Norwegens Deutschenkinder

Eine Studie über die Lebensverhältnisse der Kinder deutscher Väter in Norwegen des Zweiten Weltkriegs.

Mit 15 hat die Norwegerin Gerd-Inger Resch erfahren, dass die Frau, die sie für ihre Schwester hielt, ihre Mutter ist. Dass ihr Vater ein deutscher Besatzungssoldat war, erfuhr sie erst weitere 25 Jahre später. Mit 42 lernte sie ihn kennen. Der Fall, den die norwegische Zeitung Aftenposten schildert, ist bei weitem nicht der einzige: Zwischen 10.000 und 12.000 „Deutschenkinder“ sollen während des Krieges und kurz danach in Norwegen geboren worden sein, und der Umgang mit ihnen und ihren Müttern nach dem Krieg ist ein dunkles und trauriges Kapitel.

Einige der Kinder haben ihre Staatsbürgerschaft verloren, wurden nach Deutschland geschickt, wurden nach Schweden wegadoptiert. Das Justizministerium zählt zu den Vorwürfen, dass zum Teil Geburtsurkunden gefälscht, Kinder fälschlich auf Sonderschulen geschickt, sie von Kindern und Erwachsenen, in der Schule, von Lehrern, im Arbeitsleben gemobbt wurden — bis hin zu sexuellen Übergriffen und anderer Gewalt. Viele fühlten sich wie Freiwild.

Eine statistische Untersuchung, über die Aftenposten ebenfalls berichtet, macht jetzt erstmals deutlich, wie sehr sich ihre Herkunft auf ihr Leben ausgewirkt hat. Sie hatten die höchste Rate an Herzgefäßkrankheiten, die höchste Krebsrate, die höchste Selbstmordrate. Die Sterblichkeit lag im Vergleich mit anderen norwegischen Kindern ihrer Generation um 66 Prozent höher. Bei höherer Bildung sind sie klar unterrepräsentiert, sie verdienen 21.000 Kronen (2.500 Euro) im Jahr weniger als ihre Generationsgenossen, haben weniger Vermögen, sind häufiger arbeitslos. Der Statistiker Dag Ellingsen weist in Aftenposten darauf hin, dass ein großer Teil dieser Kinder wie der Durchschnittsnorweger lebt. Ein anderer Teil dieser Gruppe zieht den Durchschnitt aber deutlich herab.

Gerd-Inger Resch leitet heute eine Vereinigung dieser Kinder, Norges Krigsbarnforbund. Dort setzt sie sich für eine Anerkennung der Lage dieser Kinder ein und fordert eine Entschädigung vom Staat. Norwegens Regierung hat dem Parlament vorgeschlagen, bis zu 20.000 Kronen, also bis zu 2.400 Euro, zu zahlen. Dazu müssen die Betroffenen eine Erklärung über erlittenes Mobbing und Übergriffe einreichen. Wer physische oder psychische Schaden dokumentieren kann, soll höchstens 200.000 Kronen, 24.000 Euro bekommen.

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