Blogs gescheitert, weitermachen
Spiegel Online über angebliche Blog-Schließungen.
Ganz unproblematisch ist das nie, wenn professionelle Medien „bloggen“: Das Führen von Weblogs ist per definitionem eine Sache des „alternativen Journalismus“, der „Community“ – es definiert sich teils dadurch, dass es eben nicht kommerziell und „professionell“ motiviert ist. Medien nehmen das Blog dagegen als bloße Stilform auf, was mal mehr, viel öfter aber weniger glaubwürdig ist.
Das könnte Selbstkritik an „The World From Berlin“ (ehemals „Fishwrap“) sein, einem angeblichen Weblog von Spiegel International, ist es aber nicht. Im oben zitierten Spiegel-Online-Artikel heißt es, die „Washington Post“ habe ihr Experiment beendet, Leser unter dem Dach der Zeitung bloggen zu lassen. Gescheitert sei dieses Blog-Experiment, von der „Schließung des Angebots“ ist die Rede.
Nicht ganz: Die Washington Post hat nicht nur ein Weblog, sondern bei der letzten Zählung 19 Weblogs. Einige beschäftigen sich mit den Bundesstaaten in der Umgebung von Washington, andere sind Personen-Weblogs, eines verfolgt die Kandidatur von Richter Alito für das Oberste Gericht. Doch alle scheinen bestens zu funktionieren.
Mit mehr als nur Wohlwollen könnte man den Spiegel-Online-Artikel so verstehen, dass Weblogs nur dann Weblogs sind, wenn die Kommentare offen sind. Werden also die Kommentare geschlossen, schließt man damit die Weblogs. Diese Definition ist zwar sehr strikt und vielleicht auch ein wenig irreführend. Ich habe aber soeben auf einem der dortigen Weblogs kommentieren können.
Erhellend ist allein das öffentliche Statement „auf der Blog-Webseite“, das Spiegel Online verlinkt: Washingtonpost.com hat schlicht die Kommentare im Weblog der Herausgeber geschlossen, und nur dort. Was das alles mit bloggenden Lesern unter dem Dach der Zeitung zu tun hat — ich weiß es nicht. Der Artikel endet mit einem Hinweis, dass die „Los Angeles Times“ ähnliche Erfahrungen machte und „ihr offenes Blog“ nach zwei Tagen wieder schloss. Danke der Nachfrage: Den dortigen mindestens neun Weblogs geht es gut, auch wenn dort die Kommentare nach Absenden erst noch freigeschaltet werden. Mit „offenes Blog“ ist offenbar ein fehlgeschlagenes Experiment mit einem Wiki-Editorial gemeint.
(Wäre es nicht leichter gewesen, einfach direkt zu schreiben, dass der Autor Weblogs professioneller Medien nicht mag?)
12 Kommentare
Die NYT hat ihren Artikel, der dem von Spiegel Online in der Essenz und seinen Fehlern ähnlich ist, inzwischen korrigiert:
http://www.nytimes.com/2006/01/20/business/media/20blog.html
Als Background noch die Abrufzahlen der einzelnen Spiegel-Online-Rubriken – die Netzwelt hat, verglichen mit anderen Ressorts, ein solides Akzeptanzproblem:
http://quality-channel.de/public/qc_preise/preise.php?partner_id=39&priceField=&price_nr=
Das übernimmt Alfons schon. 😉
Spiegel Online hat übrigens noch ne weitere Blog-Leiche, das so genannte BundesBlog. Ohaua, hoffentlich befördert Dich jetzt nicht ein um Aufmerksamkeit geradezu barmender „Blog-Fanatiker“ zum Spießer2.0. (-;
Keine Ahnung, keine Lust oder keine Zeit und keinen Chef vom Dienst … der noch einmal dazwischenfunken könnte.
In Editor & Publisher gibt es dazu einen ausführlichen Artikel von Joe Strupp, der noch etwas über den washpostblog hinausgeht
http://www.editorandpublisher.com/eandp/departments/online/article_display.jsp?vnu_content_id=1001882230
Bei Spiegel Online wurde auch schon besser recherchiert.
Hmm, muss man sich denn gleich anschließen und unzulässig verallgemeinern? Mag ja sein, dass es den entsprechenden Redakteur/Freien/beide so sehr gefreut hat, dass er am tatsächlichen Geschehen vorbeischoss. Aber dass „die Journalisten“ etwas machen ist genauso unwahrscheinlich wie „die Blogger“, „die Menschen“ oder „die Deutschen“…
Nein, nicht einmal das. Hier zum Beispiel stimmt so ziemlich nix (Der Artikel der New York Times, auf dem die »Recherche« von Spiegel Online »basierte«, wurde inzwischen übrigens korrigiert).