasms that could backfire on their PR department.“

Noch ein Nachtrag: Virgil Griffith arbeitet bereits an der deutschen Fassung, berichtet Spiegel Online in einem sechsteiligen (!) Artikel über den WikiScanner. Übrigens werden auch aus dem Hause Spiegel heraus Wikipedia-Links zu eigenen Artikeln gesetzt. Das Highlight ist aber diese Änderung am Artikel über Condoleezza Rice.

Letzter Nachtrag:  Unter http://wikiscanner.virgil.gr/de ist nun die Fassung für die deutschsprachige Wikipedia zu finden. Einige auffällige Änderungen hat Spiegel Online schon gefunden, die Wikipedianer sammeln aber auch selbst.