Rekensleutel

Undercover bei den Fernseh-Anrufquizzen.

Mich hat gerade ein fast 40 Minuten langes Video in einer Sprache, die ich kaum beherrsche, begeistert:


Die Basta-Folge zu Anrufquizzen bei YouTube

Die Macher von Basta, einer satirisch-investigativen Sendung im belgischen öffentlich-rechtlichen TV-Programm Eén, setzen sich mit Anrufquizzen auseinander.

Nicht nur, indem sie die merkwürdigen Tiere, deren Namen die Anrufer raten müssen, im Zoo suchen; nicht nur, indem sie die bizarren Spielregeln als Jahrmarktgaukler nachspielen. Viel besser: Sie knacken den Rechenschlüssel für die dubiosen Zählaufgaben (PDF-Erklärung) — und schmuggeln einen der ihren mehrere Monate lang als Moderator ein.

Einen Tag nach der Basta-Ausstrahlung haben die Sender VTM und 2BE angekündigt, die Anrufquizze einzustellen.

Nachtrag: Eine Version mit deutschen Untertiteln und den Link zu einer synchronisierten Fassung gibt es bei Fernsehkritik-TV.

Ein paar Verständnishilfen:
bellers = Anrufer
belspelletjes = Telefonspiele
mol = Maulwurf
kijker = Zuschauer
kans = Chance
drie uur lang = drei Stunden lang
kansspel = Glücksspiel
staatssecretaris voor de Coördinatie van de fraudebestrijding = Staatssekretär für die Koordination der Betrugsbekämpfung
K.B. (Koninklijk Besluit) = Regierungserlass, in diesem Fall zur Anrufquiz-Regulierung
telsleutel = Zählschlüssel
rekensleutel = Rechenschlüssel

Quittung

Strafe für Zuschauerbetrug bei BBC-Quizzen.

Nach der Millionenstrafe für ITV hat jetzt auch die BBC die Quittung für den britischen Anrufquiz-Skandal bekommen. Wenn Mitarbeiter der Produktionsfirma als Mitspieler oder Gewinner auftreten, Zuschauer sich an längst aufgezeichneten Sendungen beteiligen sollen oder fiktive Gewinnernamen verlesen werden, dann summiert sich das zu einer Geldbuße von 500.000 Pfund, also etwa 630.000 Euro, zahlbar an den Obersten Zahlmeister Ihrer Majestät. Der Kommunikations-Regulierer Ofcom hat bei der Strafhöhe berücksichtigt, dass niemand mit den Täuschungen in insgesamt acht Sendungen einen Gewinn erzielte und dass die Strafe aus Gebührenzahler-Geldern beglichen wird.

Telefonkosten

Millionenstrafe für Quizbetrug bei ITV.

Ein Nachtrag zum britischen Anrufquiz-Skandal von 2007: Laut Guardian liegt die Strafe, die der Sender ITV für den Zuschauerbetrug zahlen muss, bei vier Millionen Pfund, also etwa fünf Millionen Euro. Dabei hat der Kommunikations-Regulierer Ofcom noch lange nicht die Höchsstrafe verhängt, unter anderem weil ITV zusätzlich bis zu zehn Millionen Euro an die Zuschauer zurückzahlen muss. (Zum Vergleich: Medienaufsicht in Deutschland.)

Nachtrag: Am Ende waren es dann sogar für alle vier Fälle zusammen 5,675 Millionen Pfund, also etwa 7,2 Millionen Euro.

Gut aufgelegt

Fernsehkritik.TV über Call-in-Quizze.

Money Express - Falsche Antwort 5 -- Aufgelegt 6

Eine geballte Dosis Anrufquiz-Fernsehen: Die Klage gegen Marc Doehlers call-in-tv.de, eine Analyse von Money Express (Callactive/Endemol) und die Top Ten der Spiel-Lösungen gibt es in der sehenswerten dritten Folge von Fernsehkritik.TV (40 Minuten Quicktime oder Windows Media).

Da muss man erst Herrn Niggemeier lesen, um zu sehen, was Rupert Everett der Fernsehkritiker vom Nebenbüro so alles macht. Chapeau!

Verspielt

Anrufquiz-Vorschriften à la 9live.

Der 9live-Mutterkonzern ProSiebenSat.1 schlägt gerade einen Maßnahmenkatalog für Call-TV-Sendungen vor. Zu den vorgesehenen regelmäßigen Einblendungen „zur Verbesserung der Kommunikation“ zählen unter anderem „Niemand weiß, ob gerade Sie vom Hot-Button ausgewählt werden.“ und „Ob ein Rätsel schwer oder leicht ist, entscheiden Sie!“ (Stefan Niggemeier wertet immerhin die zufällige Vorauswahl zu jedem Zeitpunkt und das Ausspielen ausgelobter Gewinne als möglichen Fortschritt.)

Nur mal zum Vergleich — in Großbritannien hat der Selbstregulierer Icstis nach dem Anrufquiz-Skandal seine verschärften Regeln vorgestellt, die unter anderem vorschreiben:

  • Die Chance eines Anrufers, überhaupt ausgewählt zu werden, muss nahezu in Echtzeit transparent gemacht werden. Etwa durch eine aktuelle Einblendung, wie viele Leute es in den vergangenen 15 Minuten probiert haben.
  • Spätestens, wenn ein Zuschauer mehr als 10 britische Pfund an einem Tag vertelefoniert hat, muss er beim nächsten Anruf automatisch gewarnt werden, wie viel ihn seine Anrufe kosten — dann wieder bei 20 Pfund, 30 Pfund und so weiter.

Nur mal zum Vergleich — was, wenn ich die 49 Cent nicht in einen Anruf investiere, sondern in einen Spielautomaten stecke? Dann müsste dieser von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt zugelassen sein (§ 11 SpielV), zufällige Gewinnaussichten und für jeden Spieler gleiche Chancen bieten (§ 12 II b), nach einer Stunde Spielbetrieb eine mindestens fünfminütige Pause einlegen (§ 13 I Nr. 5) und Einsätze, Gewinne und Kasseninhalt laufend auslesbar erfassen (§ 13 I Nr. 8). Ein Aufkleber „Achten Sie auf Ihr Spielverhalten“ genügt da komischerweise nicht.

Zwei PDF-Dokumente zum Thema: