Wie die Wolken

Der legendäre SPD-Europawahlspot von 1989.

Dass hier ein gewisses Interesse an Wahlwerbespots vorhanden ist, dürften aufmerksame Leser schon bemerkt haben. Jetzt ist endlich ein SPD-Europawahlspot von 1989 bei YouTube aufgetaucht, nach dem ich alle paar Monate suche.

Barbara Sichtermann schrieb damals in der Zeit über ihn: „‚Wir wollen wie die Wolken sein‘, zirpen tanzende Teenies, machen es aber leider nicht wahr und zappeln weiter, anstatt zu entschweben.“ Ein anderer Zeit-Autor fasste das Geschehen wie folgt zusammen: „(J)ugendliche Sänger mit modischem Diskant“ „hampeln (…) auf einer Wiese“.

Der Spot und der Song haben sich aber nicht nur bei mir im Gedächtnis festgekrallt. Elke Wittich hat in einem Jungle-World-Artikel von 1998 noch „entfesselt-fröhliche Jungwähler“ in Erinnerung, allerdings klingt die Melodie nun wirklich nicht verdächtig nach „Give peace a chance“. Christoph Schurian von den Ruhrbaronen erinnert sich 20 Jahre später an „Horden junger Menschen, an viel Sonne, grünes Land, hüpfende blau-gelbe Weltkugeln, Hans-Jochen Vogel, Rau und Lafontaine“. Dem Spot wurde 1991 sogar ein Aufsatz in einem Fachbuch über Strategien des Sprachgebrauchs in der Politik gewidmet.

Die Musik stammt vom Axel-F.-Komponisten Harold Faltermeyer; Ralf Zilligen, damals bei der SPD-Werbeagentur von Werner Butter, hat mitgetextet.

Aber genug der Worte — hier ist „Wir sind Europa“:


Direktlink zum Video

Missverständnisse

Social Media bei der SPD Hamburg.

Bei der Podiumsdiskussion über Social Media, zu der die SPD-Bürgerschaftsfraktion am Montagabend geladen hatte, prallten in der Tat Welten aufeinander. Stefan Engels (Anwalt, Arbeitskreis Medien der SPD Hamburg) und Michael Neumann (SPD-Fraktionschef, Blogger) warben vergeblich um Verständnis dafür, dass sich ihre Partei gegenüber neuen Entwicklungen im Netz so zögerlich zeigt. Juliette Guttmann von DerWesten, Nico Lumma und Teile des Publikums versuchten vergeblich, für mehr Mut zu werben.

Die anwesenden Politiker verwiesen mehrfach auf die „Spielregeln der Politik“, die (neben Budget- und Personalknappheit) ein stärkeres Engagement kaum möglich machten. Nicht so richtig angekommen ist, dass sich Spielregeln in allen möglichen gesellschaftlichen Bereichen ändern — natürlich nicht komplett, aber eben auch nicht nur unwesentlich. Wer in der Musikindustrie oder der Filmbranche arbeitet, wer Zeitungen oder Zeitschriften verlegt, wer PR-Beraterin ist oder Buchhändler oder Pressefotografin oder Lexikonvertreter oder Lehrerin oder Bibliothekar, findet eine Welt vor, die sich seit dem Internet erheblich verändert hat. Da kann die Politik, in der Kommunikation so eine zentrale Rolle spielt, erstens nicht erwarten, dass ihre Spielregeln unverändert bleiben. Und darf zweitens nicht glauben, dass es für die anderen leichter sei: Auch Privatpersonen und Firmen fragen sich, wie viel Transparenz an welcher Stelle too much ist.

Die vorgetragene große Sorge, dass grundsätzlich einmal alles im Netz dokumentiert bleibt, ist ebenso übertrieben. Zum einen gilt das eben auch für alle, also auch für die Politiker gegnerischer Parteien, Journalisten, Verbände, Unternehmen, Initiativen — und natürlich auch für jeden Nutzer. Und zum zweiten ist Rückzug keine Alternative: Wenn Michael Neumann seinen Wunsch nach einem Verfallsdatum für Netzinhalte nicht selbst ins Internet schreibt, tut das eben jemand anders.

(Nur, damit niemand die Selbstverständlichkeit aussprechen muss: Dass ein schlechtes politisches Programm nicht zu retten ist, in dem man bloß darüber bloggt, flickrt, twittert, qikt, mogulust oder yammert, ist sonnenklar.)

Nachtrag: Mehr bei Nico Lumma und Jan Schmidt.

Wahlkampf mit Flüchtlingen

SPD-Wahlkampfargument: weniger Flüchtlinge in Deutschland.

Eines der Argumente der SPD-Wahlkampagne: In Deutschland leben 2004 (unter Rot-Grün) weniger Flüchtlinge als 1998 (nach Schwarz-Gelb).

Screenshot von der SPD-Website: In D lebende Flüchtlinge 1998: 1,25 Mio. - 2004: 1,00 Mio.
(SPD-Vergleichsliste Rot ist besser)

In der PDF-Version heißt die entsprechende Kategorie „Zahl der in Deutschland lebenden Flüchtlinge (inkl. Asylbewerber)“, auf einer Seite mit der Verbrechens-Aufklärungsquote und den Diebstahlsfällen pro 100.000 Einwohner.

Das lässt für diesen Wahlkampf wahrlich wenig Gutes ahnen.