ICANN: Regierungen drängen bei WIPO-2
Das ICANN-Treffen in Montréal ist im Gange, und Thomas Roessler hat dankenswerterweise ein Protokoll der gemeinsamen Sitzung von Direktorium und Regierungskomitee GAC veröffentlicht. Vieles mag für Nicht-Insider unverständlich sein, es geht hier aber um eine wichtige Frage: die Rolle von Regierungen bei ICANN, die Weite der ICANN-Mission und Beschränkungen für Domaininhaber. Thomas Roesslers Protokoll zeigt, […]
Das ICANN-Treffen in Montréal ist im Gange, und Thomas Roessler hat dankenswerterweise ein Protokoll der gemeinsamen Sitzung von Direktorium und Regierungskomitee GAC veröffentlicht. Vieles mag für Nicht-Insider unverständlich sein, es geht hier aber um eine wichtige Frage: die Rolle von Regierungen bei ICANN, die Weite der ICANN-Mission und Beschränkungen für Domaininhaber.
Thomas Roesslers Protokoll zeigt, dass zumindest einige GAC-Vertreter auf eine rasche Umsetzung von WIPO-2 zu drängen scheinen. WIPO-2 ist die Kurzform für den „Second WIPO Internet Domain Name Process“ der Weltorganisation für geistiges Eigentum. Dieses Verfahren hat sich rund zwei Jahre lang hingezogen und endete mit einer „Entscheidung“, die ICANN übermittelt wurde.
Es geht dabei um die Domainnamen, die der Bezeichnung oder Abkürzung von internationalen Regierungsorganisationen entsprechen, und um Domains, die dem Kurz- oder Langnamen eines Staats entsprechen. WIPO will auch für diese Fällen Schnell-Streitschlichter, die dem Inhaber seine Domains entziehen können, ohne dass dafür ein Verfahren vor nationalen Gerichten nötig ist.
Die WIPO-Entscheidung wurde vom höchsten Gremium der Organisation, der Generalversammlung getroffen, in der die Vertreter der WIPO-Mitgliedsregierungen sitzen. Bei ICANN treffen sich die Regierungsvertreter im besagten GAC, das allerdings keine Entscheidungsbefugnis für ICANN hat — Resolutionen stammen bei ICANN vom Direktorium.
Die WIPO-2-Beschlüsse treffen allerdings auf wenig Gegenliebe im ICANN-Bereich: Eine zusätzliche Regulierung ist eher unwillkommen, das GAC hat einen Ruf als Geheimniskrämer und WIPO gilt als Lobby der Warenzeichen-Besitzer. Das Direktorium beschäftigt sich daher nur zögerlich mit WIPO-2: Die Unterorganisation für (generische) Domainnamen, GNSO, hat sich für eine gründliche Untersuchung der Fragen ausgesprochen, das Interimkomitee für At-Large-Nutzer ist ebenfalls sehr skeptisch: Hier werden Rechte an Domainnamen zugesprochen, die im nationalen Recht so nicht zu finden sind. Soll ICANN etwa internationales Recht schaffen?
Die Frage ist also, ob ICANN stark genug ist, sich gegen eine solche Instrumentalisierung zu wehren und auf die Grenzen ihrer Zuständigkeit zu verweisen. In dieser unkomfortablen Lage werden sich die Qualitäten des neuen ICANN-Präsidenten Paul Twomey zeigen — der ausgerechnet zuvor als australischer Vertreter und Vorsitzender im Regierungskomitee GAC saß.
Update: Mehr dazu von Milton Mueller bei ICANNwatch
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