Prioritäten

Opferschutz und Geheimhaltung in den Medien.

Nur ein zwei Jahre altes Mädchen überlebte die Nacht in dem Haus unverletzt. Es wird nun psychologisch betreut und steht unter Polizeischutz. Ob das Kind bei dem Mord zusehen musste, wollte die Polizei gestern nicht sagen.

Das schreibt das Hamburger Abendblatt in seiner Druckausgabe unter der subtilen Überschrift „Sechs Menschen erschossen – musste ein Kind zusehen?“. Was die Zeitung nicht schreibt, ist, dass die Polizei die Medien am Montag ausdrücklich gebeten hatte, zum Schutz des Kindes (und zwar des Lebens des Kindes) nicht darüber zu berichten — was alle dpa-Abonnenten auch mitgeteilt bekamen. Die dpa und die meisten Medien hielten sich daran. Das Abendblatt gehört zu denjenigen Medien, die es nicht getan haben. (Da dies nun publik ist, berichten alle Medien darüber. Das Kind kommt nach Polizeiangaben schon aus Altersgründen nicht als Zeugin infrage.)

Zum Vergleich: In diesem Artikel lobt das Abendblatt „die längste, konspirative Kooperation zwischen Polizei und Presse“. Das war 1996 bei der Reemtsma-Entführung.

Wichtiger Nachtrag: Das Medienmagazin Zapp hat am Mittwoch darüber berichtet und den Ablauf in Sittensen rekonstruiert (Video). Die Polizei hat, wie Aufzeichnungen belegen, mit der Presse anfangs über das Kind gesprochen, ohne ausdrücklich um Geheimhaltung zu bitten. Die Reporter vor Ort (auch vom NDR Hörfunk) haben das Kind daher in ihrer Berichterstattung zunächst erwähnt. Als die Bitte um Geheimhaltung bekannt wurde, haben sich fast alle daran gehalten und nicht mehr darüber berichtet. Wie die Zweijährige dann am nächsten Morgen doch auf die Titelseite des Abendblatts gekommen ist? Das war kein Missverständnis, sondern eine bewusste Entscheidung aus Konkurrenzdruck — „sonst sind wir in unserem Verbreitungsgebiet eventuell die Doofen“ (Vize-Chefredakteur Karl Günther Barth).

Carole und Clown

Das berühmte Testbild-Mädchen.

Carole Hersee, das Mädchen vom Testbild Sollte sich übrigens jemand bei „Life on Mars“ über den kurzen Auftritt eines kleinen Mädchens mit einer hässlichen Clownspuppe gewundert haben: Beide stammen aus dem wohl berühmtesten BBC-Testbild, das es gibt — Test Card F von 1967. Um die Geräte auch im Zeitalter des Farbfernsehens perfekt abzustimmen, entwickelten die BBC-Techniker nicht nur die üblichen Farbbalkenfolgen, Gitternetze und Säulenmuster. In der Mitte spielt Carole, die Tochter des BBC-Ingenieurs George Hersee, Tic Tac Toe gegen die Puppe. Dabei markiert das Kreuz auf der Tafel die Bildschirmmitte. Der aktuelle Nachfolger, Test Card J, war übrigens im Januar 2007 zuletzt im Einsatz.

Mehr dazu:
BBC-Testausstrahlung von 1978
Daily Telegraph: The man who listens to test card tunes by choice
BBC-Radiodoku über Fans von Testbild-Musik
Test Card F als Bildschirmhintergrund
Design Observer: The Mysterious Disappearance of Carole Hersee

Nachtrag: Fiese Kürzungen waren ja schon zu befürchten, aber nach diesen Schilderungen spare ich schon mal auf die DVD.

Grimme Time

Zeit für neue Vorschläge.

Grimme-TrophäeWenn sich die animierte Grafik auf der Startseite der Riesenmaschine nicht irgendwann verhaspelt hat, dürfte der kleine Grimme Online Award dort seit Juni 2006 etwa 12,6 Millionen Umdrehungen hinter sich haben. Damit wird es langsam Zeit, neue Websites zu finden, die einen Preis für publizistische Qualität im Netz verdient haben.

Mit anderen Worten: Die Vorschlags-Saison ist eröffnet und geht noch bis zum 31. März.

(Nein, das ist keine subtile Aufforderung, Zettel mit der Aufschrift „Wortfeld“ in die Box zu werfen. Diesmal helfe ich in der Nominierungskomission mit und bin damit natürlich unwählbar.)