Spielerei

Noch einmal zum G8-Gipfel.

Ist die Polizeistrategie beim G8-Gipfel nun aufgegangen oder nicht? Ich habe gestern mit einer Kollegin darüber diskutiert, die der Ansicht war, die Polizei habe letztlich verloren, weil die Demonstranten den Zaun erreicht haben. Schwer zu ahnen, ob die mecklenburg-vorpommersche Polizei viel mit Spieltheorie arbeitet, aber ein bisschen erinnert es mich daran:

Spiel-Schema von Heiligendamm

So sah, ein wenig vereinfacht, die Lage ursprünglich aus: Es gibt Demonstranten, die von A nach B, zum Ziel, zum Tagungshotel an der Ostsee wollen. Die Polizei stellt sich ihnen in den Weg. Ein Nullsummenspiel: Jeder Geländegewinn für eine Seite ist ein Geländeverlust für die andere. Entweder hält die Verteidigung oder nicht — es gibt einen klaren Sieger.

Spiel-Schema von Heiligendamm mit Zaun

Der Zaun und die Sperrzonen setzen dem Nullsummenspiel ein Ende. Jetzt gibt es mehrere Spielzonen: Vor dem erweiterten Sperrbereich (A), der erweiterte Sperrbereich mit Versammlungsverbot (B), der Bannmeilenbereich um den Zaun (C), das Areal hinter dem Zaun (D) und schließlich das Hotelgelände (E). Die Polizei hat den Zaun als Zwischenziel für die Demonstranten aufgestellt, und jeder kann jetzt selbst definieren, wie wichtig ihm das Erreichen welcher Spielzone ist. Für die Demonstranten war es ein Triumph, Zone C zu erreichen, manchmal wurden sie aber bis an die Grenze der Zone B zurückgedrängt. Die Polizei kann behaupten, Zone D und E erfolgreich verteidigt zu haben. Wer hat bei diesem Spiel gewonnen? Beide Seiten, irgendwie.

(Spieltheorie ist aus meiner Sicht fast immer eine Verzerrung, die so grob ist, dass sie die Realität höchstens streift. Natürlich müsste das Spiel um Heiligendamm eigentlich noch viel, viel mehr Dimensionen haben — die wichtigste davon wäre vermutlich die Wahrnehmung und Wirkung in den Medien.)