Teletext: 30 Jahre Austastlücke

Videotext feiert Geburtstag: Vor 30 Jahren begannen die ersten regelmäßigen BBC-Testsendungen.

Wenn Webdesigner über Nutzer mit älteren Browsern schimpfen, lächeln Teletexter kalt. Ihr Gestaltungsspielraum ist deutlich klarer definiert: Nach 40 Zeichen in 24 Zeilen ist beim Videotext Schluss, und für die grafische Aufmachung gibt es Blockbildchen. Vor 30 Jahren begann die BBC mit regelmäßigen Testsendungen ihres Teletext-Dienstes Ceefax („see facts“): Seither gehört die Austastlücke des TV-Signals, die der Fernseher sonst nicht darstellt, den Teletextern.

Anfang der achtziger Jahre brachten ARD und ZDF den britischen Lückenfüller unter dem Namen „Videotext“ nach Deutschland. Als sich das gemeinsame Angebot Anfang 2000 in ARD-Text und ZDF.text aufteilte, hatten die übrigen Sender längst eigene Seiten. Sat.1 probierte 1991 mit seinem Teletext, der RTL-Konkurrenz die Freude an „Twin Peaks“ zu verderben: Vor dem Ende der Serie verriet der Sat.1-Text den Mörder von Laura Palmer.

12 Millionen Nutzer am Tag

Internet am Fernseher und elektronische Programmführer sind für die meisten TV-Nutzer immer noch Zukunftsmusik, während Teletext mittlerweile zum Standard neuer Fernseher gehört. Mehr als drei Viertel der Deutschen können daher Videotext empfangen, 12 Millionen schalten täglich ein: Teletext ist ein vergessenes Massenmedium. Für die Nachrichten bedienen sich die öffentlich-rechtlichen Texte zwar immer häufiger aus den ersten Absätzen der eigenen Online-Angebote. Ein automatisch erstelltes Abfallprodukt ist der Teletext allerdings nicht: Die Formulierungen müssen kürzer sein – und jede Zeile muss passen.

Physikertext und Parlamentariertext

Ein Blick auf die internationale Welt des Fernsehtextes zeigt, was die Rundfunkstationen mit 9600 Zeichen in ursprünglich nur acht Farben fabrizieren. Der karge Zeichenvorrat macht nicht zuletzt den Erotiksendern sichtlich zu schaffen: Um menschliche Körper ansprechend in gelbe Blockgrafiken umzusetzen, ist einiges künstlerisches Talent nötig. Der Bundestag hat einen hauseigenen Teletext ebenso wie die Wiege des World Wide Web, das Kernforschungslabor CERN: Dort bekommen die Physiker über den CERN-Teletext Daten der Teilchenbeschleuniger.

Neuere Teletext-Standards machen zwar mehr Farben und Zeichen sowie eine komfortablere Navigation möglich, doch der Übertragungsweg bremst weiterhin Geschwindigkeit und Umfang. Mittelfristig setzen die Sender daher auf multimediale Programmbegleitung auf anderem Wege: Bei ihren digitalen Programmen verzichtet auch die Teletext-Mutter BBC auf das alte System.

Suche nach alten Videos mit Text

Einer der Gründe für das Schattendasein des Mediums ist vielleicht seine Flüchtigkeit: Radio und Fernsehen lassen sich leicht aufzeichnen, Webseiten kann man speichern und ausdrucken, Zeitungsartikel aufheben. Den Fernsehtext-Seiten droht dagegen schon bald die Vergessenheit. Britische Teletext-Fans suchen daher bereits nach alten S-VHS-Videobändern, die nebenbei Textseiten von früher aufgezeichnet haben. Bevor der Austastlücken-Text dem digitalen Programmguide weicht, wollen die Teletext-Sympathisanten zumindest die Entwicklungsstufen des Mediums für die Nachwelt erhalten. Riesig bräuchte ein Archiv ja nicht zu werden: Eine gesendete Seite bringt schließlich nur ein knappes Kilobyte auf die Waage.