Unglaublicher Schrott
Die Diskussion um den nr-Medienkodex geht weiter.
Vor einem Vierteljahr habe ich mich an dieser Stelle gefragt, was das Netzwerk Recherche in der Präambel seines Medienkodizes mit „neuen Technologien“ meint, die angeblich den Journalismus gefährden. Auf eine Mail an das Netzwerk habe ich bis heute keine Antwort bekommen.
Erfreulicherweise hat jemand beim nr-Jahrestreffen in Hamburg nachgefragt. Christiane Link dokumentiert in ihrem Weblog die Diskussion um den Kodex. Ein Auszug:
Jemand aus dem Publikum fragt, warum die neue Techniken eine Gefahr darstellen.
Rainer Burchardt kritisiert Blogs. Was da an Schrott verbreitet werde, einschließlich Wikipedia, sei unglaublich. Man habe es mit knallharter Ökonomisierung der Ware Information zu tun.
Christiane — bloggende Journalistin wie ich — fügt an: „Was das mit Blogs und Wikipedia zu tun hat, verstehe ich gerade nicht.“ Ich auch nicht. Aber ich kapiere ja schon nicht, dass jemand wie Burchardt, der sich damit professionell beschäftigt, immer noch solche Pauschalurteile fällt.
Nachtrag: Der Frager aus dem Publikum, Marcus Lindemann, hat sich bei Christiane zu Wort gemeldet mit einer sehr lesenswerten Ergänzung. Und so entdecke ich nebenbei auch das recherch-o-log — laut Selbstbeschreibung schreiben dort „bloggende Journalisten und Journalistinnen sowie journalistische Blogger und Bloggerinnen über journalistische Recherche und recherchierenden Journalismus“.
3 Kommentare
Es ist einfach traurig wie man immer wieder versucht „Blogs“ und sog. „Mainstream-Medien“ gegeneinander auszuspielen. Solch demonstrierte Ahnungslosigkeit von Rainer Burchardt, wie sie im vorstehenden Artikel dokumentiert wird befleissigt wieder einmal die Kritiker beider Seiten.
Man sollte das gegenseitige Nebeneinander von „Laien“-Autoren (wobei dies oftmals ja schon längst nicht mehr der Fall ist) und den „Profis“ (auch hier ließe sich oftmals Gegenteiliges vermuten) dazu nutzen um miteinander zu kommunizieren.
Immer noch gibt es Blogger deren einzige Veröffentlichungen sich aus den angeblich aufgezeigten Mißständen der konventionellen Presse ergeben. Dies ist um keinen Deut besser…
lauter falsche Einträge.
Wikipedia führt oft in die Irre, weil sich vorwiegend Leute beteiligen, die viel zu viel Zeit haben, und alle anderen niederschreiben, und häufig schreiben Leute, die von der Sache keine Ahnung haben.
„Wikipedia führt oft in die Irre …“
Okay, wie oft ist „oft“? Absolut oft oder relativ oft? Noch öfter, ja, absolut oft, würde ich sogar sagen, und vor allem in der deutlichen Mehrzahl meiner Anfragen hat mich die Wikipedia weitergebracht. Und das heißt, mir schien plausibel, was dort stand, es schien mir den nicht eben harmlosen Richtlinien der Wikipedia zu genügen, und ich fand bis heute absolut wenig, was dem haltbar entgegensteht.
„… die viel zu viel Zeit haben …“
Einsperren, das Gesocks! Woher haben die sich diese Zeit genommen?! Zeitdiebstahl! Frechheit! Momo, wo bleibst du? –
Was will uns der Autor wohl damit sagen? Der Mensch hat doch bekanntermaßen (*jeder* Mensch, nebenbei bemerkt) 24 Stunden pro Tag. Wer hat da *zu viel* Zeit? Doch wohl niemand. Weil der Autor die Wikipedia gering achtet, gesteht er ihr in der Zeiteinteilung seiner Zeitgenossen nur eine niedrige Priorität zu (so dass jedem Schreiberling nur eine kurze Spanne zum „Niederschreiben“ anderer verbleibt), und jetzt halten sich diese Rebellen nicht an seine Vorgaben. Es geht schon schlimm zu in unseren Zeiten.
Gleichwohl ist „Niederschreiben“ möglich. Vielleicht kam der Begriff der „war edits“ erst mit der Wikipedia auf. Aber die Admins, also die User mit den etwas höheren Rechten, sind nicht aus dieser schmutzigen Untiefe aufgestiegen, sondern haben sich im Gegenteil durch besondere Ausgewogenheit ihrer Äußerungen und durch Fleiß (viel Zeit, ja, das muss wohl sein) qualifiziert.
Auch Beiträge von Ahnungslosen mögen sein, und vielleicht kommt das sogar häufig vor. Aber es gibt Leute, die von der Materie etwas verstehen, und die attestieren der Wikipedia ein professionelles Niveau, vergleichbar den ganz großen Enzyklopädien unserer Zeit. Gibt es für ein (nichtkommerzielles!) Projekt ein höheres Lob? Das dürfte eine im Detail sicherlich berechtigte Kritik als Ganzes doch in die richtige Größenordnung zurückrücken, oder?