Abschiedstribüne

Die Herald Tribune wird zum Times-Ableger.

Im März 2009 hat die Herald Tribune ihren eigenen Netzauftritt verloren und ist zu einem Nebenauftritt der New York Times geworden. (Das war damals hier Anlass für einen Blogeintrag.)

Heute, am 14.10.2013, ist es soweit: Die letzte Ausgabe mit dem alten Namen im Kopf erscheint. Auch auf Papier wird die Zeitung damit offiziell zum Ableger und heißt dann „International New York Times“. Jean Sebergs Herald-Tribune-Shirt aus Godards „Außer Atem“ ist damit ab morgen so retro wie eine Pan-Am-Tasche.

Serge Schmemann hat die Aufgabe bekommen, den Leserinnen und Lesern den Namenswechsel zu versüßen: In seinem Artikel wirbt er damit, dass ja auch anderer Fortschritt schön sein, beispielsweise Fahrrad fahrende Frauen. Was fehlt, ist der Grund für den Namenswechsel. Den liefern zwei IHT-Journalisten in einem Interview mit Spiegel International: Die New York Times will die Marke New York Times global stärken. „The brand on the top? I think people will very quickly get over that.“

In einem Guardian-Interview mit der Times-Chefin Jill Abramson sind auch ein paar Zahlen zu den Digital-Abos zu lesen: Von den 700.000 NYTimes.com-Abos stammen 66 % aus den USA, auf Platz 2 und 3 liegen Kanada (5 %) und Großbritannien (4 %). Die Vision ist ein Newsroom, der niemals schläft — weil er während der New Yorker Nacht in Hong Kong und Paris weiterarbeitet, ähnlich wie der Londoner Guardian aus New York und Sydney. Die Marke Herald Tribune ist damit ein nostalgisches Hindernis für die Marke New York Times. Adieu!

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Die letzte Ausgabe der International Herald Tribune

Iranisch gemeint

Mudschahenauten bei der FAZ.

Der Tag, an dem die Humor-ist-möglich-Fraktion der FAZ heimlich die Kontrolle übernahm.

FAZ-Überschrift: Bald Mudschahenauten?

(Es geht um Irans Pläne, einen selbstgebauten Satelliten ins All zu schießen. Und der Ausriss zeigt die Titelseite, ganz oben.)

Nordischer Zweiteiler

Das SHZ-Sonntagsblatt.

Ein kurzer Blick auf „Schleswig-Holstein am Sonntag“, das vor zwei Wochen gestartete Sonntagsblatt im Tabloid-Format für die Nordlichter (Erstausgabe zum Download). Die Zeitung macht dem Hause SHZ keine Schande, aber originelle Themen, Artikel und Fotos sind sparsam gesäht. Auffallend sind die zahlreichen Meinungs- und Ratgeberkolumnen, meist leider nicht auffallend gut. Nicht so recht überzeugend ist auch die Einteilung in 32 Seiten „Schleswig-Holstein am Sonntag“ und 32 Seiten „SonntagsMagazin“. Beide Teile gleichen sich optisch, und warum Computer-Nachrichten ins Magazin und Auto-Tests in den anderen Teil gehören, erschließt sich mir nicht. Soll das bloß Streit am Frühstückstisch um die Zeitung vermeiden?

Wo wir bei der Optik sind: Univers strahlt als Überschriften-Type und zweite Text-Schriftart neutrale Langeweile aus, und das Frutiger-Logo räumt auch keinen Preis ab. Der Verlag scheint zudem zu befürchten, die Leser könnten beim Lesen vergessen, wie ihre Zeitung heißt: Überall prangt mittig, versal und fett „Schleswig-Holstein am Sonntag“ im Seitenkopf, während sich der Titel der jeweiligen Rubrik in kursiven Kapitälchen am Innenrand verstecken muss — schlecht für die Orientierung.

Ohne Scrollbalken

Die Beta-Version des New York Times Reader.

Artikelansicht im Times Reader

Die New York Times hat in Zusammenarbeit mit Microsoft eine eigene Software zum Lesen von Zeitungsartikeln entwickelt, den Times Reader, derzeit im Beta-Stadium. Die Darstellung passt sich nahezu perfekt an die gewünschte oder vom Bildschirm vorgegebene Breite an: fünf- oder einspaltig, große oder kleine Überschriften, mit oder ohne Fotos — das alles variiert das Programm. Die Navigation durch die Artikel mit den Cursor-Tasten ist sehr bequem, es gibt keinerlei Scrollbalken, die Seitenwechsel sind flott und die Darstellung exzellent. Fotos kommen gut zur Geltung. Ein Kontextmenü zum Drucken, Kopieren, Speichern und Annotieren ist ebenfalls vorhanden.

Optisch gelungen ist die Suche: Neben einer normalen Listenansicht und einer Ansicht, bei der sich Relevanz in Größe niederschlägt, gibt es einen Topic Explorer. Das Programm greift auf die Schlagworte des jeweiligen Artikels zurück und zeigt so Artikel zum selben Thema — aber anscheinend leider nur in der selben Ausgabe.

Schlagwort-Baum im Topic Explorer

Ausgereift ist das Programm allerdings noch lange nicht: Der Ausdruck sieht gruselig aus (wirre Zeichenabstände), und gespeichert wird in einem proprietären Format. Wer einen Artikel mit del.icio.us und Co speichern will, muss zunächst auf „Open in Browser“ klicken. Der Reader weiß auch nichts von weiteren Inhalten im Web, etwa einer vertonten Bildergalerie oder weiteren Artikeln aus einer Serie. Und die Beta-Version des Readers ist mir binnen kurzer Zeit drei Mal abgestürzt.

Wozu also eine Zeitung auf diese Weise lesen? Tatsächlich ist das Lesegefühl deutlich näher am Zeitungslesen als eine Webseite, nicht nur typografisch. Das Programm vermittelt den Eindruck einer abgeschlossenen Ausgabe, macht das Durchblättern leicht. Und von dem Unsinn, eine Seite wie gedruckt darzustellen und den Leser auf eine wilde Scroll-Tour zu schicken, ist es weit entfernt. Zugleich verliert der Leser aber all die Vorteile, die ein selbst konfigurierter Browser mit Plugins und eigenen Lesezeichen bietet.

Mac- und Linux-Versionen seien geplant, schreibt die Times. Bis dahin ist die Test-Installation auch für Windows-XP-Nutzer reichlich mühsam: Erst muss eine Gamma-Version von .NET Framework 3.0 auf den Rechner, dann der Reader. Eigentlich gedacht ist das Programm für Windows Vista. Und erst 2007 will die New York Times offiziell entscheiden, ob Times Reader etwas kosten oder sich durch die schon jetzt vorhandenen, relativ unaufdringlichen Anzeigen finanzieren soll.

Mehr zum Thema:
Screenshots: Online-Hilfe zum Reader und Read/Write Web
Editors Weblog: „(I)t is a first step.“
CNet Web 2.0 Blog: „I like the Time Reader application very much, but its existence puzzles me.“