Jetztterror

Klagelied eines Möchtegern-Zeitsouveräns.

Fing doch gut an: Briefe, die viel günstiger als Auslandsgespräche über Zeitzonen hinweg sausten, aufzusammeln bei passender Gelegenheit in jeder elektronischen Oase. Foren, in denen der Anwesende auf die Beiträge der Abwesenden antwortete und daraus ein gedehntes Gespräche entstand. Lagerstätten von Bildern, später auch Tönen, später bewegten Bildern, die auf vorbeispazierende Nutzer warteten. Weblogs. Der On-demand-Nutzer, der Zeitsouverän.

Es ging schon schief, als der Chat erfunden wurde.

Jetztterror — be here now. Mittlerweile fühlt es sich an, als sei E-Mail für die jüngste Nutzergeneration bloß papierloses Telefax. Eine spamverseuchte Schnittstelle zu denen, die das mit dem „instant“ nicht richtig hinbekommen. Und das waren für das untergehende Abendland doch bloß die Aufwärmübungen. Dann wäre da Twitter und seine Klone fürs Mikrobloggen im Present Continuous: What are you doing, genau jetzt? Der Facebook-Status ist ein weiterer Totmannknopf: Bewegt der Nutzer sich noch? Und nun zunehmend das: Video mit Halbwertzeit Null — gesendet wird live. Selbst wenn dabei fast ohne Konzept, fast ohne Licht und fast ohne kalte Getränke etwas ziemlich Amüsantes herauskommt: Hoffentlich ist das, was da gerade leise die Haustür hinter sich schließt, nicht der Traum vom Wenn’s-gerade-passt-Internet.

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